Woher kommt das Gift bei der Panzerwiese? Fragen zur Belastung durch das Umweltgift PFOS
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Mona Fuchs, Judith Greif, Dominik Krause, Thomas Niederbühl, Clara Nitsche, Julia Post, Dr. Florian Roth, Christian Smolka (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) und Anne Hübner, Lars Mentrup, Klaus Peter Rupp, Dr. Julia Schmitt-Thiel, Felix Sproll, Andreas Schuster (SPD/Volt-Fraktion) vom 3.3.2021
Antwort Christine Kugler, Referentin für Klima- und Umweltschutz:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Trotz wiederholter Messungen ist es dem Wasserwirtschaftsamt München bisher nicht gelungen, die Quelle für die Freisetzung des Umweltgiftes PFOS (perfluoriertes Tensid aus der Gruppe der PFC) in das Grundwasser im Münchner Norden zu finden. Messungen im August 2019 haben erstmals erhöhte Werte im Grundwasser des Münchner Nordens im Bereich der Panzerwiese sowie in den Flüssen Moosach und Mauka im Landkreis Freising festgestellt, woraufhin das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eine Verzehrwarnung für belastete Fische aus beiden Gewässern aussprach.
Die aktuellen Werte aus September beziehungsweise Oktober 2020 liegen noch immer oberhalb des Schwellenwertes von 0,1 µg/l. Zwei Messstellen in Ober- und Unterschleißheim wiesen Werte von 0,11 µg/l beziehungsweise 0,12 µg/l auf sowie im Münchner Hasenbergl ebenfalls 0,11 µg/l. Bei den getesteten Substanzen handelt es sich um perfluorierte Tenside (PFT). Unter diesem Begriff werden organische Verbindungen zusammengefasst, bei denen alle Wasserstoffatome am Kohlenstoffgerüst durch Fluoratome ersetzt wurden. Die beiden wichtigsten PFT-Vertreter sind Perfluoroktansäure (PFOAS) und die Perfluoroktansulfonsäure (PFOS). Aufgrund ihrer thermischen und chemischen Stabilität, ihrer Beständigkeit gegenüber UV-Strahlung und Verwitterung sowie der schmutz-, farb-, fett-, öl- und wasserabweisenden Eigenschaften fanden diese Verbindungen in einer Vielzahl von Industrie- und Konsumprodukten Verwendung – beispielsweise bei Textilien, Funktionsbekleidung, Pfannen, Papier und Verpackungen, Teppichen, Farben, Reinigungsmitteln und Konsumartikeln. Für Menschen und Tiere sind perfluorierte Tenside giftig. Sie sind krebserregend und in hohen Konzentrationen auch fortpflanzungsschädigend. Sie lagern sich im Blut und im Organgewebe, insbesondere in der Leber, ab und werden nur langsam ausgeschieden (Halbwertszeit beim Menschen 4,5 Jahre). Da perfluorierte Tenside nicht abbaubar sind, reichern sie sich zudem in der Nahrungskette an. Aufgrund ihrer Persistenz und Akkumulation in Organismen und in der Umwelt wurden manche PFT bereits verboten“.
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die darin aufgeworfenen Fragen beantworte ich unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes München wie folgt:
Zunächst weist das Wasserwirtschaftsamt München darauf hin, dass die Bezeichnung „PFC“ von „PFAS“ (Perfluorierte Alkysubstanzen) abgelöst wird, da dies die chemisch korrekte, moderne und international gebräuchliche Bezeichnung ist.
Frage 1:
Dass ein einzelner Verursacher die Stoffe einmalig freigesetzt hat, wird mittlerweile ausgeschlossen. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Chemikalien nach wie vor ins Grundwasser eingeleitet werden?
Antwort:
Unter Berücksichtigung der Fließgeschwindigkeit des Grundwassers (3-5 m/Tag) und des Nachweises der PFAS im Grundwasser bis in den Landkreis Freising muss davon ausgegangen werden, dass der Eintrag der Stoffe vor längerer Zeit stattgefunden hat. Da die langkettigen Vertreter der PFAS (z.B. PFOS) nur relativ langsam aus Böden ausgewaschen werden, treten Grundwasserbelastungen oft erst Jahre bis Jahrzehnte nach einer Exposition des Bodens auf. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass noch eine Nachlieferung aus dem Boden ins Grundwasser erfolgt.
Frage 2:
Eine Fehlauslösung einer Feuerlöschanlage im BMW-Werk Dostlerstraße wird als Ursache ebenfalls ausgeschlossen. Das erfolgreiche Sanierungskonzept in Kooperation mit dem Wasserwirtschaftsamt und dem RKU konnte den Wert von 2,0 µg/l (20fache des Schwellenwerts) auf 0,21 µg/l senken. Wie wahrscheinlich ist es, dass sich die festgestellten hohen Konzentrationen in den kommenden Jahren dennoch im Abstrom von München und in der Moosach abbilden und in welcher Konzentration könnte diese der Fall sein?
Antwort:
Da die PFAS in der Umwelt außerordentlich stabil sind, also praktisch nicht abgebaut werden, ist eine weitere Verfrachtung der Stoffe nicht auszuschließen. Es wird darauf hingewiesen, dass sich aufgrund der komplexenGrundwasserverhältnisse im Bereich nordöstlich des BMW-Werks (Ablenkung des Grundwasserstroms durch die Tertiärmorphologie) die Nachverfolgung von Schadstoffen äußerst schwierig gestaltet.
Frage 3:
Wann ist mit Ergebnissen der im März startenden Messkampagne zu rechnen?
Antwort:
Das Monitoring ist derzeit in Planung und wird noch im März gestartet. Die Ergebnisse inklusive der Bewertung werden voraussichtlich im Mai dieses Jahres vorliegen.
Frage 4:
Wird sich die Quelle der PFC-Belastung auf Basis dieser Ergebnisse räumlich eingrenzen lassen?
Antwort:
Erschwerend bei der Ursachenermittlung ist die Tatsache, dass PFAS mittlerweile auch außerhalb von Schadensfällen in Spuren überall in der Umwelt (ubiquitär) nachgewiesen werden, was sich auch in den Ergebnissen des Berichts des Wasserwirtschaftsamts bestätigt.
Da PFAS wasser-, fett- und schmutzabweisend sowie chemisch und thermisch stabil sind, werden sie in zahlreichen Verbraucherprodukten, wie Kosmetika, Kochgeschirr, Papierbeschichtung, Textilien oder Ski-Wachsen verarbeitet. Außerdem werden PFAS zur Oberflächenbehandlung von Metallen und Kunststoffen, in Pflanzenschutz- oder Feuer-löschmitteln verwendet
Aufgrund dieser Kriterien gestaltet sich die Eingrenzung der Belastung als sehr schwierig. Das Monitoring dient daher dazu, bessere Erkenntnisse zu gewinnen.
Frage 5:
Muss die Messkampagne ggf. angepasst oder erweitert werden, um eine räumliche Eingrenzung zu ermöglichen?
Antwort:
Das Monitoring wird fortlaufend angepasst, einerseits um eine zeitliche Veränderung der Schadstoffkonzentrationen zu überprüfen, andererseits um eine weitere räumliche Eingrenzung zu ermöglichen.