Fragen zur Versorgung bedürftiger Bürger (Münchner Tafel)
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Daniel Stanke, Markus Walbrunn und Iris Wassill (AfD) vom 22.6.2022
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 22.6.2022 führen Sie Folgendes aus:
„Laut mehrerer Medienberichte kann die Versorgung von bedürftigen Bürgern mit Lebensmitteln aus verschiedenen Gründen nicht mehr sichergestellt werden. Die Verteilstationen sind vollkommen überlastet. Auch in München sind die Zahlen nach oben geschossen. Mittlerweile sind es dort 23.000 Menschen, die Lebensmittel abholen und über 1.000 Bürger stehen auf der ‚Warteliste‘! Grund hierfür sind neben den Auswirkungen der Corona-Maßnahmen der vergangenen zwei Jahre die steigende Inflation sowie die Flüchtlinge aus der Ukraine. Im Zusammenhang mit dem Ukrai- ne-Krieg wird nun auch noch berichtet, dass sich aufgrund der drohenden Nahrungsmittelknappheit vermehrt wieder Flüchtlinge aus den afrikanischen Ländern Richtung Europa bewegen.
(… Zitat eines Berichts des Münchner Merkur vom 15.6.2022 zur Untermauerung Ihrer Thesen …).
Auch die Supermärkte haben immer weniger Spenden für Bedürftige. Oft gibt es in den Märkten Rabatt-Aktionen, bei denen dann noch ein Großteil der Lebensmittel verkauft wird, der sonst bei den Tafeln gelandet wäre.“
Zu Ihrer Anfrage vom 22.6.2022 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1 bis 4:
1. Wie stellt sich aktuell die Situation an den Münchner Tafeln dar? 2. Wurde von diesen über Probleme mit Nachschub berichtet? 3. Wie viele Personen werden täglich/wöchentlich in München versorgt? 4. Um welche Personengruppen handelt es sich?
Antwort:
Die Münchner Tafel ist ein unabhängiger, eigenständiger, privater Verein, welcher sich überwiegend selbständig über Spendenmittel finanziert. Jede Woche versorgt sie 23.000 Menschen. Im Zuge der kostenlosen Versorgung dieser 23.000 Menschen werden pro Woche ca. 483.000 Mahlzeiten ausgegeben. Zusätzlich hat die Münchner Tafel eine Sprechstunde zu existenziellen Notlagen. Dort können Menschen in aktuellen Notlagen vorstellig und sofort versorgt werden.Die Gäste der Münchner Tafel sind Menschen, die im Bereich des Existenzminimums leben sowie Menschen in verdeckter Armut, das heißt Menschen, die keine staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen, obwohl sie dazu berechtigt wären.
Frage 5 bis 6:
5. Aktuell sollen ca. 1.000 bedürftige Bürger auf der Warteliste stehen. Wie wird die Versorgung dieser Bürger sichergestellt?
6. Sind diese Bürger sich selbst überlassen?
Antwort:
In ganz München gibt es weit mehr Bedürftige Personen als die, die von der Münchner Tafel versorgt werden können. Das liegt in den für München zu niedrigen Regelsätzen der Grundsicherung im SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) und SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und Hilfe zum Lebensunterhalt) begründet.
Das Angebot der Münchner Tafel stellt eine wichtige Ergänzung zu diesen Sozialleistungen dar. Dank der freiwilligen Unterstützung der Münchner Tafel und der großen Spendenbereitschaft sowie dem bürgerschaftlichen Engagement vieler Münchner*innen ist es möglich, Menschen, die mit den niedrigen Regelsätzen nicht auskommen, zu unterstützen.
Die Landeshauptstadt München sieht schon seit langem erheblichen Handlungsbedarf bezüglich einer Optimierung der Grundsicherungssysteme und hat ihre Position in allen in Frage kommenden Gremien, insbesondere beim Deutschen und beim Bayerischen Städtetag und durch vielfache Schreiben an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Vorsitzenden der Regierungsparteien, verdeutlicht. Die erste Münchner Armutskonferenz vom Mai 2021 hat die langjährigen Forderungen bestätigt. Die Landeshauptstadt München fordert u.a. die besondere Lage von Großstädten mit überdurchschnittlichen Lebenshaltungskosten, wie etwa München, im zukünftigen Bürger*innengeld zu berücksichtigen. Auch sollten Bedarfe, wie zum Beispiel Haushaltsgroßgeräte, Möbelnachersatz, Stromkosten, (wieder) als einmalige Leistungen zusätzlich zum Regelsatz bewilligt werden.
Frage 7 bis 8:
7. Mussten Personen zurückgewiesen werden? 8. Aus welchem Grund wurden diese Personen zurückgewiesen?
Antwort:
Wenn sich Personen bei der Münchner Tafel melden, jedoch über dem gesetzlichen Existenzminimum verdienen, werden diese zurückgewiesen werden.
Frage 9:
9. Welche Personengruppen werden bevorzugt behandelt?
Antwort:
Personen, die in einer existenziellen Notlage sind, d.h. beispielsweise Personen, die nach Antragsstellung noch auf die Bewilligung ihrer finanziellen Grundsicherung warten oder schwer erkrankte Personen.
Frage 10:
10. Hat sich die Situation seit dem Krieg in der Ukraine noch verschärft?
Antwort:
Die (ökonomischen) Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sind immens. Dies gilt insbesondere auch für soziale Projekte und Organisationen, die im Bereich der Armutsbekämpfung tätig sind.
Frage 11 bis 12:
11. Wie werden Bürger informiert und auf die Tafel hingewiesen? 12. Wie werden Bürger informiert, die beispielsweise keinen Zugriff auf Internet haben (so z.B. ältere Bürger)?
Antwort:
Die Münchner Tafel hat einen ausgesprochen hohen Bekanntheitsgrad, sogar weit über München hinaus.
Die Münchner Tafel nutzt außerdem die üblichen Kommunikationswege, wie ihre Homepage, die Vernetzung mit sozialen Einrichtungen und ihren Auftritt auf der städtischen Internetseite.
Frage 13 bis 14:
13. Gibt es bei bestimmten Lebensmittel Lieferprobleme/Mangel? 14. Um welche Lebensmittel handelt es sich dabei?
Antwort:
Siehe Punkt 1-4.Frage 15:
15. Ist es möglich, älteren Bürger bzw. Bürger mit körperlichen Einschränkungen regelmäßig (einmal wöchentlich) Lebensmittel zu liefern?
Antwort:
Eine Lieferung durch die Münchner Tafel ist nicht möglich. Für ältere Münchner*innen bestehen jedoch vielfältige Möglichkeiten der Essensversorgung. In München bieten die Verbände der freien Wohlfahrtspflege die Leistung „Essen auf Rädern“ flächendeckend an. Daneben haben alle Alten- und Service-Zentren (ASZ) und einige weitere Einrichtungen der offenen Altenhilfe einen Sozialen Mittagstisch eingerichtet, der Teilhabe und Essensversorgung verknüpft. Für Gäste mit geringem Einkommen steht den Einrichtungen ein Budget zur Verfügung. Wenn altersbedingt oder aus gesundheitlichen Gründen der Einkauf von Lebensmitteln oder die Zubereitung einer warmen Mahlzeit nicht mehr möglich ist, besteht die Option, einen Zuschuss für Essen auf Rädern oder für den Sozialen Mittagstisch im Rahmen des SGB XII zu beantragen. Der Zuschuss ist ein Bestandteil der Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung nach dem SGB XII.
Darüber hinaus besteht mit dem Fahrdienst „Mobile Münchner Tafel“ des Johanniter-Unfallhilfe-Vereins die Möglichkeit für ältere und mobilitätseingeschränkte Gäste der Münchner Tafel, in einem Fahrzeug von der Tafel mit den Einkäufen nach Hause transportiert zu werden. Aktuell werden regelmäßig sieben Ausgabestellen der Münchner Tafel angefahren.
Ehrenamtliche Helfer*innen der ASZ und weiterer Einrichtungen der offenen Altenhilfe begleiten bei Bedarf ältere Menschen beim Einkaufen, das diese, wenn sie irgend können, so lange wie möglich selbst erledigen wollen. Einkaufshilfen werden auch von Hauswirtschaftsdiensten und ambulanten Pflegediensten geleistet. Darüber hinaus bieten gewerbliche Anbieter*innen Lieferungen von Lebensmitteln nach Hause an.
Personen ohne Pflegegrad (PG), mit PG 0 oder PG 1, haben meist körperliche Einschränkungen und damit eine eingeschränkte Mobilität. Im Rahmen der Hilfe zur Weiterführung des Haushaltes (§ 70 SGB XII) kann das Einkaufen von Lebensmitteln und sonstigen notwendigen Bedarfsgegenständen, Besorgung bei Post, Arzt usw. und die Zubereitung der Mahlzeiten inkl. Spülen des Geschirrs und Reinigen des Arbeitsbereiches genehmigt werden, wenn alle anderen sozialhilferechtlichen Voraussetzungen (Einkommensprüfung, Vermögensprüfung, Bedarfsprüfung, usw.) vorliegen.