Fragen zu Genehmigung und Folgen von Aufstockungsmaßnahmen in Wohngebäuden
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Daniel Stanke, Markus Walbrunn und Iris Wassill (AfD) vom 10.5.2022
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 9.5.2022 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt:
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Zur Wohnraumschaffung werden in München Aufstockungen von Wohngebäuden genehmigt.
Hiervon sind in der Regel jedoch bewohnte Gebäude betroffen. Da derartige Baumaßnahmen Stahlstützen erfordern, die nachträglich durch alle Stockwerke nach oben mit Bohrmaßnahmen eingebaut werden müssen, können für die betroffenen Bewohner unzumutbare Zustände entstehen. An einem konkreten Beispiel wurde der AfD-Stadtratsgruppe aufgezeigt, dass die örtlichen Baumaßnahmen seit einem Jahr andauern und hierdurch mittlerweile drei Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss durch Aufgabe verschwunden sowie über die Hälfte der privaten Briefkästen zugeklebt sind,“ was Ihrer Aussage nach „auf ausgezogene Mieter hindeutet.“
Aufgrund der dargestellten Situation werden durch die AfD-Stadtratsgruppe folgende Fragen an das Referat für Stadtplanung und Bauordnung gestellt, die in Folge beantwortet werden.
Eingangs ist anzumerken, dass der Dachgeschossausbau und Aufstockungsmaßnahmen ganz allgemein ein sinnvolles Instrument der Innenentwicklung darstellen. Sie erlauben es, ohne nennenswerte zusätzliche Inanspruchnahme von Flächen bereits vorhandene Baurechtspotentiale zu nutzen.
Im Übrigen erfolgen derartige Maßnahmen in den allermeisten Fällen ohne maßgebliche Eingriffe in den Bestand. Im Regelfall wird im Vorfeld die statische Auslastung der tragenden Struktur untersucht und dann über die gewählte Konstruktionsweise entschieden, so dass Eingriffe in bestehende Wohnungen weitgehend reduziert werden können (ausgenommen von Verzügen der Versorgungsstränge).Zu den Fragen im Einzelnen:
Frage 1.1:
Wie viele Aufstockungen bewohnter Gebäude mit mehr als 10 Wohneinheiten wurden seit 2015 bis dato genehmigt?
Antwort:
Seit dem Jahr 2015 bis einschließlich 2021 wurden insgesamt 114 Aufstockungsmaßnahmen bei bestehenden Wohngebäuden mit mehr als 10 Wohneinheiten genehmigt. Bei Bestandsbaumaßnahmen werden zumeist verschiedene Einzelmaßnahmen (Aufstockung, Anbau, Umbau, Sanierung, Nutzungsänderungen, Dachgeschoss-Ausbau) kombiniert. Die Auswertung umfasst alle Maßnahmen, bei denen eine Aufstockung sowie teilweise weitere Maßnahmen genehmigt wurden.
Frage 1.2:
Wie viele Wohnungen/Wohnraum wurde bisher durch solche Maßnahmen geschaffen?
Antwort:
Die Anzahl der Baufertigstellungen von 2015 bis 2021 umfasst 100 Maßnahmen. Dabei ist die Auswertung nach Art der Baumaßnahme erst für Genehmigungen ab dem Jahr 2015 möglich. Der Aussagegehalt hinsichtlich der Fertigstellungen ist daher nur begrenzt. Durch die genannten Fertigstellungen wurden zusätzlich insgesamt rund 150 Wohnungen geschaffen (Stand 5.7.2022).
Frage 2.1:
Ist bekannt, welche Auswirkungen die Aufstockungsmaßnahmen auf den Bestand an privaten Mietern und gewerblichen Mietern hatten?
Antwort:
Bei Aufstockungsmaßnahmen im bewohnten Bestand ist in erster Linie der Bauherr für die möglichst verträgliche Umsetzung der Maßnahmen verantwortlich. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten bestimmen sich nach dem Mietrecht bzw. nach dem Wohnungseigentumsgesetz.
Gelegentlichen Beschwerden begegnet die Lokalbaukommission primär durch Kontaktaufnahme mit den Bauherrn. Ziel ist es, bei den Bauherrn feste Ansprechpartner vor Ort zu gewährleisten, damit Beschwerden, wie sie beim Bauen im Bestand nicht ausbleiben, sofort beim richtigen Adressaten ankommen. Dieses Vorgehen hat sich in der Vergangenheit bewährt.Zum Teil wurden für Bewohner*innen auch Jour Fixe Termine vor Ort eingerichtet. Oft fehlt es zu Beginn einer Maßnahme an der Kommunikation und Transparenz über Umfang und Dauer der Arbeiten. Nur in seltenen Fällen muss die Lokalbaukommission als Bauaufsichtsbehörde einschreiten und auf diesem Wege dafür sorgen, dass private Eigenverantwortung wahrgenommen wird.
Frage 3.1:
Wurden derartige Baumaßnahmen schon einmal abgelehnt oder werden grundsätzlich alle genehmigt?
Antwort:
Im Rahmen das Baugenehmigungsverfahrens werden die öffentlich-rechtlichen Belange entsprechend den Vorgaben des Baugesetzbuches sowie der Bayerischen Bauordnung geprüft. Hierbei wird sowohl das Planungs- als auch das Bauordnungsrecht berücksichtigt. Insofern kann es beispielsweise aufgrund von Vorgaben im Rahmen eines Bebauungsplanes oder aufgrund von bauordnungsrechtlichen Anforderungen (z.B. Abstandsflächenvorgaben) zu Änderungen oder auch zu Ablehnungen kommen. Ebenso wird bei der Beurteilung im Innenbereich das zulässige Maß der geplanten Aufstockung geprüft. Dies erfolgt immer einzelfallbezogen, so dass nur bei einem Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorgaben eine Ablehnung erfolgen kann. Häufig werden Baumaßnahmen, welche im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Belangen stehen, seitens der Antragsteller vor Ablehnung zurückgezogen oder erst nach entsprechender Änderungsplanung genehmigt.
Frage 3.2:
Aus welchen Gründen wurde abgelehnt, falls Ablehnungen vorkamen?
Antwort:
Siehe hierzu die Antwort zu Frage 3.1.
Frage 4.1:
Welche Möglichkeiten hat die LHM, die Interessen der privaten und gewerblichen Mieter mit den Interessen von Investoren zu vereinbaren und die Baumaßnahme mit zu gestalten?
Antwort:
Siehe hierzu Antwort zu Frage 2.1. Allenfalls kann die Lokalbaukommission entsprechend Art. 9 BayBO bei berechtigten Beschwerden von betroffenen Mieter*innen auf die ordnungsgemäße Führung von Baustellen hinwirken. Bei erkennbaren Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung kann die Lokalbaukommission im Rahmen der Verhältnismäßigkeit geeignete Maßnahmen ergreifen.
Frage 4.2:
Gibt es Beispiele, dass die LHM bei derartigen Vorhaben vermittelt oder eingegriffen hat?
Antwort:
Als Beispiel können Aufstockungsmaßnahmen einer Wohnsiedlung im Münchner Westen aufgeführt werden. Dort erfolgte im Vorfeld zusammen mit der Stadtplanung und der Lokalbaukommission eine intensive Beratung der Architekt*innen und Bauherr*innen. Bei den Beratungen wurden Modelle zur Veranschaulichung der geplanten Aufstockungen mit einbezogen. Bei den ersten Aufstockungen in diesem Umgriff gab es eine Bürger- sowie Mieterinformation in der Lokalbaukommission. Darüber hinaus erfolgte ein Vor-Ort Termin mit den Beteiligten.
Grundsätzlich empfiehlt die Lokalbaukommission bei Nachverdichtungsmaßnahmen im Bestand schon weit im Vorfeld des Genehmigungsverfahrens die Einbindung der Betroffenen Mieterinnen und Mieter durch den Bauherrn, größtmögliche Transparenz und Ansprechpartner vor Ort für allfällige Beschwerdelagen.