Versorgungssicherheit und Klimaschutz: Mit gutem Beispiel voran II: Dienstreisen per Flugzeug drastisch begrenzen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 13.5.2022
Antwort Personal- und Organisationsreferent Andreas Mickisch:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Sie beantragen die Distanz, unter welcher bei Dienstreisen auf Flüge verzichtet werden soll, auf 1.200 km zu erhöhen. Zudem soll jede Flugreise dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt werden. Der Inhalt des Antrags betrifft damit eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 13.5.2022 teile ich Ihnen Folgendes mit:
Der Klimaschutz ist als wichtige Aufgabe der Stadt München verankert. Das POR hat im Auftrag des OB im Dezember 2020 Regularien zur Reduzierung von Inlandsflügen erarbeitet und in den städtischen Reisekostenbestimmungen in WiLMA veröffentlicht. Demnach sollen Inlandsflüge grundsätzlich nicht genehmigt werden, es können jedoch im Einzelfall Ausnahmen zugelassen werden (z.B. wenn bei eintägigen Dienstreisen die einfache Reisezeit in öffentlichen Verkehrsmitteln im Fernverkehr mehr als 3 Stunden oder bei mehrtägigen Dienstreisen die einfache Reisezeit in öffentlichen Verkehrsmitteln im Fernverkehr mehr als 6 Stunden betragen würde; bei außergewöhnlichen Umständen, wie Streik oder gesundheitlichen Einschränkungen könnte ebenfalls geflogen werden).
Schon seit 2011 wird für alle dienstlich veranlassten Flüge der Stadtratsmitglieder und Verwaltungsmitarbeiter*innen zur CO2-Kompensation eine freiwillige Abgabe an die gemeinnützige GmbH „atmosfair“ geleistet.. Die atmosfair gGmbH fördert mit diesen Geldern Klimaschutzprojekte, hauptsächlich in Entwicklungsländern.
Der Einsatz moderner Telekommunikationsmittel und die zunehmende Digitalisierung der Verwaltung leisten darüber hinaus einen wachsenden Beitrag zur Reduzierung von Dienstreisen.
Vor diesem Hintergrund habe ich bereits unabhängig von Ihrem Antrag eine Überarbeitung und Anpassung der Richtlinien veranlasst und entschieden, die Distanz bis zu der bei Dienstreisen auf Flüge verzichtet wer-den soll, zu erhöhen. Die Anpassung wird im Laufe der nächsten Wochen erfolgen und entsprechend bekannt gegeben.
Das hierzu einbezogene RKU führt zur Thematik Folgendes aus:
„Eine feste Distanz, unter welcher bei Dienstreisen auf Flüge verzichtet werden soll, ist hier (Anmerkung POR: in den aktuellen städtischen Reiserichtlinien) nicht festgelegt und auch aufgrund der je nach Verkehrsinfrastruktur und geographischen Lage unterschiedlichen Erreichbarkeit von Zielen nur bedingt zweckmäßig zu handhaben. Aufgrund von rechtlichen Rahmenbedingungen sind andere Begrenzungsfaktoren wie die Reise-
dauer im Vergleich mit umweltverträglicheren Verkehrsmitteln anzulegen. Kurzstrecken- und (auch je nach Verkehrsanbindung) viele Mittelstrecken können sehr gut durch Bahn oder Bus ersetzt werden. Wenn man die gesamte Reisedauer von Innenstadt zu Innenstadt zugrunde legt, sind Bahn und Bus auch auf Mittelstrecken mit Flügen konkurrenzfähig, nicht nur im Inland sondern auch auf entsprechenden Strecken innerhalb Europas (1).. Bei Bahnreisen entspricht das normalerweise der reinen Fahrzeit, da sich die Bahnhöfe zumeist in der Nähe der Zentren befinden. Bei den Angaben zu den Flügen indessen addieren sich die Fahrten zwischen Stadtmitte und Flughafen, die Check-in-Dauer sowie die Zeit, die das Flugzeug tatsächlich in Bewegung ist zwischen dem Verlassen der einen und dem Erreichen der anderen Parkposition. Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeiten während der Zugfahrt zu arbeiten von der Deutschen Bahn deutlich ausgebaut wurden und auch die Reisezeit in der Bahn mittlerweile von einigen Unternehmen als Arbeitszeit anerkannt wird. (Anmerkung POR: Auch bei der LHM wird mobiles Arbeiten grundsätzlich als Arbeitszeit anerkannt). Insofern gibt es bei Reisen mit der Deutschen Bahn auch für den Arbeitgeber wirtschaftliche Vorteile gegenüber dem Flugzeug.
Betrachtung der klimatischen Auswirkungen
Seit dem Jahr 2012 werden die Flugreisen der LH München ausgewertet und die entstandenen CO2-Emisssionen über zertifizierte Klimaschutzprojekte der gemeinnützigen GmbH „atmosfair“ ausgeglichen. In der Bekanntgabe „München fliegt „atmosfair“ – Bericht 2020“ (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 04262) vom 9.11.2021 des Referats für Klima- und Umweltschutz wird für das Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 ein deutlicher Rückgang der Anzahl der Flüge von 88% und eine Reduktion der CO2-Emissionen um 92% festgehalten. Dieser Rückgang ist insbesondere durch die Corona-Pandemie und den darauffolgenden internationalen, nationalen sowie stadtinternen über die Dienstanweisung „DA Corona“ festgelegten Reise-Einschränkungen begründet. Ob die in 2020 festgelegten Bestimmungen zur Reduzierung von Inlandsflügen für alle städtischen Dienstkräftebereits Auswirkungen auf die Verringerung der Flüge hatten, kann somit nicht beurteilt werden.
An der Auswertung der Flugdaten nach Distanz am Beispiel des Jahres 2019 zeigt sich jedoch, dass insbesondere Langstreckenflüge (über 1.200 km) von ihrer Anzahl zwar nur 27% aller Flüge ausmachen, aber mit 72% den höchsten Anteil von den durch Flüge der LHM entstandenen CO2-Emissionen haben. Dies ist begründet durch die längeren zurückgelegten Strecken und untergeordnet auch durch andere Parameter (höhere Flughöhe, Flugzeugtyp, etc.). Die Flüge unter 600 km haben im Vergleich einen Anteil von 28% an der Anzahl der Flüge aber nur einen prozentualen Anteil von knapp über 7% an den in 2019 entstandenen CO2-Emissionen. Flüge zwischen 600 km – 1.199 km hatten im Jahr 2019 einen Anteil von 45% aller Flüge und einen Anteil von 21% an den verursachten CO₂-Emissionen.
Vor dem Hintergrund der aufgeführten Punkte empfiehlt das Referat für Klima- und Umweltschutz, angelehnt an die Leitlinien für umweltverträgliche Dienstreisen, die das Bundesumweltamt für sich erstellt hat (2), folgendes Vorgehen für Dienstreisen und zur Vermeidung von Flügen. Dieses setzt methodisch vor der Wahl des umweltverträglichsten Verkehrsmittels an:
- Bei allen Dienstreisegesuchen, insbesondere aber bei Fernreisen, sollte von den zur Genehmigung und Buchung beauftragten Dienststellen
sehr kritisch geprüft werden, ob die Dienstreise vermeidbar ist oder durch Kommunikationsmethoden wie Telefon oder Videokonferenzen
bzw. -zuschaltungen ersetzt werden kann.
- Wenn die Dienstreise nicht vermeidbar ist, sollte darauf geachtet werden, ob mehrere Dienstgeschäfte zu einer Dienstreise verknüpft und die Beteiligung auf möglichst wenig Personen beschränkt werden kann.
- Bei der Verkehrsmittelwahl sollten möglichst umweltverträgliche öffentliche Verkehrsmittel den Vorzug erhalten und Flugreisen soweit als möglich unter der Einhaltung rechtlicher Vorgaben vermieden werden. Bei unvermeidbaren Fernreisen mit dem Flugzeug sollten Direktflüge ohne zusätzliche Starts und Landungen gebucht werden. Auch für Anschlussverbindungen bei der Fernreise sollten Zug- oder Busverbindungen vor Flügen geprüft und priorisiert werden.
- Die bereits seit 2020 geltenden Bestimmungen zur Reduzierung von Inlandsflügen der LHM sollten entsprechend der rechtlichen Möglichkeiten auch auf Auslandsflüge erweitert/angepasst werden (im Sinne desKlimaschutzes sollte nicht zwischen Dienstreisen im Inland und Dienstreisen zu distanzmäßig vergleichbaren Zielen im Ausland wie z.B. Wien oder Zürich unterschieden werden) und bei der Ausnahmeregelung sollte entsprechend den Leitlinien des Umweltbundesamts die einfache Reisezeit von 3 auf mindestens 4 Stunden bzw. bei mehrtägigen Dienstreisen auf 8 Stunden festgelegt werden“.
Das Personal- und Organisationsreferat wird daher die städtischen Reisekostenbestimmungen entsprechend anpassen und erweitern sowie alle Dienststellen, die für die Genehmigung und Buchung von Reisen beauftragt sind, über die notwendige Einhaltung der Richtlinien informieren, damit zukünftig bei allen Dienstreisegesuchen auch Alternativen geprüft werden.
Ihrem Vorschlag, jede Flugreise dem Stadtrat zur Entscheidung vorzulegen, kann aus rechtlichen Gründen nicht gefolgt werden. Gemäß bayerischer Gemeindeordnung erledigt der Oberbürgermeister laufende Angelegenheiten in eigener Zuständigkeit. Bei der Genehmigung von Dienstreisen handelt es sich um laufende Angelegenheiten gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO, die für die LHM keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen und die auf die Referate und Dienststellen delegiert wurden. Die Genehmigung von Flugreisen durch den Stadtrat wäre neben der kommunalrechtlichen Problematik überdies in der Praxis aufgrund der Menge und der nur monatlichen Sitzungen des Stadtrates nicht vollziehbar.
(1)Vgl. https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/reise/zug-statt-flug-streckenvergleich-fuer-reisen-in-europa-e466165/, zuletzt abgerufen am 30.6.2022
(2) https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/dokumente/leitlinien_fuer_umweltvertraegliche_dienstreisen_im_umweltbundesamt_0.pdf, zuletzt abgerufen am 4.7.2022.