Keine weiteren Allgemeinverfügungen zu Protesten gegen Corona- Maßnahmen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Daniel Stanke, Markus Walbrunn und Iris Wassill (AfD) vom 17.1.2022
Antwort Kreisverwaltungsreferentin Dr. Hanna Sammüller-Gradl:
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihren Antrag vom 17.1.2022 zur Beantwortung überlassen.
Sie beantragen Folgendes:
„Der Stadtrat möge beschließen:
Oberbürgermeister und Kreisverwaltungsreferat werden aufgefordert, keine weiteren Allgemeinverfügungen gegen Versammlungen ‚im Zusammenhang mit Protesten gegen Corona-Maßnahmen‘ o.ä. zu erlassen. Begründung:
Seit Ende letzten Jahres verbietet die Stadt München im Wochentakt ‚alle stationären oder sich fortbewegenden Versammlungen im Zusammenhang mit Protesten gegen Corona-Maßnahmen, wie beispielsweise sog. ‚Corona‘-, ‚Montags‘- oder ‚Abschluss‘-‚Spaziergänge‘ bzw. Kerzendemos‘ mit- tels Allgemeinverfügungen.1 Bislang betraf dies den 29. und 30. Dezember 2021 sowie den 1., 3., 5., 10., 12., 15., 17. und 19. Januar 2022. Immer mehr Menschen fragen sich zu Recht, ob dieses Vorgehen noch mit dem Grundgesetz und einer offenen und demokratischen Gesellschaft ver- einbar ist. Dementsprechend beschloss das Verwaltungsgericht Stuttgart am 12.1.2022 in einem ähnlichen Fall, dass ‚das präventive Versammlungs- verbot nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben der Versammlungsfreiheit genüge‘. Und weiter: ‚Ein präventives Verbot sämtlicher unangemeldeter Versammlungen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen wäre deshalb nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands zulässig‘.2 Zu geradezu grotesken Szenen kam es beispielsweise an den Mittwochen 5. und 12.1., als in der Münchner Innenstadt mit einer massiven Polizeipräsenz aufgewartet wurde. Sämtliche Passanten, Einkaufsbummler und Spaziergänger vor Ort wurden von Einsatzkräften in voller Ausrüstung und Montur mit kritischen Blicken und Lautsprecherdurchsagen traktiert. Wer auch nur kurz stehen blieb um sich in kleinen Gruppen zu unterhalten, ris- kierte, unverzüglich Opfer polizeilicher Maßnahmen zu werden. Zeitweise kesselte die Polizei willkürlich Personen in einzelnen Bereichen der Fuß- gängerzone ein. Harmlose, friedliche Menschen wurden über eine Stunde festgehalten, unter ihnen auch unbeteiligte Einkäufer und Touristen. Zudem ist es unverständlich, dass zeitgleich Demonstrationen, die gegen die vorab genannten Versammlungen bzw. Spaziergänge gerichtet sind, regelmäßig erlaubt werden. Diese werden dann sogar noch offen von im Stadtrat vertretenen Parteien bzw. einzelnen Stadträten beworben.3 Welches Bild gedenkt die Stadtspitze hiermit nach außen zu tragen? Was ist aus der ‚Weltstadt mit Herz‘ geworden? Wo ist die Bürgernähe geblie- ben, die man immer wieder hervorhebt? Wie passt das alles mit der eigenen ‚demokratischen Gesinnung‘ zusammen, welche Oberbürgermeister und einzelne Stadträte in eigenen Aussagen immer wieder für sich in Anspruch nehmen?
Anspruch und Wirklichkeit stehen hier in einem eklatanten Missverhältnis. Laufend werden friedliche Demonstranten und ‚Spaziergänger‘ pauschal vorverurteilt, in ein negatives Licht gerückt, als ‚nicht friedliche Fackelzüge‘ gebrandmarkt, und mit den ‚bekannten‘ Beschreibungen versehen, wie es bei Andersdenkenden mittlerweile schon fast üblich ist. Dies ist bereits seit Beginn der Legislaturperiode im Mai 2020 der Fall. Stattdessen wäre es höchste Zeit, in einen offenen Dialog mit der eigenen Stadtbevölkerung zu treten.“
1 https://stadt.muenchen.de/infos/amtsblatt.html
2 https://verwaltungsgericht-stuttgart.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Presse/Eilantrag+gegen+Verbot+von+Corona-_Spaziergaengen_+in+Bad+Mergentheim+erfolgreich/?LISTPAGE=5597587
3 https://www.mucbook.de/muenchen-solidarisch-heute-am-odeonsplatz-maske-auf-und-mehrheit-zeigen-demo-querdenken-impfgegner-corona/
Das Kreisverwaltungsreferat ist für die Anordnung von Beschränkungen oder Verboten für Versammlungen nach dem Bayerischen Versammlungsgesetz zuständig. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft damit eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO der Landeshauptstadt München dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung dieser Angelegenheit im Stadtrat ist nicht vorgesehen.
Zu Ihrem Antrag vom 17.1.2022 teile ich Ihnen Folgendes mit:
Seit Ende des letzten Jahres hat sich als Phänomen herausgestellt, dass sich in der (erweiterten) Innenstadt sog. informelle „Spaziergänge“ (nicht angezeigte Versammlungen) mit anfänglich steigender Tendenz bis zu 5.000 Teilnehmer*innen herausbildeten, um gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Da diese weder nach Art. 13 BayVersG angezeigt wurden, noch eine(n) zuordenbare(n) Veranstalter*in erkennen ließen, hat die Landeshauptstadt München für die Tage, an denen diese Versammlungen in erheblichem Maße zu erwarten waren, eine Allgemeinverfügung, insbesondere auch mit Datum vom 13.1.2022 für den zeitlichen Geltungsbereich vom 15./17./19.1.2022 erlassen.Das Verwaltungsgericht München (mit Beschlüssen vom 19. und 25.1.2022) und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (mit Beschlüssen vom 18. und 19.1.2022) haben die Allgemeinverfügungen vom 13. und 21.1.2022 aufgrund materieller Gesichtspunkte gestützt und als rechtmä-ßig bewertet.
Versammlungen, die ordnungsgemäß angezeigt wurden und bei denen von einer infektiologischen Vertretbarkeit auszugehen war, konnten unabhängig vom Thema auch während der Geltung der Allgemeinverfügungen durchgeführt werden. Infektiologischen Bedenken begegnete das Versammlungsbüro in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsreferat mit entsprechenden Beschränkungen, z.B. der Verfügung einer Maskenpflicht.
Zu den von Ihnen beschriebenen Szenen am 5. und 12.1.2022 hat das Polizeipräsidium München Folgendes mitgeteilt:
„Die Teilnehmer des genannten Coronakritischen-Protestgeschehens verfolgten vorrangig das Ziel, entsprechende gesetzliche Vorgaben sowie versammlungs- und infektionsschutzrechtliche Beschränkungen zu umgehen und sich in verschiedenen, teils einschüchternden Gruppen unkontrolliert und dezentral im Stadtgebiet München fortzubewegen. Hierbei wurde von Woche zu Woche ein hohes Maß an Konflikt- und fehlender Kooperationsbereitschaft insgesamt sowie eine Verrohung einzelner Teilnehmer, gepaart mit verbalen bis körperlichen Entgleisungen u.a. gegenüber den eingesetzten Polizeikräften festgestellt. Des Weiteren versuchten die Versammlungsteilnehmer wiederkehrend ein regulierendes Eingreifen der Einsatzkräfte durch Ausweichbewegungen zu umgehen und missachteten jedwede polizeiliche Ansprache. In diesem Zusammenhang war insbesondere ein zielgerichtetes Vorgehen der Demonstranten zu beobachten. In der Phase der sog. ‚Corona-Spaziergänge‘ nutzten die Teilnehmer die vorherrschenden Passantenströme, um sich verdeckt im Innenstadtbereich zu formieren sowie sich polizeilichen Maßnahmen unter dem Vorwand einer ‚Legendierung‘ zu entziehen. Eine Vermischung, beispielsweise mit regulärem Einkaufspublikum im Altstadtfußgängerbereich wurde bewusst herbeigeführt. Dies erfolgte nicht nur durch rein physische Ausweichbewegungen in Ladengeschäfte, sondern wurde ergänzt durch das Mitführen von Einkaufstaschen, Kassenbelegen und mehr, um folglich gegenüber den polizeilichen Einsatzkräften die Teilnahme an nicht angezeigten Versammlungen zu verschleiern. Die beschriebenen Verhaltensweisen stellten gleichermaßen die Einsatzkräfte der Polizei wie auch die Bevölkerung, im Speziellen unbeteiligte Passanten, Ladenbesitzer und Angestellte vorbesonders herausfordernde sowie belastende Abendstunden. Aufgrund der dargestellten Gesichtspunkte und der damit einhergehenden pandemischen Gefahren für die Bevölkerung legte die Landeshauptstadt München sowohl für den 5.1.2022 als auch für den 12.1.2022 per Allgemeinverfügung fest, dass alle stationären oder sich fortbewegenden Versammlungen im Zusammenhang mit Protesten gegen CoronaMaßnahmen, wie beispielsweise sog. ‚Corona-Spaziergänge‘, untersagt sind, sofern die Anzeige- und Mitteilungspflicht nach Art. 13 BayVersG nicht eingehalten wird. Dennoch kam es an den genannten Tagen vor, dass zahlreiche Personen diese Schutzvorschriften missachteten und mit ihrem Verhalten sich und andere gefährdeten. An den genannten Mittwochen, zwischen 17.40 bis 21 Uhr beteiligten sich, entgegen der im Vorfeld festgelegten gesetzlichen Regelungslage, jeweils Personengruppen im vierstelligen Zahlenbereich an unkontrollierten ‚Spaziergängen‘ in der Innenstadt Münchens. Am 5.1.2022 konnten seitens der Polizei konkret ca. 3.000 Personen festgestellt werden, welche an diesen Versammlungen teilnahmen. Schwerpunktmäßig frequentiert war über den gesamten Zeitraum hinweg der Altstadtfußgängerbereich. Eine Differenzierung zwischen diesen Demonstranten und unbeteiligten Passanten erfolgte, seitens der eingesetzten Polizeikräfte, über das gesamte Einsatzgeschehen hinweg. Speziell wurde durch die Einsatzkräfte das Verhalten der vor Ort befindlichen Personen zielgerichtet beleuchtet, um in der Folge eine zeitgerechte Unterscheidung und ggf. Trennung zwischen den Protestierenden und den regulär vorherrschenden Passantenströmen herbeizuführen. Durch die entsprechend dynamischen Situationen, gepaart mit dem beschriebenen ‚Tarnverhalten‘ und der fehlenden Kooperationsbereitschaft großer Teile der Demonstranten, stellte sich phasenweise ein unvermeidbarer Zeitverzug bis zur vollumfänglichen Differenzierung bzw. Trennung der Personengruppen ein. Ziel des PP München war es jedoch zu jeder Zeit, eine Beeinträchtigung unbeteiligter Personen möglichst gering zu halten.
Das polizeiliche Vorgehen im Zuge dieser Einsätze bedingte aufgrund dessen durchwegs ein stufenweises Konzept, wobei dem kommunikativen Aspekt wie erwähnt eine hohe Priorität eingeräumt wurde. Demnach erfolgten an beiden Einsatztagen mittels mehrerer Lautsprecherwägen Durchsagen in sog. Dauerschleife, welche u.a. die aktuellen Regelungen der Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt München gegenüber allen anwesenden Personen kommunizierten. Untersagte Versammlungen sollten folglich verhindert werden und Unbeteiligte wurden auf entsprechende Ansammlungen hingewiesen und zielgerichtet sensibilisiert. Durch diese Vorgehensweise wurde bereits frühzeitig gewährleistet, dass sich unbeteiligte Personen, vor der Durchsetzung polizeilicher Folgemaßnahmenentfernen konnten. Aufgrund dieses Stufenkonzeptes sollte grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass Dritte seitens der Einsatzkräfte festgehalten und weiteren Maßnahmen zugeführt wurden. Nach Beurteilung des PP München waren die polizeilichen Maßnahmen gerade im Lichte des Infektionsschutzes geeignet, erforderlich und angemessen, um den vorliegenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung an beiden Einsatztagen wirkungsvoll zu begegnen. Eine Beeinträchtigung unbeteiligter Personen wurde zu jederzeit auf das notwendige Mindestmaß reduziert“.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.