Verbesserung der Schuleingangsuntersuchung
Antrag Stadtrats-Mitglieder Beatrix Burkhardt, Alexandra Gaßmann, Ulrike Grimm, Veronika Mirlach, Rudolf Schabl und Dr. Hans Theiss, (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 29.4.2022
Antwort Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Sie beantragen, dass die Landeshauptstadt München ihre Schuleingangsuntersuchung verbessert. Dies beinhaltet:
1. Vollständige Besetzung der Stellen für die Schuleingangsuntersuchung, die aufgrund des Stellenmoratoriums nicht mehr vollumfänglich besetzt werden konnten.
2. Konzepte zur Prävention bzw. Therapie des Förder- und Therapiebedarfs, z.B. hinsichtlich Deutschkenntnissen, Zahlen- und Mengenverständnis, visuelle Wahrnehmung, Feinmotorik
3. Konzepte zur Verlaufskontrolle der Kinder, die in der Schuleingangsuntersuchung als auffällig klassifiziert wurden.
Der Inhalt des Antrages betrifft damit eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 29.4.2022 teilen wir Ihnen Folgendes mit:
In der Begründung Ihres Antrages auf Verbesserung der Schuleingangsuntersuchung in der Landeshauptstadt München (LHM) nehmen Sie Bezug auf unsere Beantwortung der Stadtratsanfrage Nr. 20-26/F 00431 vom 18.2.2022.
Sie bezeichnen die Antwort des Gesundheitsreferats (GSR) vom 30.3.2022 als erschreckend. Konkret beziehen Sie sich dabei zum einen auf den in der Gesundheitsuntersuchung aufgedeckten Förder- und Therapiebedarf der untersuchten Kinder, zum anderen auf die aktuelle Stellensituation im Sachgebiet. Laut Ihrem Antrag kann dieser Zustand nicht hingenommen werden und schreit nach neuen Konzepten und ausreichend Personal.
Das GSR möchte hierzu zunächst erneut grundsätzlich auf die reformierte Gesundheitsuntersuchung zur Einschulung/Schuleingangsuntersuchung (rSEU) eingehen.Das GSR war eines der ersten Gesundheitsämter in Bayern, das mit der Einführung der rSEU im Jahr 2019 begonnen hat. Ziel war und ist es, möglichst zeitnah alle Kinder in München mit dem neuen und deutlich verbesserten Entwicklungsscreening der rSEU untersuchen zu können. Mit der Einführung der rSEU in der LHM konnte eine deutliche Verbesserung der bisherigen Schuleingangsuntersuchung erreicht werden. Die Vorteile der reformierten Gesundheitsuntersuchung wurden dem Stadtrat in mehreren Beschlussvorlagen (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 15837, Nr. 14-20/V 14372, Nr. 08-14/V 13922) ausführlich dargelegt.
Wichtige Veränderungen bei der rSEU sind die zeitliche Vorverlegung der Untersuchung in das vorletzte Kindergartenjahr, die Standardisierung der Entwicklungstestung sowie die Erweiterung des Untersuchungsumfangs. So werden jetzt mit den Rechenvorläuferfähigkeiten und mit der visuellen Wahrnehmung weitere Bereiche der kindlichen Entwicklung untersucht. Durch die frühzeitige, umfassende und standardisierte Testung der Fähigkeiten, die zum Erlernen von Schreiben, Lesen und Rechnen notwendig sind, trägt die reformierte Gesundheitsuntersuchung dazu bei, dass Hinweise auf eine nicht-altersentsprechende Entwicklung der Kinder früher und häufiger festgestellt werden können. Die bisherige Schuleingangsuntersuchung ist somit bereits deutlich verbessert worden.
Der weitere Verbesserungsbedarf liegt daher beim weiteren Vorgehen nach der Untersuchung im GSR.
Zu den in Ihrem Antrag genannten Unterpunkten 1 bis 3 möchten wir Ihnen Folgendes mitteilen:
1. Aktuell befinden sich mehrere Ausschreibungs- und Stellenbesetzungsverfahren für die unbesetzten Stellen im Sachgebiet in der Umsetzung. Diese Verfahren beinhalten Stellen im Bereich der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegekräfte sowie Stellen für Fachärzt*innen für Kinder- und Jugendmedizin.
Trotz der Möglichkeit und der Priorisierung der Besetzung der vakanten Stellen muss jedoch damit gerechnet werden, dass nicht alle Stellen zeitnah besetzt werden können. Sowohl für Gesundheits- und Kinderkrankenpflegekräfte als auch für Fachärzt*innen der Kinder- und Jugendmedizin gibt es im ambulanten und stationären Bereich des Gesundheitswesens eine große Nachfrage nach qualifiziertem Fachpersonal. Die im Vergleich zum Versorgungsbereich schlechtere finanzielle Vergütung im öffentlichen Gesundheitsdienst wirkt sich besonders im ärztlichen Bereich bei der Gewinnung von Personal äußerst nachteilig aus und wird nur teilweise durch andere Vorteile der Beschäftigung bei der LHM aufgehoben.2. Die Gesundheitsuntersuchung zur Einschulung ist eine Screeninguntersuchung für alle Kinder. Ziel der Untersuchung ist es, gesundheitliche Beeinträchtigungen, chronische Erkrankungen oder Behinderungen und den daraus resultierenden Förder- bzw. Therapiebedarf eines Kindes zu erkennen. Des Weiteren soll festgestellt werden, ob eine altersentsprechende psychomotorische, sozio-emotionale und sprachliche Entwicklung besteht. Der Fokus liegt hierbei besonders auf den Kindern, die nicht oder nur unregelmäßig im ambulant versorgenden kinderärztlichen System angebunden sind oder keine Kindertageseinrichtung besuchen.
Wenn sich im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung Hinweise auf Verzögerungen oder Störungen der kindlichen Entwicklung ergeben, werden diese umfassend mit den Personensorgeberechtigten besprochen. Je nach Befund benötigen die Kinder und ihre Familien unterschiedliche Unterstützung.
Bei leichten Verzögerungen der kindlichen Entwicklung ist häufig eine spielerische Förderung einzelner Fähigkeiten ausreichend. Diese kann im situativen, alltäglichen Umfeld der Kinder, also innerhalb der Familie und in der Kindertageseinrichtung umgesetzt werden.
Um die Förderangebote der Kindertageseinrichtungen möglichst optimal für die einzelnen Kinder nutzen zu können, haben das Referat für Bildung und Sport (RBS) und das GSR ihre Zusammenarbeit seit Beginn der Einführung der rSEU im Jahr 2019 weiter intensiviert. Durch den früheren Untersuchungszeitpunkt hat der Austausch zwischen den pädagogischen Fachkräften in den Kindertageseinrichtungen und den medizinischen Fachkräften im GSR eine besondere Bedeutung. Es wurden hierfür durch das GSR in Zusammenarbeit mit dem RBS für die rSEU in München neue Frage- und Mitteilungsbögen konzipiert und eingeführt. Das pädagogische Fachpersonal der Kindertageseinrichtungen ist aufgerufen, gemeinsam mit den Eltern ihre wichtigen Beobachtungen aus dem Alltag des Kindes in der Kita und hier insbesondere in der Gruppensituation mit den Gleichaltrigen mit dem Gesundheitsreferat zu teilen. Dies geschieht nur im Einverständnis mit den Personensorgeberechtigten und trägt sehr zu einer noch umfassenderen Beratung im Rahmen der rSEU bei. Nach der Untersuchung im Gesundheitsreferat können ebenfalls im Einverständnis mit den Personensorgeberechtigten erhobene Förderbedarfe an die Kindertageseinrichtung zurückgemeldet werden. Diese empfohlene Förderung kann dann gezielt und sehr individuell durch das pädagogische Fachpersonal in den Kindertageseinrichtungen mit umgesetzt werden.Förderbedarfe im Bereich der Deutschen Sprache werden in der LHM im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung sehr häufig festgestellt. Um diesen Bedarfen gerecht zu werden, wurde 2002 der Vorkurs Deutsch als Kooperationsmodell zwischen Grundschule und Kindergarten zur Deutschförderung eingeführt. Zunächst war der Vorkurs Deutsch für Kinder mit Migrationshintergrund und geringen Deutschkenntnissen konzipiert. Seit 2014 werden im Vorkurs Deutsch auch Kinder ohne Migrationshintergrund und mit Deutsch als Erstsprache gefördert, wenn sie den entsprechenden sprachlichen Förderbedarf aufweisen.
Im Rahmen der Einführung der rSEU in Bayern wurden auch die gesetzlichen Grundlagen angepasst. Das Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz (GDVG) wurde im August 2020 dahingehend geändert, dass die Gesundheitsämter „nach Anhörung der Personensorgeberechtigten die Schulleitung der Schule, an der die Schulpflicht erfüllt wird oder voraussichtlich zu erfüllen ist, schriftlich unmittelbar nach der Sprachstandserhebung informieren, wenn der Besuch eines Vorkurses Deutsch notwendig ist“. Im neuen Gesundheitsdienstgesetz vom 10.5.2022 wurde dies übernommen (GDG Art. 12 Satz 2).
Ein bayernweit standardisiertes Verfahren für die Meldung der in der rSEU erhobenen Bedarfe für die Teilnahme am Vorkurs Deutsch an die zuständigen Schulen wird derzeit auf Landesebene entwickelt und soll zeitnah etabliert werden.
Die individuelle Beratung der Personensorgeberechtigten zu den Förderbedarfen ihres Kindes und zur Möglichkeit der Teilnahme am Vorkurs Deutsch findet bei der Untersuchung im GSR statt.
Zeigen sich in der Gesundheitsuntersuchung Befunde, die einen Therapiebedarf begründen, müssen diese in der Regel durch das ambulant versorgende Gesundheitssystem weiterführend abgeklärt werden. Hierfür sind die kinderärztlichen Praxen, Sozialpädiatrische Zentren oder Frühförderstellen zuständig.
Die Personensorgeberechtigten werden bei der Gesundheitsuntersuchung durch das Fachpersonal des GSR entsprechend informiert und beraten und gegebenenfalls bei der Kontaktaufnahme zu diesen Kooperationspartner*innen unterstützt.
Das GSR hat in der Regel keine Möglichkeit, sich über die Erziehungsberechtigten hinwegzusetzen und auf individuelle Förderkonzepte zu verpflichten. Dies entspräche auch nicht dem Sinn und Zweck und dem Selbstverständnis der rSEU. Die Meldung der im GSR erhobenen Befunde an die Kooperationspartner*innen erfolgt vielmehr über die Personensorgeberechtigten oder bei entsprechendem Einverständnis auch direkt telefonisch oder schriftlich durch das GSR.Dieses Vorgehen hat seine Grenzen bei Befunden, die Maßnahmen des Kinderschutzes erfordern, hier wird unmittelbar und direkt Kontakt mit dem zuständigen Jugendamt aufgenommen (nach GDG Art 11 und §4 Kinderschutzgesetz).
3. Im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung zur Einschulung werden Kinder nicht als „auffällig“ oder „unauffällig“ klassifiziert. Es erfolgt eine ganzheitliche Beurteilung der kindlichen Entwicklung.
Aufgrund des Entwicklungsstandes können sich aus der Untersuchung sehr unterschiedliche, individuelle Empfehlungen ergeben. Besteht der Bedarf für eine weitere diagnostische Abklärung von erhobenen Befunden, findet diese durch das ambulante kinderärztliche System statt. Die kinder-ärztlichen Praxen sind auch für die Verordnung und Verlaufskontrolle der benötigten Therapien nach dem Sozialgesetzbuch (SGB V) zuständig. Für die Umsetzung der Empfehlungen zu Förder- oder Therapiebedarfen sind in erster Linie die sorgeberechtigten Eltern zuständig. Einer der zahlreichen Vorteile der rSEU gegenüber der „alten“ Schuleingangsuntersuchung (SEU) besteht in der Option der Wiedervorstellung des Kindes im Jahr vor der Einschulung und damit einer Verlaufskontrolle. Bei entsprechender Indikation wird ein zweiter Termin vereinbart, bei dem der Gesundheitszustand, der Verlauf der kindlichen Entwicklung und die Umsetzung sowie der Nutzen der vereinbarten Förder- oder Therapiemaßnahmen reevaluiert werden. Wird eine Wiedervorstellung des Kindes im Jahr vor der Einschulung vereinbart, ist diese als Teil der rSEU verpflichtend. Dies geschieht beispielsweise immer in Fällen, bei denen nach der Erstuntersuchung eine Mitteilung an das Jugendamt erfolgt ist. Gegebenenfalls werden zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeiten einer Intensivierung der empfohlenen Maßnahmen mit den Eltern erörtert und mit den entsprechenden Kooperationspartner*innen wie Kindertageseinrichtungen, Kinderärzt*innen, Förder- oder Therapieeinrichtungen Kontakt aufgenommen. Für jeden Untersuchungszeitpunkt gilt: Ergeben sich bei der Untersuchung Hinweise, dass die Personensorgeberechtigten die medizinischen Bedarfe des Kindes nicht wahrnehmen können und sie Schwierigkeiten haben, notwendige Förder- oder Therapiemaßnahmen umzusetzen, kann das GSR im Sinne des Kinderschutzes weitere Schritte einleiten. Dies geschieht durch die Mitteilung einer Kindeswohlgefährdung oder eine kinder- und jugendärztliche Stellungnahme, in der die Bedarfe des Kindes an das zuständige Jugendamt gemeldet werden.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.