Corona Kontaktnachverfolgung – Personal zügig qualifiziert oder noch qualifizierbar?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Alexandra Gaßmann und Professor Dr. Hans Theiss (CSU-Fraktion) vom 24.11.2021
Antwort Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Seit Tagen zeigen die Inzidenzzahlen in München nach oben und wie aus den Medien bekannt wurde, ist die Nachmeldung der realen Zahlen auf die große Belastung und die viel zu geringe Zahl der Beschäftigten in der Kontaktnachverfolgung zurückzuführen. Zusätzliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind von Seiten des Freistaates angeboten worden und wurden dann zunächst in Schulungen des Gesundheitsreferates verwiesen. Dies wirft angesichts des dringenden Personalbedarfs Fragen auf, wie die Beschäftigten unverzüglich qualifiziert werden können.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die darin aufgeworfenen Fragen beantworte ich wie folgt:
Frage 1:
Wie schult das Gesundheitsreferat derzeit externe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Schulungen (Häufigkeit, Dauer und Frequenz)?
Antwort:
Das Gesundheitsreferat schult teilweise mehrfach wöchentlich neues Personal für das CTT (Contact Tracing Team). Dabei handelt es sich um eine allgemeine Überblicksschulung über die Aufgaben des CTT und die Grundlagenschulung für die Fachsoftware Octoware sowie zum Datenschutz. Die Schulung erfolgt online per Webex, aber in Präsenz in einzelnen Arbeitsstationen in der Messe. Ab dem nächsten Tag folgt dann das „Training on the job“ in den jeweiligen Teams. Die teamspezifischen Aufgaben bedürfen einer umfangreichen fachlichen Einführung vor Ort.
Eine reine Schulung via Webex erhalten dagegen die städtischen Mitarbeiter*innen, die das CTT im Rahmen des PEIMAN-Adhoc-Einsatzes für wenige Wochen aus dem Homeoffice oder von ihrer Stammdienststelle aus unterstützen. Für diesen Zweck wurden (Teil-) Arbeitsprozesse ausgewählt, die für eine schnelle Einarbeitung und Erledigung ohne direkte Anbindung an die Messe geeignet sind.
Frage 2:
Ist es möglich diese Schulungen, wie bereits in der Vergangenheit, wieder online anzubieten? Antwort:
Eine vollständig kontaktlose Schulung ohne Präsenz im CTT ist für die fachlich nicht vorausgebildeten Unterstützungskräfte aufgrund der Aufgabenfülle und der Komplexität der fachlichen Prozesse und der sich stets ändernden Rahmenbedingungen nicht möglich. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass die in Einsatz gebrachten PEIMAN-Kräfte von LHM und Freistaat zu Beginn ihres Einsatzes meist gar nicht in der Lage sind, vollumfänglich einer Schulung per Webex zu folgen, da kein Account angelegt ist oder die Voraussetzungen an den Stammdienststellen nicht gegeben sind. Die Personen müssen vor Schulungsbeginn zunächst zudem durch intensive persönliche Betreuung in die Lage versetzt werden, dass an einer digitalen Schulung teilgenommen werden kann und dann zumindest die Voraussetzungen gegeben sind, dass Schulungsformate in digitalem Format durchgeführt werden können. Die EDV-Kenntnisse sind z.T. rudimentär. Der Umgang mit der IT-Ausstattung, die anders als am Arbeitsplatz ist, gestaltet sich nicht selten sehr schwierig. Der Betreuungsaufwand am Schulungstag ist sehr personalintensiv.
Dies gilt auch für die 440 extern eingestellten Dienstkräfte des CTT, dies entspricht rund 322 VZÄ (Stand: 17.1.2022), von denen 358 Personen bis 31.1.2022 beginnen, weitere 82 Personen starten ab 1.2.2022. Die extern eingestellten Dienstkräfte des CTT sind zwar ggf. sehr EDV-affin und im Einzelfall auch medizinisch vorgebildet, aber mit den Abläufen und der IT der Landeshauptstadt München nicht vertraut. Auch im Falle des vollständig digital gesteuerten PEIMAN-Adhoc-Einsatzes ist der technische Betreuungsaufwand hoch.
Frage 3:
Welche Maßnahmen müssten hierzu ergriffen werden?
Antwort:
Die strukturellen Voraussetzungen hierfür liegen seitens der Landeshauptstadt und des GSR grundsätzlich vor.
Bei einer Schulung im erforderlichen Umfang im Homeoffice oder am eigentlichen Arbeitsplatz ist jedoch nicht ausreichend sichergestellt, dass der Schulung inhaltlich und technisch gefolgt werden kann. Zudem ist technischer Support per Fernwartung nicht möglich. Die Erfahrungen von 1,5 Jahren lassen von einem anderen Verfahren Abstand nehmen.
Auch bei Dienstkräften im PEIMAN-Adhoc-Einsatz ist trotz vereinfachter Prozesse der fachliche Begleitaufwand nach erfolgter Schulung immens.
Frage 4:
In wie weit kann auf bereits geschulte Beschäftigte zurückgegriffen werden, um die Bugwelle unverzüglich abzuarbeiten?
Antwort:
Die personalrechtlichen Voraussetzungen für einen PEIMAN Einsatz werden vom Personal- und Organisationsreferat der Landeshauptstadt München unter Berücksichtigung geltender arbeitsrechtlicher und tarifvertraglicher Bestimmungen festgelegt. Der Einsatz über PEIMAN ist hiernach längstens für sechs Monate möglich. Eine Verlängerung des Einsatzes ist nur bei Freiwilligkeit der Dienstkraft möglich. Zudem darf das Stammreferat ein Veto zur Verlängerung einlegen.
Frage 5:
Kann der Rückstand gerade hinsichtlich der pandemischzeitlichen Perspektive überhaupt noch zielführend abgearbeitet werden oder fallen Kontaktpersonen durch das Raster?
Antwort:
Der Rückstand bei Quarantäneanordungen für infizierte Personen ist seit einiger Zeit aufgearbeitet. Die infizierten Personen melden anhand der Kontaktpersonenlisten, die ihrer Quarantäneanordnung beiliegt, bzw. über ein Onlineformular ihre engen Kontaktpersonen. Durch die Anpassung des Kontaktpersonenmanagements seitens des Robert Koch Institutes (RKI) und des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege Mitte September sind Haushaltsangehörige und die Kontaktpersonen aus besonders vulnerablen Personengruppen wie z.B. in Kliniken, Pflegeeinrichtungen, Gemeinschaftseinrichtungen sowie Schulen und Kindertageseinrichtungen zu priorisieren. Weitere Kontaktpersonen werden über die infizierte Person informiert und können sich dann selber im Gesundheitsreferat/CTT melden für weitere Informationen. Dort können sie auch, wenn notwendig, die entsprechende Quarantäneanordnung erhalten.
Frage 6:
Wie viele mögliche Kontaktpersonen sind durch das Raster gefallen?
Antwort:
Wie aus obigen Ausführungen ersichtlich, entspricht eine vollumfängliche Kontaktpersonenermittlung bereits seit längerem nicht mehr den Rahmenvorgaben. Zudem gab es bis zum Auftreten der Omikron Variante für Geimpfte und Genesene keine weitergehenden Quarantäne- oder Testverpflichtungen.Wenn sich Personen im CTT melden, die sich selbst als enge Kontaktpersonen einschätzen, wird, wenn die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, Quarantäne angeordnet. Diese wird nach entsprechender Prüfung auch rückwirkend bestätigt, wenn sie beispielsweise zur Vorlage bei der/dem Arbeitgeber*in benötigt wird.
Frage 7:
Kann das Gesundheitsreferat sicherstellen, dass hier kein Kontrollverlust stattfindet?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 8.
Frage 8:
Kann ein erneuter Rückstand vermieden werden?
Antwort:
Durch das Zuschalten von Kräften der Bundeswehr und dem referats-übergreifenden PEIMAN-Adhoc-Einsatz kann je nach Bedarf der Personaleinsatz gesteuert und umgesteuert werden. Bei einem exponentiellen Anstieg der Fallzahlen innerhalb von wenigen Tagen ist die jeweils notwendige Schulung und Einarbeitung zahlreicher neuer Kräfte, seien sie aus der Taskforce, der Bundeswehr oder auch PEIMAN-Kräfte, dennoch eine herausfordernde Aufgabe. Durch einen extrem hohen Einsatz der jeweiligen Mitarbeiter*innen gelingt es aber, die Fallerfassung zeitnah zu ermöglichen und so die Infektionsketten zu unterbrechen. Da die exponentielle Steigerung der Fallzahlen, teils etwas zeitverzögert, mit zudem häufig wechselnden rechtlichen Rahmenvorgaben, auch in der Kontaktpersonennachverfolgung, in der notwendigen weiteren Datenerhebung und in der Quarantäneentlassung ankommt, ist ein ständiges Schulen und Umschulen neuer oder bestehender Kräfte notwendig. Darüber hinaus wird neues befristet eingestelltes Personal das Gesundheitsreferat beim CTT unterstützen (vgl. Beschluss der Vollversammlung vom 25.11.2021, Sitzungsvorlage 20-26/V 05079 Coronabedingte Mehraufwendungen im Gesundheitsreferat; Zusätzliche Stellen im Contact-Tracing-Team, Beauftragung einer Zeitarbeitsfirma bzw. eines Callcenters), auch die bereits in 2020 befristet eingerichteten Stellen zur Unterstützung des CTT wurden verlängert (vgl. Beschluss der Vollversammlung vom 25.11.2021, Sitzungsvorlage 20-26/V 04814 Coronabedingte Mehraufwendungen im Gesundheitsreferat; Verlängerung der CTT-Stellen).