Änderung der Geschäftsordnung des Stadtrates der LHM – Entscheidung auch über Nichterwerb von Grundstücken
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 22.2.2022
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrags betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, die für die Stadt München keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine erhebliche Verpflichtung erwarten lässt. Daher obliegt deren Besorgung nach Art. 37 Abs.1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister, weshalb eine Beantwortung auf diesem Weg erfolgt.
In Ihrem Antrag baten Sie um Folgendes:
„Die Geschäftsordnung des Münchner Stadtrates soll dahingehend geändert werden, dass die Vollversammlung bei einem Geschäftswert von mehr als einer Million Euro auch über den Nichterwerb von Grundstücken entscheidet.“
In Ihrer Begründung führen Sie aus, dass der Stadtrat über mögliche Grundstückskaufgelegenheiten, beispielsweise im Eggarten oder am Truderinger Acker nicht unterrichtet worden sei. Dadurch sei der Landeshauptstadt München jeweils ein großes Potential zur Stadtentwicklung bzw. zur Sicherung von Grünflächen auf eigenen Grundstücken entgangen.
Hierzu kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Nach der Geschäftsordnung des Münchner Stadtrates entscheidet die Vollversammlung ausschließlich über Erwerb, Veräußerung, Tausch und dingliche Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten mit einem Geschäftswert von mehr als einer Million Euro.
Da eine positive Entscheidung (hier: Abschluss eines Vertrages) insbesondere mit finanziellen Auswirkungen verbunden ist, was bei einer negativen Entscheidung (hier: Nichtabschluss des Vertrages) nicht der Fall ist, ist eine in der Geschäftsordnung geregelte Zuständigkeit des Gemeinderats (z.B. für den Abschluss eines Vertrages) nicht automatisch auch für den actus contrarius (Nichtabschluss des Vertrages) gegeben (vgl. Widtmann/Grasser/Glaser, 31. EL März 2021, BayGO Art. 37 Rn. 6).
Bestimmt deshalb die Geschäftsordnung, dass der Gemeinderat für den Abschluss von Verträgen ab einer bestimmten Wertgrenze zuständig seinsoll, so ist diese Geschäftsordnungsbestimmung dahingehend auszulegen, dass nicht nur unterhalb dieser Wertgrenze die erste Bürgermeisterin/ der erste Bürgermeister zuständig ist, sondern auch, dass nur die positive Beschlussfassung oberhalb dieser Wertgrenze (d.h. der Abschluss des Vertrages) dem Gemeinderat obliegt, dass aber die ablehnende Entscheidung (d.h. der Nichtabschluss des Vertrages oberhalb der Wertgrenze) durch den ersten Bürgermeister erfolgt, da es sich bei dieser Entscheidung nicht um eine handelt, die „erhebliche Verpflichtungen erwarten“ lässt. (vgl. Widtmann/Grasser/Glaser, 31. EL März 2021, BayGO Art. 37 Rn. 6). Eine Zuständigkeit der ersten Bürgermeisterin/des ersten Bürgermeisters scheidet nur dann aus, wenn aus anderen Gründen als der finanziellen Bedeutung der Entscheidung der Gemeinderat zuständig sein sollte, z.B. wenn es sich um eine ungewöhnliche, d.h. nicht regelmäßig wiederkehrende Entscheidung handelt (z.B. besonders attraktive Vertragsbedingungen bzw. besonderes Interesse der Gemeinde an dem Vertragsgegen-
stand). Für diese Fälle ergibt sich sowohl aus der Gemeindeordnung als auch aus § 22 Abs. 1 GeschO, dass der Stadtrat zuständig ist, sodass kein weitergehender Regelungsbedarf besteht.
Eine weitere Ausnahme besteht dann, wenn ein Antrag eines ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieds auf Abschluss eines in die Zuständigkeit des Gemeinderats fallenden Vertrages vorliegt. In diesem Fall kann die erste Bürgermeisterin/der erste Bürgermeister wegen des dem ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglied zustehenden Antragsrecht den Antrag nicht selbst ablehnen, sondern muss ihn dem Gemeinderat (oder einem beschließenden Ausschuss) zur Entscheidung vorlegen (vgl. Widtmann/Grasser/Glaser, 31. EL März 2021, BayGO Art. 37 Rn. 6).
Aufgrund des Vorrangs des Gesetzes bei belastenden Eingriffen eines Hoheitsträgers darf und kann die Geschäftsordnung keine über die Regelungen in der Gemeindeordnung hinausgehenden Verhaltenspflichten und Sanktionen festlegen.
Ebenso ist es unzulässig, dass eine Geschäftsordnung die in Art. 37 GO festgelegten gesetzlichen Befugnisse der ersten Bürgermeisterin/des ersten Bürgermeisters einschränkt oder aufhebt, soweit sie/er nicht ausdrücklich dieser Regelung bei Abstimmung über die Geschäftsordnung zugestimmt hat (vgl. Widtmann/Grasser/Glaser, 31. EL März 2021, BayGO Art. 45 Rn. 10):
Ich teile voll und ganz Ihre Auffassung, dass die Landeshauptstadt München alles Erforderliche tun muss, um geeignete Grundstücke für die Landeshauptstadt München zu erwerben.Und ich darf Ihnen versichern, dass das Kommunalreferat es als eine äu-ßerst wichtige Aufgabe ansieht, Grundstücke für die Landeshauptstadt München zu erwerben, um langfristig deren Handlungsmöglichkeiten sicherzustellen. Dies gilt vor allem für Flächen, die Entwicklungspotential haben oder für die es bereits konkrete Nutzungsvorstellungen oder Bedarfsanmeldungen gibt.
Aus diesem Grund hat das Kommunalreferat dem Stadtrat vorgeschlagen, gemeinsam mit dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung insbesondere für bebaute Grundstücke eine klare grundstückspolitische Schwerpunktsetzung mit entsprechenden Positivkriterien für den freihändigen Erwerb zu erarbeiten und einen Grundsatzbeschluss vorzubereiten, der die Handlungsfelder der Akquise und der städt. Wohnungsbaugesellschaften aufzeigt und Ankaufskriterien präzisiert, ggf. personelle Kapazitäten aufstockt und Prioritäten im Sinne des Stadtrats festlegt. Der Stadtrat hat dieser Vorgehensweise zugestimmt.
Ich halte die vom Kommunalreferat vorgeschlagene Vorgehensweise, der Verwaltung Handlungsspielräume zu ermöglichen und diese anhand von Kriterien mit dem Stadtrat abzustimmen für zielführend, um möglichst viele geeignete Grundstücke für die Landeshauptstadt München zu erwerben.
Von den vorstehenden Ausführungen bitte ich Kenntnis zu nehmen und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.