AWM: Wöchentliche Papiertonnenleerung aufgrund zunehmender Menge von Kartonagen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Nicola Holtmann, Dirk Höpner und Hans-Peter Mehling (Fraktion ÖDP/FW) vom 22.3.2021
Antwort Kommunalreferentin Kristina Frank:
Mit Ihrem Antrag fordern Sie die Landeshauptstadt München, Kommunalreferat, Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) auf, die 1.100l und 770l Papiertonnen für Privathaushalte, die bisher alle 14 Tage geleert werden, künftig wöchentlich zu leeren. Außerdem bitten Sie um Prüfung, ob die 1.100l und 770l Papiertonnen für Privathaushalte in Gebieten mit bisher wöchentlicher Leerung künftig zweimal pro Woche geleert werden können.
Begründet wird der Antrag damit, dass der Online-Handel boome, nicht nur wegen der Corona-Krise, sondern auch aufgrund von Änderungen im Einkaufsverhalten. Bundesweit stiege im Jahr 2020 die Zahl der verschickten Pakete gegenüber 2019 um 13,4%. Das hieße, immer mehr Menschen würden im Internet bestellen und ließen sich die Sachen vor die eigene Haustüre liefern. Dies führe leider zwangsläufig zu einer erhöhten Anzahl an Kartonagen, welche dann in den Papiertonnen entsorgt werden müssten.
Daher hätten diese Tonnen ihre Kapazitätsgrenze oft schnell erreicht und wären regelmäßig nach ein paar Tagen voll, selbst wenn sich Hausbewohner_innen um eine vorschriftsmäßige Zerkleinerung bemühten. Aufgrund der überfüllten Papiertonnen würden viele Kartons neben die Behälter gestellt, welche dann für die AWM-Beschäftigten kaum mehr zugänglich wären. Dadurch entstünden starke Zeitverzögerungen bei der Leerung der Behälter.
Vor allem aber würde Papier und Karton, welches keinen Platz mehr findet, oft im Restmüll entsorgt, sei es durch Bewohner_innen oder durch Haus- meisterdienste. Schon im Jahr 2016 läge der Anteil von Papier und Pappe im Restmüll bei 10%. Würde Papier verbrannt, stände es nicht mehr zum Recycling zur Verfügung, es würde mehr Frischfaserpapier produziert, mit einem Mehrverbrauch an Energie und Wasser, von der Abholzung teilweise hochsensibler Urwälder oder extra zur Papierproduktion angelegter artenarmer Agroforste zu schweigen.Die Restmüllverbrennung koste den AWM und damit den Abfallgebührenzahler viel Geld, während mit dem Verkauf gesammelten Papiers Einnahmen erzielt würden. Daher sei Papier im Restmüll nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch schädlich. Zudem arbeite ohnehin das Münch- ner Müllheizkraftwerk seit einigen Jahren an der Kapazitätsgrenze, weshalb Gewerbemüll aus dem Münchner Raum öfter exportiert würde, mit fragwürdigen Verwertungsaussichten.
Ein Großteil des Münchner Papiers würde über einen kleinen Teil des Tonnenbestandes, die 1.100l und 770l Papiertonnen in den Wohnanlagen, eingesammelt. Der logistische Mehraufwand für die Verdoppelung der Leerungsfrequenz nur dieser Großbehälter dürfe bei weniger als einem Viertel des zusätzlichen Aufwands für eine Verdoppelung der Leerungsfrequenz aller Tonnen liegen, während zugleich ein Vielfaches an Volumen gegenüber den 120l und 240l Tonnen abgeschöpft würde. Somit sei es wohl die wirtschaftlichste Lösung, nur deren Leerungsfrequenz zu erhöhen.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch ein „laufendes“ Geschäft, dessen Besorgung nach Art. 88 Abs. 3 Satz 1 GO i.V.m. der Betriebssatzung des AWM der Werkleitung obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich, da die Entscheidung, in welchen Zyklen die Papiertonnen geleert werden, zu den laufenden Angelegenheiten des AWM gehört.
Zunächst möchte ich mich für die gewährte(n) Fristverlängerung(en) bedanken. Zu Ihrem Antrag vom 22.3.2021 teile ich Ihnen Folgendes mit:
1. Sachlage
Aktuell wird Altpapier gemäß Hausmüllentsorgungssatzung 14-tägig geleert. Diese Festlegung basiert auf dem Mengenverhältnis zwischen Restmüll, Altpapier und Bioabfall, welches in München durchaus im Bundesschnitt liegt. Die Münchner Bürger_innen produzierten im Jahr 2020 (neben Restmüll und Bioabfall) ca. 53 kg Altpapier je Einwohner_in (2008 = 78 kg/EW Altpapier).
Um diese Menge an Altpapier abzuholen, stellt der AWM aktuell ca. 144.600 Behälter bereit, ca. 8,05% davon werden wöchentlich geleert, der überwiegende Rest 14-tägig. Das insgesamt geleerte Behältervolumen beträgt aktuell monatlich ca. 131.500 m³ mit einer Sammelmenge von jährlich ca. 74.960 t. Im Vergleich dazu hatte der AWM im Jahr 2008 (demJahr mit der höchsten Sammelmenge an Altpapier in der Historie) eine Sammelmenge von ca. 99.000 t bei einem (rechnerischen) wöchentlichen Leerungsvolumen von ca. 24.200 m³. In 2020 betrug die Sammeleffektivität ca. 47,5 kg/m³ im Vergleich zu 2008 mit ca. 78,4 kg/m³ – sie ist also um 39% gesunken. Das bedeutet kurz gesagt, dass sich mehr Luft in der Tonne befindet.
Die Zuverlässigkeit der Altpapiererfassung ist nach wie vor sehr stabil. Im Jahr 2020 sind nahezu keine der geplanten Altpapier-Sammelpartien ausgefallen. Eine unter bestimmten Umständen eingetretene seltene Verzögerung einer Leerung beträgt im Mittel weniger als 2 Tage.
Der AWM hat auch die Menge an Altpapier im Bringsystem auf den Wertstoffhöfen verglichen:
Im Jahr 2008 wurden auf den zwölf Wertstoffhöfen ca. 7.500 t Altpapier abgegeben; im Jahr 2020 waren es in etwa 7.180 t.
Analysen und Stichproben im Restmüll haben keine signifikante Veränderung des Mengenanteils von Altpapier im Restmüll ergeben. Dieser Anteil liegt seit Jahren konstant bei rund 10% und ist damit im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten mit vergleichbarer Struktur eher unauffällig.
2. Mögliche Konsequenzen
Gerne zeigen wir im Folgenden auf, welche ökonomischen und ökologischen Folgen mit der beantragten Verkürzung der Leerungszyklen einher gehen würden und nutzen dafür ein Beispiel anhand einer Partie mit 14-tägigem Leerungszyklus:
14-tägige Leerung verteilt auf gerade und ungerade Wochen
- zu leerende Papiertonnen 120l:1325 STK,
- zu leerende Papiertonnen 240l: 292 STK,
- zu leerende Papiertonnen 770l: 30 STK und
- zu leerende Papiertonnen 1.100l: 60 STK.
Im Mittel sammelt der AWM in dieser Beispielpartie 14.400 kg aus 324 m³ Behältervolumen, dies entspricht 44,4 kg/m³ (Gesamtmittel im AWM, siehe oben, 47,5 kg/m³).
Bei Verkürzung des Zyklus auf ein Mal wöchentlich würde sich in diesem Beispiel ein Mehraufwand von 2,4 Arbeitstagen in 26 Wochen, das hieße, 62,4 Arbeitstage (mit 3 Mitarbeiter_innen) im Jahr, ergeben.Um bei allen heute 14-tägig gefahrenen Altpapier-Sammelpartien den Zyklus auf eine wöchentliche Leerung zu verkürzen, ohne das bereitstehende Behältervolumen zu reduzieren, würde stadtweit einen Mehraufwand von ca. 15 - 20 zusätzlichen Partien (Fahrzeugbesetzung mit jeweils 3 Mitarbeiter_innen) bedeuten. Diese Fahrzeuge müssten zusätzlich beschafft, die zusätzlichen Mitarbeiter_innen angeworben, eingestellt und entlohnt werden. Eine Partie verursacht im Schnitt Kosten in Höhe von ca. 440.000 Euro jährlich. Das würde einen jährlichen Mehraufwand von 6,6 bis 8,8 Millionen Euro ergeben.
Darin sind noch nicht Infrastrukturkosten für weitere Fahrzeugstellplätze und Sozialräume für die neuen Mitarbeiter_innen enthalten.
Der AWM muss jedoch davon ausgehen, dass trotz eines wöchentlichen Leerungszyklus keine proportionale Erhöhung der Menge erfolgen würde, da sich vermutlich das Konsumverhalten der Bürger_innen durch die Möglichkeit, mehr Papier und Kartonagen zu entsorgen, nicht erhöhen, der Wille zu einer ordnungsgemäßen Zerkleinerung der Kartonagen aber reduzieren würde.
Folglich ergäbe sich eine ungerechtfertigte Erhöhung der Straßen- und Umweltbelastung (Verkehr und CO2-Emissionen), sowie ein enormer Anstieg der Sammelkosten, die sich auf die Gebührenbelastung der Bürger_innen erheblich auswirken würde. Dies ist aufgrund der derzeitigen Gebührenlage aus unserer Sicht nicht darstellbar.
Die von Ihnen beschriebene Thematik der Überfüllung von Papiertonnen resultiert vermutlich aus dem Nutzungsverhalten der Bürger_innen. Beobachtungen aus der täglichen Praxis zeigen auf, dass sich Überfüllungen der Papiertonnen aus der nicht bewussten Nutzung dieser ergeben. Die hauptsächlichen Ursachen der aktuellen Tonnenüberfüllungen sind die Entsorgung von unzerkleinerten Kartons sowie von sperrigem Verpackungs- und Versandmaterial. Dadurch wird unnötig Volumen belegt und die Kapazitäten für weiteren Papier-Kartonmüll extrem geschmälert. Folglich kann das den Bürger_innen zur Verfügung gestellte Tonnenvolumen nicht optimal genutzt werden.
Statt einer verkehrs- und umweltbelastenden Verkürzung der Leerungszyklen sehen wir eine Bewusstseinsstärkung und Sensibilisierung der Bürger_innen im Umgang mit der Entsorgung von Kartons und mit lokalem Einkaufsverhalten im Vordergrund.Der AWM hat hierzu eine Kampagne ins Leben gerufen. Es werden sukzessive von unseren Mitarbeiter_innen Aufkleber mit der Botschaft: „Kartons bitte zerkleinern! Für mehr Platz in der Tonne“ auf den Papiertonnen angebracht. Des Weiteren werden an die Münchner Hausverwaltungen bzw. Wohnungseigentümergesellschaften Poster mit der Botschaft: „Auch die größten Kartons passen in die Tonne“ zur Verteilung in deren zu betreuenden Liegenschaften versandt.
Zudem bieten wir einen neuen kostenpflichtigen Standplatzservice für Hausverwaltungen an, der Altpapier und Kartonagen zerkleinert, sodass das Volumen der blauen Tonne optimal genutzt werden kann.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.