Seit Einrichtung der neuen Anlaufstelle zur Aufarbeitung der Geschehnisse in Münchner Heimen, Pflege- und Adoptivfamilien haben sich in den ersten sechs Wochen 25 Betroffene bei der unabhängigen Expert*innenkommission gemeldet und Anträge gestellt, die aktuell in Bearbeitung sind. Die ersten Soforthilfen werden im September ausbezahlt. Ein Antrag wurde sogar aus Fernostasien gestellt, ein Zeichen, dass sich der Aufruf weltweit verbreitet hat und Betroffene erreicht.
Über die Anlaufstelle können Anträge auf Soforthilfen und auch auf Anerkennungsleistungen gestellt werden. Außerdem will die Expert*innenkommission einen Betroffenenbeirat einrichten und ruft Betroffene auf, sich bei der Kommission zu melden und bei der Aufarbeitung mitzuwirken. Oberbürgermeister Dieter Reiter, der Kommissionsvorsitzende Ignaz Raab und die stellvertretende Vorsitzende, Carola Baumgartner, hatten am 20. Juli 2022 die neue Anlaufstelle vorgestellt und über den aktuellen Stand des Aufarbeitungsprozesses berichtet.
Der Stadtrat hat im Mai erste finanzielle Mittel für den Aufarbeitungsprozess genehmigt. Betroffene, die sich in besonders schwierigen Lebenssi- tuationen befinden, sollen entsprechende Soforthilfen erhalten. Im ersten Schritt wurden insgesamt 800.000 Euro zur Verfügung gestellt. München hat sich als erste große Kommune entschieden, die Missstände und Gewalterfahrungen ehemaliger Heim-, Pflege- und Adoptivkinder auf kommunaler Ebene umfassend aufzuarbeiten. Die Kommission hat in Zusammenarbeit mit dem Kinderschutz München ein Konzept für eine Anlaufstelle erarbeitet, die die Betroffenen bestmöglich bei der Antragstellung unterstützen und sie auch in dem Prozess begleiten soll.Kommissionsvorsitzender Ignaz Raab: „Für die Kommission ist die Landeshauptstadt nur der formale Auftraggeber der Aufarbeitung. In unseren Augen sind die wirklichen Auftraggeber*innen die Betroffenen, in deren Interessen wir versuchen zu handeln. Uns war ein zügiger Start der Anlaufstelle mit Blick auf die Betroffenen sehr wichtig, damit wir uns den Fragen der Betroffenen so schnell wie möglich widmen und die nötige Hilfe anbieten können. Selbstverständlich werden wir dies mit der nötigen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit tun. Die Anlaufstelle ist beim Kinderschutz München eingerichtet, einem Träger, der über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Beratung von Betroffenen von sexualisierter Gewalt verfügt.“
Die Anlaufstelle ist der erste Kontakt für die Belange der Betroffenen. In der Regel findet ein Gespräch statt, in dem die Betroffenen ihre Geschichte erzählen und gemeinsam mit den Fachkräften und deren Unterstützung den Antrag auf Soforthilfen ausfüllen können. Alternativ kann der Antrag selbst ausgefüllt und in der Anlaufstelle eingereicht werden. Die Anlaufstelle gibt den Antrag dann an die Kommission weiter, welche bereits im nächsten Schritt zügig über den Antrag entscheidet. Die Soforthilfen werden dann über die Stadtkämmerei an die Antragsteller*innen ausbezahlt.
Bei der Anlaufstelle können bereits seit 20. Juli 2022 Anträge auf Soforthilfen und auch auf Anerkennungsleistungen gestellt werden.
Die Anlaufstelle ist erreichbar per E-Mail an anlaufstelle@kinderschutz.de; Telefon 231716-9170; www.kinderschutz.de/anlaufstelle. Darüber hinaus will die Kommission einen Betroffenenbeirat einrichten, über den Betroffene sich und ihre Perspektive aktiv in den Aufarbeitungsprozess einbringen können. Der Betroffenenbeirat soll als zweites, unabhängiges Gremium den Aufarbeitungsprozess begleiten und befindet sich als gleichwertiges Gremium auf Augenhöhe mit der Expert*innenkommission. Der Betroffenenbeirat entsendet zudem zwei Mitglieder in die Expert*innenkommission, so dass auch in diesem Gremium aktiv die Perspektive der Betroffenen eingebracht wird. Der Betroffenenbeirat soll einerseits als Impulsgeber auftreten und damit die Aufarbeitung auch maßgeblich steuern, andererseits ist er als Vertreter der Zeug*innenschaft zu sehen und soll dabei aktiv bei der Entwicklung von Präventionsmaßnahmen unterstützen.
Stellvertretende Kommissionsvorsitzende Carola Baumgartner: „Ich bitte deshalb alle Betroffenen zu prüfen, ob für sie eine Mitwirkung am Aufarbeitungsprozess in Form einer Mitgliedschaft im Betroffenenbeirat möglich ist. Bitte helfen Sie uns, indem Sie uns Ihre Perspektive aufzeigen und Ihre Belange vermitteln. Falls Sie Interesse haben, wenden Sie sich bitte an die Geschäftsführung unserer Kommission. Nachdem Sie Ihr Interesse an einer Mitgliedschaft im Beirat bekundet haben, würde die Kommission Sie gerne in einer verkleinerten Gesprächsrunde kennenlernen. Dieses Gespräch dient dazu, dass wir gegenseitig unsere Vorstellungen über eine Zusammenarbeit austauschen können.“
Betroffene, die Interesse an einer Mitgliedschaft im Betroffenenbeirat haben, können sich an die Geschäftsführung der Expert*innenkommission wenden: Frau Abeltshauser, Telefon 233-47181 oder per Mail an kommission@muenchen.de.
Die Soforthilfen, die über die Anlaufstelle beantragt werden können, sind nur ein Vorgriff auf die Anerkennungsleistungen, welche aktuell von der Kommission erarbeitet werden. Im nächsten Schritt wird die Kommission dem Stadtrat im ersten Quartal 2023 eine Empfehlung über die Höhe und die Verteilung der Mittel vorlegen.
Für Rückfragen steht der Vorsitzende der Kommission, Ignaz Raab, zur Verfügung, erreichbar über die Pressestelle des Sozialreferats, Telefon 233-48233, E-Mail: sozialreferat.presse@muenchen.de.