Schließung der Büchereien bei der München Klinik – Ein Irrweg der Geschäftsführung?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 7.4.2022
Antwort Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Die Patient*innen und Beschäftigten der München Klinik gGmbH (MüK) haben derzeit noch die Möglichkeit an den Klinikstandorten Bogenhausen, Harlaching, Neuperlach und Schwabing über die Münchner Stadtbibliotheken Bücher, Hörbücher oder DVDs auszuleihen. Dieses Angebot soll nur noch bis zum 31.12.2022 fortgeführt werden. Nach unseren Informationen hat die Geschäftsführung der MüK den Vertrag mit den Münchner Stadtbi- bliotheken gekündigt. Insbesondere für Kinder und Jugendliche der Kinder- und Jugendpsychosomatik, für die Pflegekräfte und für Patient*innen die einen längeren Krankenhausaufenthalt in der MüK haben, ist dieses Angebot aus unserer Sicht enorm wichtig und unverzichtbar. Das Argument, andere Kliniken haben dieses Angebot auch nicht, ist nicht nachvollziehbar. Das Angebot ist aus unserer Sicht ein wichtiger Bestandteil der Personal- bindung und fördert die Patient*innenzufriedenheit in besonderer Weise.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Bei der Anfrage handelt es sich um die Zuständigkeit der Geschäftsführung im Rahmen des operativen Geschäftsbetriebs der München Klinik gGmbH, die Beantwortung erfolgt daher in Abstimmung mit der München Klinik.
Die aufgeworfenen Fragen beantworte ich wie folgt:
Frage 1:
Vor welchem Hintergrund wurde der Vertrag gekündigt?
Antwort:
Aufgrund des bis zum Jahresende laufenden Kooperationsvertrags zahlt die München Klinik – unabhängig von der Leistungserbringung durch die Stadtbibliothek – einen festen Betrag von 200.000 Euro pro Jahr. Laut Auskunft der Stadtbibliothek ergibt sich an den Standorten darüber hinaus ein Defizit im mittleren bis oberen sechsstelligen Bereich. Daher wurde vonseiten der Münchner Stadtbibliothek eine Reduzierung dieses Betrags ab-gelehnt, obwohl die Büchereien in den Kliniken pandemiebedingt teilweise geschlossen werden mussten bzw. nur reduzierte Öffnungszeiten hatten. Weiterhin haben rund fünf Prozent der Leser*innen keinerlei Bezug zur München Klinik, was darauf schließen lässt, dass in diesen Fällen auf die kostenlose Ausleihe zurückgegriffen wird, anstatt die kostenpflichtigen Leistungen der Stadtteilbibliotheken in Anspruch zu nehmen.
Frage 2:
Gab es vor der ausgesprochenen Kündigung Gespräche zwischen der Geschäftsführung der München Klinik, dem Direktor der Münchner Stadtbibliotheken, dem Gesundheitsreferat und dem zuständigen Kulturreferat, mit dem Ziel Lösungen zu finden?
Antwort:
Die Geschäftsführung der MüK war diesbezüglich im Austausch mit dem Verwaltungsleiter der Münchner Stadtbibliothek.
Frage 3:
Sind in der Neubauplanung der MüK an den jeweiligen Klinikstandorten Räumlichkeiten für die Stadtbibliotheken vorgesehen? Wenn ja, welche Verwendung finden diese Räume jetzt? Wenn nein, warum wurden diese Räumlichkeiten von der Planung nicht mitgeplant?
Antwort:
Bei den laufenden Großbaumaßnahmen an den Standorten der Neubauten Schwabing und Harlaching sind wegen der fehlenden Förderfähigkeit durch den Freistaat Bayern keine gesonderten Flächen für die Bibliotheken geplant worden. Am Standort Neuperlach befindet sich die Bibliothek derzeit in nicht sanierten Flächen neben der Radiologie im Erdgeschoss. Im Rahmen der Zielplanung werden diese saniert und nach Möglichkeit neu verortet. Am Standort Bogenhausen ist im Rahmen des Masterplans eine adäquate Planung der zu sanierenden Flächen möglich. Eine Sanierung muss aus Mitteln der MüK finanziert werden, da diese Flächen ebenfalls nicht förderfähig sind. Im Rahmen der weiteren Verhandlungen mit der Münchner Stadtbibliothek soll ein neues Konzept für ein Angebot durch die Stadtbibliothek für Patient*innen, Mitarbeiter*innen und externe Besucher*innen der MüK für alle Standorte erarbeitet werden (vgl. Antwort zu 8). Eine konkrete Kostenkalkulation für die Einrichtung bzw. Sanierung der Flächen in Neuperlach und Bogenhausen kann nach Vorliegen der für die Standorte passenden Vorschläge erstellt werden.
Frage 4:
Wie hoch waren jeweils jährlich die Ausleihen vor der Pandemie (im Jahr 2018 und 2019) und wie hoch waren jeweils die Ausleihen in den Jahren der Pandemie (in den Jahren 2020 und 2021)?
Antwort:
Die Nutzung der Krankenhausbibliotheken aus Sicht der Stadtbibliothek für die Jahre 2019 bis 2021 sind der nachstehenden Übersicht zu entnehmen. Für 2018 können die Zahlen in dieser Aufschlüsselung von der Stadtbibliothek nicht geliefert werden, da die Zahlen damals noch nicht auf diese Weise erhoben wurden.
Frage 5:
Gibt es außer der Coronapandemie weitere Gründe für den Rückgang der Ausleihen?
Antwort:
Eine Ursache ist die Verkürzung der Verweildauer. Hinzu kommt die zunehmende Verbreitung digitaler Medien und das allgemein schwindende Interesse an gedruckten Medien, was nicht nur Buchverlage, sondern auch Zeitungs- und Zeitschriftenverlage sehen. Auf diese Entwicklung wird üblicherweise mit zunehmenden Online-Angeboten reagiert.
Frage 6:
Teilt die Geschäftsführung der München Klinik die Auffassung, dass das Angebot für Beschäftigte und Patient*innen ein wichtiges Angebot ist?
Antwort:
Die Geschäftsführung hält das städtische Angebot einer Bücherei für Bürger*innen für wichtig. Dies umfasst selbstverständlich auch die Beschäftigten und Patient*innen der München Klinik. Aus diesem Grund ist die Geschäftsführung der MüK mit dem Verwaltungsleiter der Münchner Stadtbibliotheken auch im direkten Austausch, um Lösungsmöglichkeiten zu erörtern.
Frage 7:
Sind wirtschaftliche Gründe die einzige Entscheidung, die zur Kündigung geführt haben? Wenn ja, warum wurde der Stadtrat nicht mit dem Defizit befasst bzw. wurde versucht eine Lösung zwischen den Beteiligten städti- schen Betrieben zu finden?
Antwort:
Die geringen Öffnungszeiten (z.B. Klinikum Thalkirchner Straße an einem Tag für drei Stunden; Klinikum Bogenhausen an drei Tagen jeweils drei Stunden) und das fehlende Ambiente der Räumlichkeiten förderten die Attraktivität des Leistungsangebots nicht. Zwischenzeitlich haben sich erfreulicherweise z.B. durch das Aufstellen der BibBox neue Lösungsmöglichkeiten ergeben. Die Wiederaufnahme der Gespräche zeigt die Bedeutung und Wertschätzung des Themas.
Frage 8:
Welche Rahmenbedingungen bräuchte es, dass das Angebot über den 31.12.2022 erhalten bleibt?
Antwort:
Die München Klinik ist beauftragt, die Möglichkeiten einer Fortführungsvereinbarung, die ab 2023 in Kraft treten kann, zu prüfen und zusammen mit der Münchner Stadtbibliothek neue Konzepte vorzulegen. So steht beispielsweise mit der BibBox grundsätzlich eine innovative Alternative zur Verfügung, auf der sich zukünftige Lösungen aufbauen ließen. Die BibBox hat einen Flächenbedarf von 15qm und ist barrierefrei zugänglich. Man bestellt in der BibBox mittels Kundenkarte z.B. ein Buch über das Terminal und kann das bestellte Buch innerhalb einer kurzen Frist in der BibBox abholen. Für Patient*innen der München Klinik soll die Möglichkeit einer Gastkarte mit der Münchner Stadtbibliothek erörtert werden. Erfahrungen mit der BibBox konnte die Münchner Stadtbibliothek bereits während der Umbauphase eines Standortes im Stadtteil Bogenhausen sammeln. Im April wurden erste Gespräche zwischen der München Klinik und der Stadtbibliothek mit dem Ziel geführt, dieses Konzept weiter zu denken undentsprechende Räumlichkeiten an den Standorten der München Klinik zu identifizieren sowie die Technik zusammen mit der Münchener Stadtbibliothek bereitzustellen. Wichtig dabei ist, dass auch das digitale Angebot der Stadtbibliothek zur Verfügung gestellt wird und die Stadtbibliothek entsprechende Konzepte vorlegt. Mit der Bereitstellung einer WLAN-Infrastruktur in den Neubauten und schon heute am Standort Neuperlach sind dann auch die technischen Voraussetzungen verfügbar.
Die Gespräche zwischen der München Klinik und der Stadtbibliothek werden mit dem Ziel eines auf aktuelle Bedürfnisse angepassten Angebots, das auch wirtschaftlichen Gesichtspunkten Rechnung trägt, fortgesetzt.