Quartiersansatz bei der LHM: Was ist schon geschehen bzw. nicht geschehen?
Anfrage Stadträte Hans Hammer, Manuel Pretzl und Sebastian Schall (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 31.8.2022
Antwort Christine Kugler, Referentin für Klima- und Umweltschutz:
Ihre Anfrage vom 31.8.2022 wurde im Auftrag von Herrn Oberbürgermeister Dieter Reiter an das Referat für Klima- und Umweltschutz zur Beantwortung zugeleitet. Sie begründen diese wie folgt :
„Der so genannte Quartiersansatz gilt in einigen Referaten der Landeshauptstadt München (LHM), unter anderem dem Referat für Klima‐ und Umweltschutz (RKU), als sehr wichtiges Handwerkszeug zur Umsetzung der Klima‐ und Wärmewende. Der Grundsatzbeschluss II des RKU aus dem Januar 2022 widmet sich diesem Thema besonders intensiv. Mit der Einführung des Quartiersansatzes verbunden ist der Aufbau einer externen Energieagentur und auch neuer Koordinierungsstrukturen. Als Zielvorstellung formuliert das RKU: ‚Ab 2022 geht die Quartiersarbeit in die Skalierung: Die Empfehlungen des Fachgutachterteams lauten: vier neue Quar- tiere im Jahr 2022, acht im Jahr 2023, zwölf im Jahr 2024 und ab 2025 20 Quartiere pro Jahr.‘ Zudem geht das RKU zur Erreichung der Klimaschutzziele von einer Bearbeitung von bis zu 400 Quartieren mit ca. 180.000 Gebäuden bis 2035 aus.“
Zu den gestellten Fragen teile ich Ihnen Folgendes mit:
Frage 1:
Sind die vorbereitenden Arbeiten, um den Quartiersansatz umsetzen zu können (bspw. der Aufbau der Energieagentur und der verwaltungsinternen Strukturen) inzwischen vollständig abgeschlossen?
Antwort:
Die vorbereitenden Arbeiten sind soweit fortgeschritten, dass die Verwaltung in den ersten Quartieren aktiv ist. In den sogenannten Pilotquartieren werden erste Projekte umgesetzt (siehe Frage 2), die daraus gewonnenen Erfahrungen, Ergebnisse und Strukturen fließen in die weitere Quartiersarbeit ein und werden auf andere Quartiere übertragen bzw. adaptiert.
Bislang hat die Stadtverwaltung, insbesondere die für den Quartiersansatz federführenden Referate, das Referat für Stadtplanung und Bauordnung, das Mobilitätsreferat und das Referat für Klima- und Umweltschutz, eine Arbeitsstruktur aufgebaut bzw. bereits vorhandene Arbeitsstrukturen er-gänzt. Die Einrichtung einer Geschäftsstelle Quartier im Referat für Klima- und Umweltschutz ist ebenfalls im März 2022 erfolgt.
Der Aufbau einer Sanierungs- und Energieagentur ist aktuell in der Entwicklung, eine Stadtratsbefassung ist in Kürze geplant.
Frage 2:
In wie vielen Quartieren wird das RKU im Jahr 2022 schon tätig sein? Werden die anvisierten vier Quartiere erreicht?
Antwort:
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung, das Mobilitätsreferat und das Referat für Klima- und Umweltschutz arbeiten derzeit gemeinsam an fünf Pilotquartieren außerhalb der Gebiete der Stadtsanierung. Hier sollen Erfahrungen gesammelt werden, die sich dann auf die weiteren Quartiersvorhaben übertragen lassen.
Konkret wird für ein Quartier in Ramersdorf von der GEWOFAG gemeinsam mit der Stadtverwaltung und einem beauftragten Konsortium ein integriertes und von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gefördertes Quartierskonzept erstellt. Dieses wird im Anschluss umgesetzt. In den beiden Piloten Handlungsraum 3 Nord (Berg am Laim) und im Bezirk Sendling-Westpark sind ebenfalls die Konzeption und Umsetzung von drei weiteren integrierten und von der KfW geförderten Quartierskonzepten geplant. Zusätzlich soll im Österreicherviertel (Pasing), im Bereich Handlungsraum 3 Nord (Berg am Laim) und im Bereich Sendling-Westpark eine aufsuchende Energieberatung für Ein- und Zweifamilienhausgebiete durchgeführt werden. Die aufsuchende Beratung im Österreicherviertel (Pasing) beginnt noch in diesem Herbst. Im Dreimühlenviertel (Isarvorstadt) wird in diesem Jahr im ersten Schritt mit dem Schwerpunktthema Mobilität gestartet. Zusätzlich wird die LH München im Rahmen des EU-Zuschlags für das ASCEND-Projekt ein Plus-Energiequartier im Harthof entwickeln.
Frage 3:
Geht das RKU derzeit davon aus, den oben dargestellten, sehr straffen Plan zur Bearbeitung der Quartiere einhalten zu können?
Antwort:
Unter günstigen Voraussetzungen, der Bereitstellung erforderlicher Ressourcen, der schnellen Entscheidung für eine Energie-/bzw. Sanierungsagentur und der engen Zusammenarbeit mit Schlüsselakteuren, wie beispielsweise den Stadtwerken München und den städtischen Woh-nungsbaugesellschaften, ist es aus Sicht des Referat für Klima- und Umweltschutz möglich, den ambitionierten Zeitplan einzuhalten.
Frage 4:
Geht das RKU derzeit tatsächlich davon aus, bis 2035 400 Quartiere bearbeitet zu haben – insbesondere vor dem Hintergrund aktuell steigender Rohstoffpreise bei Bau und Sanierung sowie einem andauernden Fachkräftemangel?
Antwort:
Die Zahl von 400 Quartieren bis 2035 ist eine auf den kleinsten statistischen räumlichen Einheiten unterhalb der Stadtviertelebene abgeleitete Schätzung und sollte nur als eine grobe Orientierung verstanden werden. Faktisch werden sich die Quartiere aufgrund der Heterogenität der Gegebenheiten vor Ort in ihrer Größe und ihrem thematischen Zuschnitt unterscheiden. In den kommenden Jahren wird sich hier schrittweise ein genaueres Bild über die „optimale“ Zahl der jährlich und bis 2035 sinnvoll zu bearbeitender Quartieren ergeben.
Das Referat für Klima- und Umweltschutz geht davon aus, dass der Handlungsdruck aufgrund der voranschreitenden Klimakrise exponentiell ansteigen wird, da damit zu rechnen ist, dass auch die Bürger*innen der Landeshauptstadt München die Auswirkungen des Klimawandels mehr und mehr spüren werden. Des Weiteren geht das Referat für Klima- und Umweltschutz davon aus, dass aufgrund der steigenden Rohstoffpreise das Interesse an alternativen Energien und Energieeinsparungsmaßnahmen hoch ist und in der Bevölkerung weiter steigen wird. Dies zeichnet sich bereits heute ab, beispielsweise mit der gestiegenen Nachfrage bei den Beratungsangeboten und Veranstaltungen im Bauzentrum München jeweils in den Schwerpunkten Photovoltaik, Förderprogramme1 sowie effizienter Heiztechnik und Wärmepumpe. Dennoch wird der Fachkräftemangel2 und die Beschaffung von Baumaterialien und technischen Bauteilen ein großes Hemmnis darstellen und aus Sicht des Referats für Klima- und Umweltschutz zu Verzögerungen führen. Zudem haben nicht kalkulierbare essentielle Krisen, wie die der vergangenen drei Jahre gezeigt haben, dass die Verwaltung immer wieder spontan auf aktuelle Entwicklungen reagieren muss.
Frage 5:
War die Schaffung weiterer verwaltungsinterner Strukturen zur Bearbeitung des Quartiersansatzes tatsächlich notwendig?
Antwort:
Die Verwaltung hat für die Umsetzung des Quartiersansatzes, neben der neuen Geschäftsstelle Quartier im Referat für Klima- und Umweltschutz, vor allem bestehende gut funktionierende Arbeitsstrukturen ergänzt. Bei der Fülle der bereits jetzt im Referat für Klima- und Umweltschutz neu hinzu gekommenen Aufgaben und der zunehmenden Bedeutung des The-
mas Klimaschutz und Klimaanpassung ist die Einrichtung von lediglich zwei Vollzeitäquivalenten für den Quartiersansatz aus Sicht des Referats für Klima- und Umweltschutz angemessen.
Frage 6:
Wie wird sichergestellt, dass das „Große und Ganze“ angesichts einer Fokussierung auf die Quartiersebene nicht aus dem Auge verloren wird?
Antwort:
Das Referat für Klima- und Umweltschutz hat durch die Fortschreibung bzw. Weiterentwicklung der gesamtstädtischen Klimastrategie das Große und Ganze weiter im Blick. Es werden sowohl stadtweite Maßnahmen umgesetzt und Strategien verfolgt, als auch bedarfsorientiert und kleinräumig anwendbare Instrumente und Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Letzteres wurde auch vom Fachgutachter*innen-Team empfohlen3. Aus Sicht des Referat für Klima- und Umweltschutz ist nur die Kombination aus beidem zielführend, wobei die konsistente Verknüpfung und kommunikative Vermittlung der unterschiedlichen Handlungsebenen sicherlich auch eine gewisse Herausforderung darstellt.
Auf der gesamtstädtischen Ebene verankert sind beispielsweise der großräumige Ausbau der Infrastruktur des ÖPNV, verschiedene Förderprogramme4, die Organisation der Klimaschutzkampagne oder das auf die gesamtstädtischen Ziele ausgerichtete Treibhausgas-Monitoring. Der Quartiersansatz hingegen ist ein Instrument, um möglichst bedarfsorientiert, kosteneffizient und an die Lebensbedingungen vor Ort angepasst eine Transformation zu schaffen. Er ersetzt die anderen stadtweiten Maßnahmen und Bestrebungen nicht. Die Bedeutung der Quartiersebene wurde zuletzt auch vom Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung im Umweltgutachten von 2020 hervorgehoben.5
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
1 Förderprogramm klimaneutrale Gebäude (FKG), Förderprogramm klimaneutrale Antriebe (FKA), Förderprogramm für Begrünungsmaßnahmen „Grün in der Stadt“, sowie die Regel- und Projektförderung des RKU.
2 Siehe hierzu die Antwort auf die Anfrage: „Fachkräftemangel und Klimaschutz: aktuelle Planungen auf Sand gebaut?“ Anfrage Stadträte Manuel Pretzl und Sebastian Schall (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER)
3 Öko-Institut e.V., HIC Hamburg Institut Consulting GmbH, Intraplan Consult GmbH (2021): Maßnahmenplan Klimaneutralität München
4 Förderprogramm klimaneutrale Gebäude (FKG), Förderprogramm klimaneutrale Antriebe (FKA), Förderprogramm für Begrünungsmaßnahmen „Grün in der Stadt“, sowie die Regel- und Projektförderung des RKU.
5 https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/01_Umweltgutachten/2016_2020/2020_Umweltgutachten_Kap_07_Quartier.pdf;jsessionid=8450540A331D5BDCA62C7ED5E2553782.intranet242?__blob=publicationFile&v=2; aufgerufen am 08.09.2022