MVV – Abonnementstruktur an neue Arbeitsbedingungen anpassen
Antrag Stadträtin Sonja Haider (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 4.10.2021
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit uns Wirtschaft:
In o.g. Antrag fordern Sie: „Die Stadtverwaltung wird aufgefordert, mit den relevanten Akteuren die Tarifstruktur von MVV-Abonnements sowie Wochen- und Monatskarten zu überarbeiten. Die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen mit Home-Office Strukturen und digitalen Möglichkei- ten sollen die Neugestaltung bestimmen. Eine zügige Umsetzung kann helfen, Kund*innen nach der Pandemie zurückzugewinnen.“
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Antrag bezieht sich jedoch auf eine Angelegenheit, die in die Zuständigkeit der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund GmbH (MVV) fällt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich. Daher wird der Antrag, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, im Folgenden als Brief beantwortet.
Die MVV GmbH hat hierzu in Abstimmung mit der MVG folgende Stellungnahme abgegeben:
„Der Gedanke, weitere flexible Fahrkarten, wie z.B. Mehrtages-, Wochen- oder Monatskarten bzw. ein Abonnement für differenzierte Nutzungstage mit abgestuften Preisen anzubieten, hätte für bestimmte Nutzergruppen mit wenigen Fahrten pro Woche aufgrund von Homeoffice auf jeden Fall Vorteile und ist durchaus nachvollziehbar, und es könnten nach unserer Einschätzung durchaus Neukunden für den ÖPNV gewonnen werden. Jedoch ist zu beachten, dass preislich reduzierte Angebote, seien es auch nur für eine bestimmte Anzahl an Nutzungstagen gebundene Angebote, zu Mindereinnahmen bei den Verkehrsunternehmen führen, zumal insbesondere die Preise der Zeitkarten (Woche, Monat, Abo) im MVV bereits im Verhältnis zu anderen großen Verbünden in Deutschland sehr günstig sind. Um diese Mindereinnahmen ausgleichen zu können, müssten folglich die Fahrpreise aller anderen Fahrkartenangebote neu kalkuliert werden – es sei denn, die öffentliche Hand übernimmt diesen Ausgleich der Mindereinnahmen. Zudem vergrößert jedes neue Angebot das Fahrkartensortiment und macht damit den Tarif umfangreicher und tendenziell schwerer zu kommunizieren und läuft unseren Bemühungen zuwider, einen einfachen, transparenten Zeitkartentarif anzubieten.Auch ist aufgrund des hohen Vertriebsaufwands im konventionellen Vertrieb ein solcher Vorschlag für die Kunden nicht ohne weiteres flexibel umsetzbar. Allerdings gibt es bereits heute – wie von Ihnen richtig bemerkt – eine kundenfreundliche Lösung, die der MVV in den digitalen Vertriebskanälen testet: Das eTarif Pilotprojekt ‚swipe and ride‘, das bereits erfolgreich seit 20. Oktober 2020 läuft und speziell für dieses Kundensegment konzipiert wurde. Der Fahrpreis setzt sich hier aus einem Grundpreis pro Fahrt und der Anzahl Luftlinienkilometer x Entfernungspreis pro Luftlinienkilometer zusammen und es gibt einen Tagesdeckel sowie Boni für den Folgemonat ab der vierten Fahrt pro Monat (weitere detaillierte Informationen zum Pilotprojekt finden Sie unter www.mvv-muenchen.de/etarif).
Durch diesen Aufbau richtet sich der eTarif nicht nur an Gelegenheitsfahrer, sondern an solche, die mehrfach in der Woche die Verkehrsmittel im MVV benutzen. Selbstverständlich wird das Pilotprojekt kontinuierlich weiterentwickelt – beispielsweise wird hier im kommenden Jahr die sogenannte ‚geglättete Strecke‘ eingeführt, welche die Luftlinienkilometer noch feiner zwischen den einzelnen durchfahrenen Haltestellen und nicht nur – wie im anfänglichen Modell – zwischen Ein- und Ausstiegshaltestelle zugrunde legt.
Über das Pilotprojekt eTarif hinaus gibt es Überlegungen zur Weiterentwicklung des Abonnements hin zu abgestuften Angeboten – ähnlich den Produkten von Anbietern aus anderen Branchen, z.B. Stromversorgung oder Telekommunikation. Auswählbare Zusatzoptionen erhöhen dabei die Flexibilität und Individualität für die Kunden. Diese Überlegungen befinden sich aber noch im Anfangsstadium.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass Ihre Idee – im Hinblick auf zurückgehende Abozahlen, die Umwelt und das sich ändernde Mobilitätsbedürfnis – zusätzliche Angebote für regelmäßige Fahrten und spezielle Ticketarten, die den Umstieg bzw. die Rückkehr zum ÖPNV erleichtern, anzubieten, durchaus begründet ist. Bei näherer Betrachtung dieser Problematik wird jedoch deutlich, dass nicht alle Vorschläge ohne Weiteres realisierbar sind; allerdings zeigen das laufende eTarif Pilotprojekt ‚swipe and ride‘ und die angestoßene Strategiediskussion aber bereits neue Wege auf, die allen Mobilitätsbedürfnissen Rechnung tragen können.
Auf Grund der Tatsache, dass ein großer Teil der Kosten des ÖPNV von der öffentlichen Hand ausgeglichen werden muss, wird letztlich der Politik die Aufgabe zufallen, die Weichen für Veränderungen zu stellen, und deshalbist eine gemeinsame Diskussion darüber in den entsprechenden Gremien auf jeden Fall begrüßenswert.“
Das Mobilitätsreferat schließt sich diesen Ausführungen an. Aus Sicht des Referats für Arbeit und Wirtschaft besteht angesichts des aktuell hohen Finanzierungsbedarfs im ÖPNV und den drastischen Einnahmerückgängen für Tarifmaßnahmen, die weitere Mindereinnahmen generieren, derzeit kein Spielraum. Auch der laufende Pilotversuch eTarif erfordert bereits einen Ausgleich der Mindereinnahmen durch die Gesellschafter.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen, und hoffe, dass Ihr Antrag damit zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.