Besserer Lärm- und Gesundheitsschutz für Anwohner*innen – Genehmigung der Panzerteststrecke Allach nur mit strengen Auflagen
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Rathaus Umschau 95 / 2021, veröffentlicht am 20.05.2021
Besserer Lärm- und Gesundheitsschutz für Anwohner*innen – Genehmigung der Panzerteststrecke Allach nur mit strengen Auflagen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Mona Fuchs, Anna Hanusch, Sofie Langmeier, Marion Lüttig, Julia Post und Sibylle Stöhr (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 18.9.2020
Antwort Christine Kugler, Referentin für Klima- und Umweltschutz:
Mit Ihrem Schreiben vom 18.9.2020 fordern Sie die Stadtverwaltung auf, beim Genehmigungsverfahren für die Panzerteststrecke Allach den größtmöglichen Schutz der Anwohner*innen sowie die Transparenz des Verfahrens sicherzustellen:
Ferner stellten Sie folgende Anträge:
„1. Vor einer Genehmigung der Panzerteststrecke Allach sollen in den benachbarten Wohngebieten und Wohninnenräumen, insbesondere auch auf dem Neubaugebiet Diamaltgelände, während der Hauptbetriebszeiten Schallmessungen des Bayerischen Landesamtes für Umwelt unter besonderer Berücksichtigung hör- und spürbarer (Pulsationen, Vibrationen) tieffrequenter Geräusche (ggf. zusätzlich Infraschall) durchgeführt werden, die fachlich vom RGU begleitet werden. Dabei ist sicherzustellen, dass sämtliche relevanten Lärmquellen auf dem Betriebsgelände des Panzerherstellers Krauss-Maffei-Wegmann (KMW) aktiv sind, um deren Kumulationswirkung erfassen zu können. Dies soll durch Befragung der Anwohner*innen während der Messungen zusätzlich abgesichert werden.
2. Die Betriebszeiten der Teststrecke werden auf Montag – Freitag je 9-17 h begrenzt, wobei nach Möglichkeit in der Mittagszeit die Teststrecke nicht benutzt werden soll. Der Betreiber wird angehalten ein Betriebskonzept vorzulegen, in dem die Testzyklen auf möglichst kurze Zeitabschnitte je Arbeitsschicht zusammengefasst werden sollen (siehe TA-Lärm 4.3).
3. Die Bestandsgenehmigung wird kritisch überprüft mit Darstellung aller vorliegenden Genehmigungen und Beschlüsse.
4. Im Auftrag der LH München wird von einem unabhängigen Institut ein zweites Lärmgutachten erstellt.”
Als Begründung führen Sie an:
„Die Panzerstrecke Allach von KMW wurde 1964 in Betrieb genommen – und wird seither nahezu unverändert betrieben. Zum damaligen Zeitpunkt gab es für Anlagen dieser Art noch keine gesonderte Genehmigungserfordernis. Da der Gesetzgeber erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht für Teststrecken begründete, bedurfte es für die Panzerteststrecke in Allach lediglich einer Anzeige beim RGU als zuständiger Unterer Immissionsschutzbehörde. Bisher wurde eine Betriebszeit von 7-17h angezeigt, eine Ausweitung jedoch bis 20h beantragt. Im Sinne des Lärm- und Gesundheitsschutzes für die betroffenen Anwohner*innen der angrenzenden bestehenden und neu entstehenden Wohngebiete ist es unabdingbar, eine Genehmigung der Panzerstrecke von strengen Lärmschutzmaßnahmen abhängig zu machen – unter besonderer Berücksichtigung tieffrequenten Schalls, für den die TA-Lärm bisher weder Grenz- noch Richtwerte enthält und für den es einer Einzelfallprüfung bedarf.
Im jüngsten Schreiben des Bayerischen Landesamtes für Umwelt vom 22.7.2020 wird auf ein Lärmschutzgutachten im Auftrag der Firma KMW eingegangen, dessen Messergebnisse Überschreitungen der Anhaltswerte nach DIN 45680 um bis zu 27dB aufzeigen. In diesem Gutachten heißt es außerdem: ‚Nach dem Stand der Technik ist eine Reduzierung der tieffrequenten Geräuschemissionen der Panzerfahrzeuge Leopard I und II nicht möglich.‘ Über 600 Einwendungen von Bürgerinnen und Bürgern sind ein klares Signal an die Politik, hier zu handeln. Notwendig ist ein neutrales, unabhängiges Gutachten, das nicht von der Rüstungsindustrie in Auftrag gegeben und bezahlt wurde.“
Zu Ihrem Antrag vom 18.9.2020 teilen wir Ihnen mit, dass Ihrem Anliegen bereits teilweise durch das freiwillige Entgegenkommen von KMW entsprochen wurde (siehe Teilpunkt 2). Den Teilpunkten 1, 3 und 4 konnte nach erfolgter Überprüfung nicht entsprochen werden.
Das Referat für Klima- und Umweltschutz ist als Kreisverwaltungsbehörde für den Vollzug des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) zuständig und in diesem Verfahren Genehmigungsbehörde im Sinne des § 10 Abs. 5 Satz 1 BImSchG.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag als Brief zu beantworten.
Zu Ihrem Antrag vom 18.9.2020 teile ich Ihnen aber gerne Folgendes mit:
zu 1.
Ihr Antrag lässt den Schluss zu, dass die zum aktuellen BImSchG-Antrag von KMW bereits durchgeführten Messungen, die ausführlich in einschlägigen Gutachten, die den Antragsunterlagen beigefügt waren, beschriebenwurden, weder für den hörbaren noch für den tieffrequenten Schall für hinreichend belastbar gehalten werden. Damit könnten besonders bzgl. des bewerteten tieffrequenten Schalls das Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen nicht hinreichend ausgeschlossen werden.
1.1. Zum Bereich „tieffrequente Geräuschimmissionen“ kann folgendes ausgeführt werden:
Da für diese Fragen die DIN 45680 „Messung und Bewertung tieffrequenter Geräuschimmissionen in der Nachbarschaft“ (Ausgabe März 1997) heranzuziehen ist, wäre ein Einwand nur dann gerechtfertigt, wenn die erfolgten gutachterlichen Bewertungen den Anforderungen dieser DIN nicht hinreichend genügten. Dafür gibt es aus Sicht des RKU als Genehmigungsbehörde jedoch keinerlei Hinweise.
Die Bewertung gerade des tieffrequenten Schalls durch die Gutachter erfolgte hinsichtlich der Prognose-Methodik, wie auch bezüglich der gefundenen Ergebnisse in Abstimmung mit dem Bay. Landesamt für Umwelt (LfU) sowie dem RKU. Das LfU hat ausdrücklich der hier gewählten Methodik zugestimmt und im Ergebnis bestätigt, dass bei einer sich nicht verschlechternden Nutzungsintensität auch hinsichtlich der Anhaltswerte-Überschreitungen keine Bedenken bestehen (vgl. Stellungnahme vom 22.7.20). Die vom Schallgutachter erstellte Prognose auf Basis der in verschiedenen Richtungen von der Panzerteststrecke erhobenen Messwerte für die Terz-Schalldruckpegel im tieffrequenten Frequenzbereich ist daher belastbar und fachlich nicht zu beanstanden.
Die entscheidenden Regelungen zu Schallimmissionen (einschließlich In- fraschall) ergeben sich aus dem BImSchG in Verbindung mit den hierauf basierenden Verordnungen und Verwaltungsvorschriften, im vorliegenden Fall die TA-Lärm, die wiederum unter Nr. 7.3 und A.1.5 ergänzend auf die Regelungen der DIN 45680 verweist. Dabei ist keine separate Behandlung der Infraschallanteile des tieffrequenten Schalls vorgesehen. Das vorliegende Gutachten zu den tieffrequenten Schallimmissionen behandelt ausführlich die verschiedenen Frequenzanteile, inklusive Frequenzanalysen auch für den Bereich unterhalb von 20Hz.
Zwischenfazit:
Im Ergebnis erachtet das RKU aus fachlicher Sicht weitere, zusätzliche oder andersgeartete Messungen, Erhebungen oder Prognosen zur Bewertung der tieffrequenten Schallanteile weder für notwendig noch für rechtlich durchsetzbar.
1.2 Zum Bereich „hörbarer Schall“ kann folgendes ausgeführt werden:
Im Lärmgutachten, das den Antragsunterlagen beigelegen ist, wird die lärmtechnische Ermittlung und Bewertung der Panzerteststrecke mit allen Teilbereichen gemäß den Regelungen der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) durchgeführt.
Dazu wurden die Messungen zur Ermittlung der Lärmemissionen für den „hörbaren Schall“ von einer nach § 29b BImSchG bekannt gegebenen Messstelle, an drei Tagen – dem 8.2. 2017, am 16.2.2017 und dem 3.3 2017 – durchgeführt. Die Lärmemissionen der verschiedenen Fahrzeuge wurden bei unterschiedlichen Betriebsbedingungen (Volllast, Einbremsen und APG-Bahn) sowie Geschwindigkeiten zwischen 30 und 70km/h gemessen.
Für die Untersuchung der Schallreflexionen an der östlichen Riegelbebauung des Diamalt – Geländes wurde der für die Anwohnenden lärmmäßig ungünstigste Fall nach Fertigstellung aller Gebäude auf der Ostseite in den Berechnungen angesetzt und von stark reflektierenden „glatten Hausfassaden“ ausgegangen.
Dabei wurden die Emissionen/Immissionen in Bezug auf den im Genehmigungsverfahren beantragten Betriebszustand gemessen bzw. berechnet.
Wegen der in den Gutachten festgestellten Überschreitung des IRW pausch um 3 bzw. 1 dB(A) an den Immissionsorten IO 1 bzw. IO 1a, wurde entsprechend den Anforderungen unter Ziffer 3.2.1 Abs. 3 der TA Lärm, unter Berücksichtigung der Geräusch-Vorbelastung auch die Gesamtbelastung überprüft.
Für die Vorbelastung wurden neben den Emissionen der Bestandsanlagen der KMW, auch jene relevanten benachbarten Firmen und Industriegebiete sowie die Betriebsanlagen des Rangierbahnhof München Nord berücksichtigt.
Ebenso wurde als planerische Vorbelastung der in Aufstellung befindliche Bebauungsplan Nr. 1713a hinzugezogen.
Gemäß Ziffer 3.2.1 Abs. 3 der TA Lärm soll die Genehmigung trotz Überschreitung der IRW durch die Gesamtbelastung nicht versagt werden, wenn dauerhaft sichergestellt ist, dass diese Überschreitung nicht mehr als 1dB(A) beträgt.
Dieser Ansatz zur Bestimmung der Vorbelastung diente bereits im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens 2013 „Diamalt – Gelände“ als Grundlage zurErmittlung der Lärmbelastung und war so auch für das laufende Genehmigungsverfahren zu übernehmen.
Bei der Ermittlung und Bewertung der Lärmsituation wurde sowohl die Zusatz- als auch die Vorbelastung bzw. die Gesamtbelastung berücksichtigt.
Um die Einhaltung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm zu gewährleisten, würden in einem Genehmigungsbescheid für den Betrieb der Panzerteststrecke künftig dazu bestimmte Rahmenbedingungen verbindlich festgelegt werden.
Zwischenfazit:
Die umfangreichen Gutachten zum Thema „Lärmemissionen“, die auch den Einfluss neuer Bauvorhaben auf die Gesamtsituation einbeziehen (hier insbesondere das von Ihnen erwähnte Diamalt-Gelände), sind aus der Sicht des RKU plausibel und fachlich nachvollziehbar.
Somit erachtet das RKU auch insoweit weitere, zusätzliche oder andersgeartete Messungen, Erhebungen oder Prognosen zur Bewertung des hörbaren Schalls weder für notwendig noch für rechtlich durchsetzbar.
Gesamtfazit zu 1:
Alle Gutachten wurden von nach § 29b BImSchG bekannt gegebene Gutachter bzw. Messstellen erstellt. Dies bedeutet, dass die Sachverständigen über die erforderliche Fachkunde, Unabhängigkeit, Zuverlässigkeit und gerätetechnische Ausstattung verfügen sowie die für die Aufgabenerfüllung erforderlichen organisatorischen Anforderungen erfüllen. Die Gutachten gelten daher als Sachverständigengutachten der Genehmigungsbehörde (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV).
Wie dargestellt, gibt es weder aus fachtechnischer noch aus rechtlicher Sicht Bedenken oder Anhaltspunkte, die gegen die Belastbarkeit der vorgelegten Gutachten sprechen. Alle fachlich relevanten Parameter wurden berücksichtigt. Die Durchführung weiterer Schallmessungen erscheint daher aus Sicht des RKU deshalb vor einer Entscheidung über den Antrag als nicht vertretbar.
Die Prüfung des Antrags ist aber nach wie vor noch nicht abgeschlossen. Im Genehmigungsverfahren können daher die rechtlichen Möglichkeiten für die Auferlegung künftiger, nach der Entscheidung durchzuführender Messungen im laufenden Betrieb der Teststrecke überprüft werden.
Zu 2.
Ihrem Antrag auf Verringerung der Betriebszeiten wurde bereits durch das freiwillige Entgegenkommen von KMW entsprochen. Zusätzlich hat sichKMW zu verkürzten Betriebszeiten am Samstag bereiterklärt. (vgl. bereits Rathaus-Umschau Nr. 191/2020 vom 6.10.2020)
Die Verkürzung der Betriebszeiten der Teststrecke stellt sich wie folgt dar:
bisher: werktags 7 bis 20 Uhr
reduziert: Montag bis Freitag 7 bis 17 Uhr
Samstag 8 bis 14 Uhr, an max. 20 Samstagen/Jahr
Nachts und während der Ruhezeiten findet ohnehin kein Testbetrieb statt und ist auch nicht beantragt.
Darüber hinausgehende Gespräche mit KMW vor einer Genehmigungserteilung zu ggf. weiteren freiwilligen, weil nicht antragsgemäßen, Beschränkungen beim Betriebsumfang dürften aus Sicht des RKU derzeit nicht erfolgversprechend sein.
Die in Ihrem Antrag zitierte Nr. 4.3 der TA Lärm gilt nur für immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungspflichtige Anlagen und findet daher im konkreten Fall kein Anwendung.
zu 3:
Die Beurteilung des uns vorliegenden Antrages von KMW auf Genehmigung der bestehenden Panzerteststrecke erfolgt ausschließlich anhand der gesetzlichen Vorgaben und unter Einbeziehung der aktuell bekannten Voraussetzungen und vorliegenden Informationen. Dies gilt auch für die in der Vergangenheit bereits erteilten Genehmigungen oder Anordnungen.
zu. 4:
Dieser Teil Ihres Antrags lässt den Schluss zu, dass an der Unabhängigkeit der vorgelegten Gutachten gezweifelt werden könnte.
In bestimmten, gesetzlich geregelten Fällen, können vom Antragssteller vorgelegte Gutachten auch als behördliche Gutachten gelten (vgl.§ 13 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV).
Dies gilt, wenn ein Gutachterauftrag nach Abstimmung mit der Behörde erteilt wird, oder die Gutachtenaufträge an einen nach § 29b Abs. 1 Satz 1 BImSchG bekanntgegebenen Sachverständigen erteilt werden.
So im gegenständlichen Verfahren; es wurden nur nach § 29b BImSchG bekannt gegebene Gutachter bzw. Messstellen vom Antragsteller beauftragt.
Entsprechend den Regelungen in § 29b des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) wird die Bekanntgabe nur dann erteilt, wenn derAntragsteller (hier ist der Sachverständige gemeint) über die erforderliche Fachkunde, Unabhängigkeit, Zuverlässigkeit, und gerätetechnische Ausstattung verfügt sowie die für die Aufgabenerfüllung erforderlichen organisatorischen Anforderungen erfüllt.
Es handelt sich um eine übliche, auch durch das Gesetz gedeckte Vorgehensweise. Im vorliegenden Fall sind sogar beide vom Gesetz genannten Möglichkeiten gegeben; der Untersuchungsrahmen wurde mit den Genehmigungsbehörden abgestimmt bzw. es wurden nur nach § 29b BImSchG bekannt gegebene Gutachter beauftragt.
Aufgrund der hier unter 4. klärenden Darstellung und den bereits unter 1. gemachten Ausführungen gibt es keine durchgreifenden und rechtlich vertretbaren Gründe weitere Gutachten in Auftrag zu geben.
Ausblick:
Die von Ihnen geforderte Transparenz des Verfahrens ist durch die – ohnehin gesetzlich vorgesehene – Beteiligung der Öffentlichkeit gewährleistet. Zudem wurden die Bezirksausschüsse im Umfeld der Teststrecke, BA 23 und BA 10, in zwei Sitzungen unterrichtet. Darüber hinaus fanden wiederholt Kontakte mit den Bürger*innen und mit der Bürgerinitiative „Schule statt Panzer“ statt.
Vorliegend handelt es sich um eine sog. gebundene Entscheidung, wonach der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf die Erteilung der Genehmigung hat, wenn und soweit die gesetzlich festgeschriebenen Voraussetzungen vorliegen. Der Schutz der Anwohner würde im Falle einer positiven Entscheidung über den Antrag im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten, z.B. über Auflagen, sichergestellt.
Eine endgültige Entscheidung über das Genehmigungsverfahren wurde bislang seitens des RKU noch nicht getroffen.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.