Panzerteststrecke Allach: Anwohner*innen besser vor Lärm schützen – Arbeitsplätze dennoch nicht gefährden
Antrag Stadtrats-Mitglieder Simone Burger, Anne Hübner und Christian Müller (SPD/Volt-Fraktion) vom 21.9.2020
Antwort Christine Kugler, Referentin für Klima- und Umweltschutz:
Mit Ihrem Schreiben vom 21.9.2020 stellen Sie folgende Anträge: „1. An der Panzerteststrecke Allach sollen Schallmessungen des LfU unter besonderer Berücksichtigung hör- und spürbarer (Pulsationen, Vibrationen) tieffrequenter Geräusche (ggf. zusätzlich Infraschall) in den benachbarten Wohngebieten und Wohninnenräumen während der Hauptbetriebszeiten, insbesondere auch auf dem Neubaugebiet Diamaltgelände, die fachlich vom RGU begleitet werden, durchgeführt werden. Es ist dabei sicherzustellen, dass sämtliche relevanten Lärmquellen auf dem Betriebsgelände des Panzerherstellers Krauss-Maffei-Wegmann (KMW) (Kumulationswirkung) dabei auch aktiv sind. Dies soll durch Befragung der Anwohner*innen während der Messungen zusätzlich abgesichert werden. 2. Die Betriebszeiten der Teststrecke werden auf Montag bis Freitag je 7 bis 17 Uhr und nicht mehr als 20 Samstage pro Jahr begrenzt. Der Betreiber wird angehalten ein Betriebskonzept vorzulegen, in dem die Testzyklen auf möglichst kurze Zeitabschnitte je Arbeitsschicht zusammengefasst werden sollen (siehe TA-Lärm 4.3). Zudem soll in Gespräch mit dem Betreiber erörtert werden, ob die Betriebszeiten perspektivisch auf das Zeitfenster 7 bis15 Uhr eingeschränkt werden können.“ Als Begründung führen Sie an:
„Die Panzerstrecke Allach von KMW wurde 1964 in Betrieb genommen – seither nahezu unverändert. Zu diesem Zeitpunkt gab es für Anlagen dieser Art noch nicht die Notwendigkeit einer gesonderten Genehmigungserfordernis. Da der Gesetzgeber erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht für Teststrecken begründete, bedurfte es für die Panzerteststrecke in Allach lediglich einer Anzeige beim RGU als zuständiger Unterer Immissionsschutzbehörde.
Bisher wurde eine Betriebszeit von 7 bis 17h angezeigt, eine Ausweitung jedoch bis 20h beantragt. Im Sinne des Lärm- und Gesundheitsschutzes für die betroffenen Anwohner*innen der angrenzenden bestehenden und neu im Entstehen befindlichen Wohngebiete ist es unabdingbar, eine Genehmigung der Panzerstrecke über den aktuellen Bestandsschutz hinaus von strengen Lärmschutzmaßnahmen abhängig zu machen. Deshalb sollen LfU und RGU über einen längeren Zeitraum die Lärmbelästigung zu unterschiedlichen Tageszeiten messen. Nach Vorliegen der Messergebnisse soll über notwendige Lärmschutzmaßnahmen abschließend entschieden werden.
Bei allen betriebseinschränkenden Maßnahmen ist in die Abwägung der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen, dass das Industriegebiet schon seit über 50 Jahren so genutzt wird und viele Arbeitsplätze in der Industrie in Gefahr geraten würden, wenn KMW oder andere Unternehmen wie beispielsweise Siemens Mobility den Standort Allach verlassen müssten.“
Zu Ihrem Antrag vom 21.9.2020 teilen wir Ihnen mit, dass Ihrem Anliegen bereits teilweise durch das freiwillige Entgegenkommen von KMW entsprochen wurde (siehe Teilpunkt 2). Dem Teilpunkt 1 konnte nach erfolgter Überprüfung nicht entsprochen werden.
Das Referat für Klima- und Umweltschutz ist als Kreisverwaltungsbehörde für den Vollzug des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) zuständig und in diesem Verfahren Genehmigungsbehörde im Sinne des § 10 Abs. 5 Satz 1 BImSchG.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag als Brief zu beantworten.
Zu Ihrem Antrag vom 21.9.2020 teile ich Ihnen aber gerne Folgendes mit:
zu 1. Schallmessungen:
Ihr Antrag lässt den Schluss zu, dass die zum aktuellen BImSchG-Antrag von KMW bereits durchgeführten Messungen, die ausführlich in einschlägigen Gutachten, die den Antragsunterlagen beigefügt waren, beschrieben wurden, weder für den hörbaren noch für den tieffrequenten Schall für hinreichend belastbar gehalten werden. Damit könnten besonders bzgl. des bewerteten tieffrequenten Schalls das Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen nicht hinreichend ausgeschlossen werden.
1.1. Zum Bereich „tieffrequente Geräuschimmissionen“ kann folgendes ausgeführt werden:
Da für diese Fragen die DIN 45680 „Messung und Bewertung tieffrequenter Geräuschimmissionen in der Nachbarschaft“ (Ausgabe März 1997) heranzuziehen ist, wäre ein Einwand nur dann gerechtfertigt, wenn die erfolgten gutachterlichen Bewertungen den Anforderungen dieser DIN nicht hinreichend genügten. Dafür gibt es aus Sicht des RKU als Genehmigungsbehörde jedoch keinerlei Hinweise.Die Bewertung gerade des tieffrequenten Schalls durch die Gutachter erfolgte hinsichtlich der Prognose-Methodik, wie auch bezüglich der gefundenen Ergebnisse in Abstimmung mit dem LfU sowie dem RKU. Das LfU hat ausdrücklich der hier gewählten Methodik zugestimmt und im Ergebnis bestätigt, dass bei einer sich nicht verschlechternden Nutzungsintensität auch hinsichtlich der Anhaltswerte-Überschreitungen keine Bedenken bestehen (vgl. Stellungnahme vom 22.7.20). Die vom Schallgutachter erstellte Prognose auf Basis der in verschiedenen Richtungen von der Panzerteststrecke erhobenen Messwerte für die Terz-Schalldruckpegel im tieffrequenten Frequenzbereich ist daher belastbar und fachlich nicht zu beanstanden.
Die entscheidenden Regelungen zu Schallimmissionen (einschließlich Infraschall) ergeben sich aus dem BImSchG in Verbindung mit den hierauf basierenden Verordnungen und Verwaltungsvorschriften, im vorliegenden Fall die TA-Lärm, die wiederum unter Nr. 7.3 und A.1.5 ergänzend auf die Regelungen der DIN 45680 verweist. Dabei ist keine separate Behandlung der Infraschallanteile des tieffrequenten Schalls vorgesehen. Das vorliegende Gutachten zu den tieffrequenten Schallimmissionen behandelt ausführlich die verschiedenen Frequenzanteile, inklusive Frequenzanalysen auch für den Bereich unterhalb von 20Hz.
Zwischenfazit:
Im Ergebnis erachtet das RKU aus fachlicher Sicht weitere, zusätzliche oder andersgeartete Messungen, Erhebungen oder Prognosen zur Bewertung der tieffrequenten Schallanteile weder für notwendig noch für rechtlich durchsetzbar.
1.2 Zum Bereich „hörbarer Schall“ kann folgendes ausgeführt werden:
Im Lärmgutachten, das den Antragsunterlagen beigelegen ist, wird die lärmtechnische Ermittlung und Bewertung der Panzerteststrecke mit allen Teilbereichen gemäß den Regelungen der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) durchgeführt.
Dazu wurden die Messungen zur Ermittlung der Lärmemissionen für den „hörbaren Schall“ von einer nach § 29b BImSchG bekannt gegebenen Messstelle, an drei Tagen – dem 8.2. 2017, am 16.2.2017 und dem 3.3 2017 – durchgeführt. Die Lärmemissionen der verschiedenen Fahrzeuge wurden bei unterschiedlichen Betriebsbedingungen (Volllast, Einbremsen und APG-Bahn ) sowie Geschwindigkeiten zwischen 30 und 70km/h gemessen.
Für die Untersuchung der Schallreflexionen an der östlichen Riegelbebauung des Diamalt – Geländes wurde der für die Anwohnenden lärmmäßigungünstigste Fall nach Fertigstellung aller Gebäude auf der Ostseite in den Berechnungen angesetzt und von stark reflektierenden „glatten Hausfassaden“ ausgegangen.
Dabei wurden die Emissionen/Immissionen in Bezug auf den im Genehmigungsverfahren beantragten Betriebszustand gemessen bzw. berechnet.
Wegen der in den Gutachten festgestellten Überschreitung des IRW pausch um 3 bzw. 1 dB(A) an den Immissionsorten IO 1 bzw. IO 1a, wurde entsprechend den Anforderungen unter Ziffer 3.2.1 Abs. 3 der TA Lärm, unter Berücksichtigung der Geräusch-Vorbelastung auch die Gesamtbelastung überprüft.
Für die Vorbelastung wurden neben den Emissionen der Bestandsanlagen der KMW, auch jene relevanten benachbarten Firmen und Industriegebiete sowie die Betriebsanlagen des Rangierbahnhof München Nord berücksichtigt.
Ebenso wurde als planerische Vorbelastung der in Aufstellung befindliche Bebauungsplan Nr. 1713a hinzugezogen.
Gemäß Ziffer 3.2.1 Abs. 3 der TA Lärm soll die Genehmigung trotz Überschreitung der IRW durch die Gesamtbelastung nicht versagt werden, wenn dauerhaft sichergestellt ist, dass diese Überschreitung nicht mehr als 1 dB(A) beträgt.
Dieser Ansatz zur Bestimmung der Vorbelastung diente bereits im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens 2013 „Diamalt – Gelände“ als Grundlage zur Ermittlung der Lärmbelastung und war so auch für das laufende Genehmigungsverfahren zu übernehmen.
Bei der Ermittlung und Bewertung der Lärmsituation wurde sowohl die Zusatz- als auch die Vorbelastung bzw. die Gesamtbelastung berücksichtigt.
Um die Einhaltung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm zu gewährleisten, würden in einem Genehmigungsbescheid für den Betrieb der Panzerteststrecke künftig dazu bestimmte Rahmenbedingungen verbindlich festgelegt werden.
Zwischenfazit:
Die umfangreichen Gutachten zum Thema „Lärmemissionen“, die auch den Einfluss neuer Bauvorhaben auf die Gesamtsituation einbeziehen (hier insbesondere das von Ihnen erwähnte Diamalt-Gelände), sind aus der Sicht des Referates für Klima- und Umweltschutz plausibel und fachlich nachvollziehbar.Somit erachtet das RKU auch insoweit weitere, zusätzliche oder andersgeartete Messungen, Erhebungen oder Prognosen zur Bewertung des hörbaren Schalls weder für notwendig noch für rechtlich durchsetzbar.
Gesamtfazit zu 1:
Alle Gutachten wurden von nach § 29b BImSchG bekannt gegebene Gutachter bzw. Messstellen erstellt. Dies bedeutet, dass die Sachverständigen über die erforderliche Fachkunde, Unabhängigkeit, Zuverlässigkeit und gerätetechnische Ausstattung verfügen sowie die für die Aufgabenerfüllung erforderlichen organisatorischen Anforderungen erfüllen. Die Gutachten gelten daher als Sachverständigengutachten der Genehmigungsbehörde (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV).
Wie dargestellt, gibt es weder aus fachtechnischer noch aus rechtlicher Sicht Bedenken oder Anhaltspunkte, die gegen die Belastbarkeit der vorgelegten Gutachten sprechen. Alle fachlich relevanten Parameter wurden berücksichtigt. Die Durchführung weiterer Schallmessungen erscheint daher aus Sicht des RKU deshalb vor einer Entscheidung über den Antrag als nicht vertretbar.
Die Prüfung des Antrags ist aber nach wie vor noch nicht abgeschlossen. Im Genehmigungsverfahren können daher die rechtlichen Möglichkeiten für die Auferlegung künftiger, nach der Entscheidung durchzuführender Messungen im laufenden Betrieb der Teststrecke überprüft werden.
Zu 2. Betriebszeiten:
Ihrem Antrag auf Verringerung der Betriebszeiten wurde bereits durch das freiwillige Entgegenkommen der Fa. Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG entsprochen. Zusätzlich hat sich die Fa. Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG zu verkürzten Betriebszeiten am Samstag bereiterklärt. (vgl. bereits Rathaus-Umschau Nr. 191/2020 vom 6.10.2020).
Die Verkürzung der Betriebszeiten der Teststrecke stellt sich wie folgt dar:
bisher: werktags 7 bis 20 Uhr
reduziert: Montag bis Freitag 7 bis 17 Uhr
Samstag 8 bis 14 Uhr, an max. 20 Samstagen/Jahr
Nachts und während der Ruhezeiten findet ohnehin kein Testbetrieb statt und ist auch nicht beantragt.
Darüber hinausgehende Gespräche mit der Fa. Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG vor einer Genehmigungserteilung zu ggf. weiteren freiwilligen, weil nicht antragsgemäßen, Beschränkungen beim Betriebsumfang dürften aus Sicht des RKU derzeit nicht erfolgversprechend sein.
Die in Ihrem Antrag zitierte Nr. 4.3 der TA Lärm gilt nur für immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungspflichtige Anlagen und findet daher im konkreten Fall keine Anwendung.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.