Die Vollversammlung des Stadtrats hat heute über den städtischen Haushalt 2022 sowie über das aktuelle Mehrjahresinvestitionsprogramm 2021-2025 beraten. Die Haushaltsrede von Oberbürgermeister Dieter Reiter hat folgenden Wortlaut:
„Die Verabschiedung des Haushaltes ist ja traditionell die politische Generaldebatte über die Regierungspolitik – wir haben uns daher entschlossen, diese Aussprache trotz der Coronasituation durchzuführen. Ich werde mich allerdings im Hinblick auf die Rahmenbedingungen kurz fassen.
Ich prognostiziere aber jetzt schon, dass dabei die Rollen wie in vielen vorangegangenen Jahren klar verteilt sein werden. Ohne Ihnen als Zuhörer*innen die Spannung rauben zu wollen, sage ich voraus, dass wir als Regierungsfraktionen betonen werden, dass wir gut durch die Haushaltskrise gekommen sind. Insbesondere natürlich deshalb, weil sie nicht wie prognostiziert eingetroffen ist, die Finanzkrise meine ich. Oder besser gesagt, weil sie nicht im Münchner Stadthaushalt angekommen ist. Wir werden darlegen, dass wir aktuell im Haushalt die richtigen politischen Schwerpunkte gesetzt haben, aber auch letztes Jahr den Mut bewiesen haben, Kürzungen und Einsparungen vorzunehmen, obwohl diese zum Teil durchaus schmerzhaft waren. Und ich mich ganz offen freue, dass wir einige dieser schmerzhaften Kürzungen – insbesondere im Personalbereich – wieder zurücknehmen können.
Und wir werden auch dafür stehen, für die notwendigen wichtigen Zukunftsinvestitionen Kredite aufzunehmen – weil sich unsere Stadt ohne Investitionen nicht weiterentwickeln kann und weil wir eine Verkehrswende, den Kampf gegen den Klimawandel oder die Wärmewende nicht ohne große Investitionen werden bewältigen können.
Und die Oppositionsparteien hier im Rat werden sagen, dass die Schwerpunkte falsch gesetzt, Investitionen nicht im richtigen Bereich, zu viel oder zu wenig investiert wird, zu viel oder zu wenig gespart wird – und überhaupt der Haushalt aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt wird. Das ist so und das ist ja nicht nur im Münchner Stadtrat so. Wenn man sich vor Augen führt, welchen argumentativen Rückwärtssalto manche Bundespolitiker gerade in den letzten Monaten vollführt haben, weil sie aus der Rolle der Opposition jetzt in der Regierung sind – und umgekehrt natürlich – muss einen das nicht verwundern.
Wie man von Herrn Lindner lernen kann, ist die Beurteilung des Sachverhaltes „Nutzung von bereits genehmigten Krediten als Geldvorrat für Energie und Klimafonds“ entscheidend von der eigenen Rolle abhängig. Noch im Oktober bezeichnete er solches Vorgehen im ZDF als „nicht seriös“. Ak- tuell begründet er dies als notwendig und verkündet es als haushaltsrechtlich absolut unbedenklich. Naja – der Blickwinkel auf Sachverhalte ändert sich eben, je nachdem, wo man selbst gerade steht…
Meine Damen und Herren, dass wir heute über einen erfreulich positiven Haushaltsbeschluss diskutieren können, hätten wir uns noch vor einem guten halben Jahr kaum vorstellen können. Und ich kann nur sagen: Ich bin sehr froh, dass dies so ist!
Und dafür werden wir – jedenfalls als SPD – natürlich zuvorderst den vielen Unternehmen, die sich überraschend gut in der Coronakrise behauptet haben, danken. Dafür, dass sie auch in der Coronakrise aktiver Teil des stabilen Wirtschaftssystems München waren und sind und uns als Stadt auch durch ihre Steuerzahlungen in die Lage versetzen, weiterhin wichtige Investitionen anzustoßen. Und unsere vitalen Systeme der Daseinsvorsorge weiterhin auskömmlich zu finanzieren.
Und als SPD werden wir natürlich auch ganz besonders unserem jetzigen Bundeskanzler und damaligen Finanzminister danken – für die Durchsetzung der Finanzhilfen, die sowohl der Wirtschaft als auch uns als Kommune entscheidend geholfen haben. Natürlich gilt der Dank letztlich dann immer auch dem Deutschen Bundestag, der die Hilfen mehrheitlich beschlossen hat und noch beschließt.
Und ich will auch dem Freistaat Bayern Danke sagen für die Übernahme wesentlicher Teile der Kosten unseres Einsatzes gegen die Corona-Pandemie.
All diese Faktoren haben dazu geführt, dass wir nun nicht wie im Vorjahr Mitte des Jahres prognostiziert ein Minus von 626 Millionen Euro im Haushalt sehen, sondern dieser heute wohl jedenfalls mit einem dreistelligen Millionensaldo auf der Positivseite beschlossen werden kann.
München ist (wirtschaftlich) bislang also sehr gut durch die Krise gekommen. Allerdings hat es einzelne Branchen der Münchner Wirtschaft wie die Kultur, die Gastronomie oder den Tourismus natürlich besonders stark getroffen. Hier kann ich nur dafür plädieren, dass Unterstützungsmaßnahmen (z.B. Kurzarbeitergeld, Neustart Kultur oder Überbrückungshilfe III) für die besonders betroffenen Bereiche fortgesetzt werden. Wir wollen in unserer Stadt sowohl die kulturelle Vielfalt als auch die Vielfalt im Bereich der Gastronomie erhalten.
Wenn man sich den Haushaltsentwurf anschaut, erkennt man, dass wir uns ein ambitioniertes Programm für die nächsten Jahre zur Investition in die Zukunft vorgenommen haben. Insgesamt liegt die Summe der Investitionstätigkeit mit 1,83 Milliarden für 2022 auf einem Rekordniveau. Um nur ein paar Themen kurz anzusprechen (genauer macht das nachher wie immer der Kämmerer):
Alleine 1,1 Milliarden der Investitionen tätigen wir im Bausektor, davon entfallen fast 700 Millionen Euro für Baumaßnahmen im Bereich des Referats für Bildung und Sport, also für Schulen und Kitas. Zu nennen ist hier beispielsweise der Ausbau des Bildungscampus in Riem. Wir erneuern und bauen im Rahmen des Schulbauprogramms Grundschulen, Mittelschulen und Gymnasien, so zum Beispiel die Grundschule am Strehleranger. Wir investieren weiter in bezahlbare Wohnungen und unsere Wohnungsbaugesellschaften und werden auch hierfür pro Jahr zusätzlich bis zu 100 Millionen Euro aufwenden.
Der ÖPNV wird in den nächsten Jahren massiv ausgebaut (insgesamt ist für den Planungszeitraum des MIP fast 1 Milliarde für den ÖPNV vorgesehen). Allein in diesem Jahr investieren wir beispielsweise in den Ausbau der U5 von Laim nach Pasing und in den Neubaubeginn mehrerer Trambahnstrecken.
Und nicht zuletzt geben wir jedes Jahr zusätzlich 100 Millionen Euro für den Klimaschutz aus, um unser selbstgestecktes Ziel der Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen. In 2022 belaufen sich die Investitionen in diesem Bereich auf ca. 170 Millionen Euro.
Wir werden hierfür Kredite benötigen – deshalb planen wir mit einer Netto-Neuverschuldung von 1.100 Millionen Euro. Wir werden die geplanten Investitionen nicht ohne eine massive Verschuldung stemmen können. Deshalb will ich hier auch deutlich in Richtung des Freistaates und des Bundes sagen, dass man die Kommunen in den so wichtigen Feldern Bildung, Wohnen, Klima und Verkehrswende nicht allein lassen darf. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Erhöhung der Regionalisierungsmittel ist hier ein erster, guter Anfang, allerdings reicht sie bei weitem nicht aus. Ich werde deshalb auch weiterhin in Berlin dafür werben, dass die Anliegen der Kommunen auf Bundesebene beachtet werden.
Ein Anliegen war mir daneben selbst noch ganz wichtig, insbesondere nach einem längeren Gespräch mit den Personalrätinnen und -räten. Es waren auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die uns durch ihr tolles Engagement und ihren unermüdlichen Einsatz so gut durch die Pandemie gebracht haben. Die Konsolidierungsmaßnahmen haben auch sie getroffen und es zeigte sich im zweiten Jahr der Pandemie, dass es einige Bereiche gibt, die durch fehlende Stellennachbesetzungen – und die Abgabe von Personal zur Pandemiebekämpfung – ihre tägliche Arbeit nicht oder nur noch schwer leisten können. Deshalb habe ich mich persönlich dafür eingesetzt, dass wir die deutlich verbesserte Einnahmesituation auch dazu nutzen, um eine Entlastung der Beschäftigten der LHM zu erreichen. Wo dies dringend erforderlich ist, werden Stellen nachbesetzt werden können. Dies kommt auch den Bürgerinnen und Bürgern zugute, insbesondere dort, wo bürgernahe Dienste wieder über eine ausreichende Per- sonalabdeckung verfügen. Ich bin unserer Rathauskoalition dankbar, dass sie meinen Vorschlag unterstützt hat und wir nun durch Rücknahme der weiteren Einsparungsmaßnahmen beim Personal für 2022 und weiteren 20 Millionen insgesamt 55 Millionen Euro dafür bereitstellen können. Die letzten beiden Jahre haben viele Planungen durcheinandergewirbelt, feststehende Grundsätze erschüttert, unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben sicherlich auch belastet. Und gerade verlangt uns die Omikron-Welle eine weitere, ich hoffe sehr, letzte Anstrengung im Kontext der Pandemiebekämpfung ab. Wir haben aber – nicht nur mit Blick auf den Haushalt – auch gesehen: München hält zsamm! Gemeinsam – Bürgerschaft, Stadtrat, Wirtschaft und Verwaltung – kommt München gut durch und aus dieser Krise heraus. Daher gilt zum Schluss Ihnen allen – hier und draußen – mein tiefer und aufrichtiger Dank. Mein Dank an den Stadtrat und die Verwaltung für die Zusammenarbeit zum Wohle Münchens. Speziell bedanke ich mich bei allen Referaten und Kolleginnen und Kollegen, die von der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden zusätzlichen (Arbeits-)Belastung betroffen waren, bei allen Peiman-Kräften und allen diejenigen, die im Gesundheitswesen tätig sind und tagtäglich ihr Bestes geben, damit wir so gut wie möglich durch diese Pandemie kommen. Bleiben Sie gesund!
Achtung Redaktionen: Weitere Informationen zum Haushalt 2022 mit der Rede des Stadtkämmeres Christoph Frey sowie der Rede des Personal- und Organisationsreferenten Dr. Alexander Dietrich sind abrufbar unter https://stadt.muenchen.de/infos/hh2022reden.html.