Velo-city 2007 – Wie weiter mit dem Radverkehr in München IV Konzept „Shared Space“: Chancen für den Radverkehr nutzen
Antrag damaliger Stadtrat Jens Mühlhaus (Bündnis 90/DIE GRÜNEN – Rosa Liste) vom 11.12.2007
Antwort Mobilitätsreferent Georg Dunkel:
Ich habe in meinem Haus eine Revision angeordnet, um Altfälle zu identifizieren, die nun zügig und abschließend abgearbeitet und erledigt werden sollen.
Darunter befindet sich der o.g. Antrag aus dem Jahr 2007, damals für Ihre Fraktion gestellt von Stadtrat Jens Mühlhaus.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, teile ich Ihnen zu Ihrem Antrag Folgendes mit:
Der Antrag ist einer aus einer ganzen Reihe von Anträgen im Nachgang der Weltfahrradkonferenz, die 2007 in München stattfand. Die allermeisten wurden im Rahmen des Grundsatzbeschlusses Rad 2009 (bzw. den beiden Fortschreibungen 2012 und 2018) aufgegriffen und geschäftsordnungsgemäß behandelt. Die Federführung für die Grundsatzbeschlüsse lag beim Referat für Stadtplanung und Bauordnung.
Im Zuge der Recherche wurde ersichtlich, dass die Federführung zunächst im Kreisverwaltungsreferat lag und von dort dann nach dessen Gründung auf das Mobilitätsreferat übergegangen ist. Irrtümlich wurde wohl bisher davon ausgegangen, dass der Antrag bereits im Zuge der Grundsatzbeschlüsse durch das Referat für Stadtplanung und Bauordnung erledigt war.
Zu den inhaltlichen Punkten des Antrags nimmt das Mobilitätsreferat wie folgt Stellung:
Punkt 1:
Die Verwaltung berichtet dem Stadtrat, an welchen Stellen in München die Aspekte des Konzeptes „Shared Space“ (gemeinsam genutzter Raum) im Zusammenhang mit dem Radverkehr angewandt werden könnten.
Antwort:
Das Konzept des „Shared Space“ ist in der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht vorgesehen, kann also nicht im klassischen Verständnis mit einem Verkehrszeichen rechtsverbindlich angeordnet werden.Es können allerdings planerisch-gestalterisch Situationen geschaffen werden, die dem Verständnis des „Shared Space“ nahekommen, bei relativ niedrigem Gesamtverkehrsaufkommen, mit einer hohen Mischung der
Verkehrsarten und niedrigen Geschwindigkeiten. Der sog. verkehrsberuhigte Geschäftsbereich oder Fußgängerzonen, für die die Befahrung durch weitere Verkehrsmittel in bestimmtem Rahmen zugelassen wird, kommen dabei dem Gedanken des „Shared Space“ am nächsten. Beide Ansätze wurden in München bereits realisiert, z.B. am Bahnhof Pasing oder in der Sendlinger Straße. Weitere sind geplant bzw. im Bau, z.B. bei der Ortskernsanierung Trudering oder in Teilen der künftigen autofreien Altstadt.
Punkt 2:
Dabei wird besonders eingegangen auf die Anlage von sogenannten Schutzstreifen, bei denen sich der Radverkehr und – im Begegnungsfall – Lkw die gleiche Fläche teilen.
und
Punkt 3:
Besonders berücksichtigt werden ebenso Straßenabschnitte, die einen zu schmalen Fußweg und einen schmalen Radweg aufweisen. Es soll dargelegt werden, an welchen Stellen der Radverkehr auf die Fahrbahn verlegt, Tempo 30 oder Schutzstreifen eingeführt und der Fußweg auf Kosten des Radverkehrs verbreitert werden kann (ggf. mit einer Regelung Gehweg – Radfahrer frei).
Antwort:
Die Vollversammlung des Münchner Stadtrates hat am 24.7.2019 mehrheitlich beschlossen die Forderungen der beiden Bürgerbegehren (Altstadt-Radlring und Radentscheid München) zum Radverkehr in München inhaltlich in vollem Umfang zu übernehmen (Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/V 05641).
Ziel 1 des Radentscheids München beschreibt die Qualität von Radwegen:
„An für den Radverkehr gewidmeten Gemeindestraßen mit hohem Kfz-Aufkommen oder zulässigen Geschwindigkeiten über 30 km/h gibt es baulich geschützte Radwege. Diese haben eine nutzbare Mindestbreite von 2,30m pro Fahrtrichtung, zuzüglich seitlicher Sicherheitsabstände, sowie eine durchgehend ebene und eingefärbte Oberfläche ohne Bordsteinkanten und sind baulich so gestaltet, dass unzulässiges Befahren undHalten durch Kraftfahrzeuge unterbleibt. Radverkehrsanlagen sind möglichst ganzjährig nutzbar.“
Die zum Zeitpunkt der Antragstellung vom Antragsteller ins Auge gefassten Möglichkeiten, Verbesserungen für den Radverkehr durch die Verlagerung des Radverkehrs vom Seitenraum auf die Fahrbahn oder die Einrichtung von gemeinsamen Flächen für den Fuß und Radverkehr durch Verbreiterung von Gehbahnen Verbesserungen im Bestand zu erreichen, sind mittlerweile durch die vom Stadtrat beschlossene und in Arbeit befindliche Konzeption und Planung eines qualitativ hochwertigen, baulich ausgestalteten Fahrradwegenetzes unter modernen Standards und anderen Bedürfnissen und Radverkehrszahlen als 2007, überholt.
Allem voran soll der Ausbau der Radinfrastruktur nicht zu Lasten der Verkehrssicherheit oder der Barrierefreiheit des Fußverkehrs erfolgen. Eine flächendeckende und damit verkehrsplanerische Freigabe von Gehwegen für den Radverkehr war und ist daher, bis auf Einzelfälle, in denen dies aus Sicherheitserwägungen von den Regelwerken empfohlen wird und ausreichend Gehwegfläche zur Verfügung steht, keine konzeptionelle in Betracht zu ziehende Lösung zur Radverkehrsförderung.
Die Markierung von Schutzstreifen richtet sich nach der StVO und den Regelwerken der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (ERA 2010 und RASt 2006) und kommt aus Gründen der Verkehrssicherheit in Betracht, wenn etwa örtliche Zwänge die Anlage einer baulichen Radverkehrsanlage nicht zulassen aber zur Gefahrenabwehr solche Anlagen empfohlen werden.
Ebenso folgt die Anordnung von streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h den Vorgaben der StVO und ist nur unter bestimmten Voraussetzungen, z.B. im Umfeld von Schulen, Lärmschutz, im Rahmen der städtebaulichen Entwicklung etc. zulässig.
Punkt 4:
Ferner wird die Verwaltung beauftragt dem Stadtrat aufzuzeigen, an welchen Stellen eine Nutzung von Fußgängerzonen durch den Radverkehr (ggf. zeitlich eingeschränkt) sowie an welchen Stellen neue Mischzonen sinnvoll und möglich wären.
Antwort:
Zur Regelung des Verhältnisses des Fuß- und Radverkehrs in Fußgängerzonen hat die Verwaltung bereits mehrere Projekte umgesetzt.So wurde z.B. für die zentrale Fußgängerzone in der Innenstadt die Nutzung für den Radverkehr zwischen 21 und 9 Uhr zugelassen. Für die Kernzeit, in der die Nutzung der Fußgängerzone wegen des exorbitant hohen Aufkommens von Fußgänger*innen und z.T. auch des Lieferverkehrs nicht erlaubt ist, wurde eine leistungsfähige Umfahrung eingerichtet. Für kleinere dezentrale Fußgängerzonen existieren ebenfalls teils zeitlich flexible individuelle Regelungen mit Zulassung des Radverkehrs, wie z.B. am Rotkreuzplatz oder am Rudi-Hierl-Platz. Für die Zukunft wird das Thema ebenfalls immer mitgedacht und es werden im Zuge des Projektes autofreien Altstadt und bei Einrichtung weiterer Fußgängerzonen individuelle und flexible Lösungen gesucht.
Wenn Sie einverstanden sind, ist dieser aufgrund seiner langen Bearbeitungsdauer als Sonderfall zu behandelnde Antrag aus Sicht der Mobilitätsreferates geschäftsordnungsgemäß und abschließend behandelt.