Die Daten des Bildungsmonitorings des Referats für Bildung und Sport (RBS) zeigen, dass auch in München ein enger Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungsergebnissen besteht. Ein zentraler Ansatz zur Entkoppelung von Bildungserfolg und sozialer Herkunft ist das städtische Modell der Bedarfsorientierten Budgetierung (BoB). Es stellt den Schulen pädagogische Ressourcen in Form von zusätzlichen Förder- und Unterrichtsstunden zur Verfügung.
Mit dem gestrigen einstimmigen Beschluss des Bildungsausschusses des Stadtrats soll die an zahlreichen städtischen Schulen bereits erfolgreich eingeführte Bedarfsorientierte Budgetierung nun ab dem Schuljahr 2023/24 auch auf die restlichen 51 städtischen beruflichen Schulen ausgeweitet werden. Zudem soll die bislang befristete Einführung an 22 anderen städtischen beruflichen Schulen ab dem Schuljahr 2024/25 verstetigt werden. In Summe werden für die Umsetzung der geplanten Maßnahmen 700 sogenannte Lehrerwochenstunden (LWStd) bewilligt, was umgerechnet insgesamt rund 29 neuen Lehrerstellen entspricht. Die vom Stadtrat dafür zur Verfügung gestellten Personalmittel erhöhen sich schrittweise von zunächst rund 0,5 Millionen Euro im Jahr 2023 auf bis zu 3,02 Millionen Euro für die Jahre 2025 bis 2027.
Im ersten Schritt sollen mit 350 Lehrerwochenstunden zunächst die restlichen 51 städtischen beruflichen Schulen mehr Möglichkeiten bekommen. Das Ziel ist, denjenigen Schüler*innen eine zusätzliche Förderung anzubieten, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen und sozialen Situation sowie Beeinträchtigungen in der persönlichen Entwicklung Unterstützung benötigen, um ihre berufliche Erstausbildung oder Weiterbildung abzuschließen. Mit der Entfristung weiterer 350 Lehrerwochenstunden soll der erworbene Standard an 22 anderen städtischen beruflichen Schulen dauerhaft gesichert werden. Maßnahmen wie individuelle Förderung, Prüfungsvorbereitung, Teamteaching und Klassenteilungen können fortgeführt werden und einen wichtigen Beitrag zur Handlungskompetenz der Schüler*innen leisten. Dabei erhalten nicht nur Schüler*innen mit hohem Förderbedarf Unterstützung. Gefördert werden auch Schüler*innen aus bildungsfernen Elternhäusern, die eine besondere Begabung aufweisen und damit die Voraussetzung haben, beispielsweise die Ausbildung zu verkürzen oder den Zugang zur Hochschule nach der Technikerausbildung zu erreichen.
Zusätzliche Mittel für „Junge Menschen raus aus der Pandemie“
Zudem hat die Corona-Pandemie in den vergangenen zwei Jahren bei vielen Schüler*innen zum Teil zu erheblichen kognitiven wie psychischen Defiziten geführt. Besonders einkommensschwache und bildungsferne Haushalte konnten die durch die Pandemie verursachten Belastungen nicht oder nur unzureichend kompensieren. An den beruflichen Schulen wird dies in den kommenden Jahren auch in Form von Lernrückständen sehr wahrscheinlich stark zu spüren sein.
Um hier aktiv gegenzusteuern und zu verhindern, dass sich vorhandene Bildungsungerechtigkeiten weiter verstärken, will der Stadtrat den beruflichen Schulen zusätzliche Sachmittel in Höhe von jährlich 300.000 Euro befristet bis einschließlich 2025 zur Verfügung stellen. Mit diesen Mitteln können die Schulen dann im Rahmen des Münchner Masterplans „Junge Menschen raus aus der Pandemie“ Angebote externer Träger*innen wahrnehmen, etwa für Trainings- und Fortbildungsangebote der Schüler*innen zur Steigerung der eigenen Resilienz und Stresskompetenz.
Start der Bedarfsorientierten Budgetierung 2012/2013
Die Bedarfsorientierte Budgetierung (BoB) wurde erstmals im Schuljahr 2012/13 an zwei städtischen Realschulen und zwei städtischen Gymnasien eingeführt. Im Schuljahr 2013/14 wurde die BoB dann unter anderem auf die städtischen Wirtschaftsschulen ausgeweitet und im Schuljahr 2016/17 dann an 12 besonders herausgeforderten städtischen Berufsschulen eingeführt. Ein halbes Jahr nach Einführung der BoB wurden die 12 Berufsschulen systematisch befragt und die durchgehend positive Einschät- zungen hinsichtlich Sprachkompetenz, mathematisch-naturwissenschaftlichem Wissen und Grundlagenwissen evaluiert. In der wissenschaftlichen Begleitung ist deutlich geworden, dass der Vorteil der BoB vor allem in der integrierten Förderung während der Berufsausbildung liegt. Insgesamt wurde dadurch die Wahrscheinlichkeit, die Ausbildung erfolgreich zu beenden, größer.
Der Stadtrat bewilligte deshalb auf Basis der Erkenntnisse für das Schuljahr 2019/20 die Ausweitung der Bedarfsorientierten Budgetierung auf 22 weitere ausgewählte städtische berufliche Schulen. Neben der Berücksichtigung anderer Schularten lag der Fokus auf Schulen, die eine große Heterogenität in den Fachklassen aufweisen. In solchen Fällen müssen im Unterricht beispielsweise die Vorkenntnisse von Mittelschüler*innen genauso berücksichtigt werden wie der Wissensstand von Studienabbrecher*innen.
Die Bedarfsorientierte Budgetierung hat darüber hinaus einen positiven Nebeneffekt bei der Gewinnung von Lehrkräften: Da es sich um ein städtisches Angebot außerhalb der staatlichen Regelungen handelt, bedarf es beim Einsatz von Lehrkräften keiner Genehmigung.
So können etwa Lehramtsstudierende Unterrichtserfahrungen sammeln und hierbei zugleich die besonderen Möglichkeiten an den städtischen Schulen kennen und schätzen lernen.
Bürgermeisterin Verena Dietl: „Die Bedarfsorientierte Budgetierung ist seit der Einführung im Jahr 2012 ein wichtiger Pfeiler unserer städtischen Bildungspolitik. Dieses Erfolgsmodell der Landeshauptstadt München wollen wir nicht nur konsequent fortsetzen, sondern ausweiten. Gerade die berufliche Bildung ist zudem eine zentrale Grundlage für die positive Entwicklung der Stadtgesellschaft und des Wirtschaftsstandorts München.“ Stadtschulrat Florian Kraus: Die Ausweitung der Bedarfsorientierten Budgetierung an den beruflichen Schulen trägt dazu bei, dem Zusammenhang von Bildungserfolg und sozialer Herkunft der Schüler*innen entgegenzuwirken und so einen Beitrag zur Erhöhung der Bildungsgerechtigkeit zu leisten. Sie ist dadurch auch ein wichtiger Baustein, um den negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie in der Bildungs- und Erwerbsbiografie junger Münchner*innen zu begegnen.“