Online-Fachtag zu intergeschlechtlich geborenen Kindern Archiv
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Rathaus Umschau 201 / 2022, veröffentlicht am 20.10.2022
Das Gesundheitsreferat der Stadt München veranstaltet mit dem Sozialreferat, der Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ* und der Gleichstellungsstelle für Frauen am Donnerstag, 27. Oktober, einen Online-Fachtag mit dem Titel „Schutz des Kindeswohls und der körperlichen Unversehrtheit von intergeschlechtlich geborenen Kindern“. Ziel ist es, Fachkräfte über die medizinischen und rechtlichen Fragen von Intergeschlechtlichkeit zu informieren und Fachberatungsstellen, Betroffenen-Organisationen und medizinische Fachkräfte zu vernetzen. Beginn ist um 9 Uhr, das Ende für 15 Uhr vorgesehen. Für Teilnehmer*innen ist eine Anmeldung erforderlich. Diese wird bis 25. Oktober erbeten per E-Mail an fachstellen.gsr@muenchen.de.
Im Rahmen des Online-Fachtags werden drei Vorträge mit anschließender Diskussion angeboten: Prof. Dr. Claudia Lohrenscheit, Professorin für Internationale Soziale Arbeit und Menschenrechte an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg, spricht zum Thema „Menschen- und kinderrechtliche Aspekte beim Umgang mit intergeschlechtlich geborenen Kindern im Gesundheitswesen“. Lucie Veith vom Verein Intergeschlechtliche Menschen e.V. Hamburg hält einen Vortrag mit dem Titel „Input: Lebenswirklichkeiten und Bedürfnisse von betroffenen Familien, Beratungslandschaft in Deutschland“. Der Beitrag von Prof. Dr. Heinrich Schmidt vom Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU München trägt den Titel „Varianten der Geschlechtsentwicklung: Vorgehen“.
Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek: „Ich freue mich, dass wir mit einem Fachtag das Thema Intergeschlechtlichkeit bei Kindern in den Fokus rücken können – und dass dabei auch Betroffene zu Wort kommen. Intergeschlechtliche Kinder leben in einer Welt, in der sie häufig auf Unwissenheit und binäre Geschlechtsnormen treffen. Es ist unsere Aufgabe, diese Kinder zu schützen. Dafür setzen wir uns mit den Strukturen und Bedingungen auseinander, die Leid und Diskriminierung der Kinder und ihrer Familien befördern. Medizinisch nicht indizierte Operationen und/oder medizinische Behandlungen wurden aufgrund der traumatisierenden Effekte für die Betroffenen von der Bundesärztekammer und den Selbstvertretungsorganisationen intergeschlechtlicher Menschen zu recht kritisiert.“
Sozialreferentin Dorothee Schiwy: „Mit dem im März 2021 vom Bundestag verabschiedeten ,Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung‘ wird das Selbstbestimmungsrecht der Kinder gestärkt und der Schutz von Kindern von einer außen gesteuerten Geschlechtszuweisung verhindert. Wichtig an dieser Stelle ist der intensive Austausch und die Auseinandersetzung des Fachpersonals mit dem
Thema, um im Einzelfall adäquat reagieren und unterstützen zu können. Deswegen freue ich mich, gemeinsam mit dem Gesundheitsreferat, der Gleichstellungsstelle für Frauen und der Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ* den Fachtag zu intergeschlechtlich geborenen Kindern anbieten zu können. Die fachliche Auseinandersetzung der Thematik aller Interessierten, den betroffenen Fachstellen sowie zuständigen Jugendamtskolleg*innen und Sozialbürgerhauskolleg*innen legt den Grundstein zur weiteren Vernetzung und Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen und sichert somit eine fachliche Expertise und Begleitung der Familien zum Schutz der Kinder.“
Nicole Lassal, Gleichstellungsbeauftrage der Stadt München: „Der Fachtag zum Schutz intergeschlechtlicher Kinder ist eine Maßnahme aus dem Aktionsplan der Stadt München gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Dieser fachliche Austausch ist wichtig, um langfristig in München Strukturen und Bedingungen zu schaffen, damit intergeschlechtliche Kinder und ihre Familien gut geschützt und begleitet werden.
Andreas Unterforsthuber, Leiter der Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ*: „Die Frage, wie es um den Schutz und die Lebensbedingungen von intergeschlechtlichen Menschen bestellt ist, ist eine Frage, wie wir es mit den Menschenrechten in unserer Gesellschaft halten. Es ist an der Zeit und dringend erforderlich, sich diesem Thema zu stellen. Wir freuen uns daher, mit diesem Fachtag einen Schritt voranzukommen zur besseren Beachtung der Bedarfe und zum Schutz von intergeschlechtlichen Kindern.“
Zum Thema Intergeschlechtlichkeit
Der Begriff Intergeschlechtlichkeit bezeichnet biologische Besonderheiten bei der Geschlechtsentwicklung. Intergeschlechtlichkeit zeigt sich zum Teil nach der Geburt durch körperliche oder hormonelle Merkmale, welche nicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können, zum Teil erst später im Laufe der Identitätsentwicklung. Wissenschaftliche Schätzungen gehen von 0,05 bis 1,7 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Mit dem im März 2021 vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zum Schutz von Kindern mit Variationen der Geschlechtsentwicklung ist ein großer Teil, allerdings nicht alle, Operationen an intergeschlechtlichen Kindern gesetzlich verboten. Intergeschlechtlich geborene Kinder wurden bis zur Gesetzesänderung häufig bereits kurz nach der Geburt oder im Kindesalter medizinischen Behandlungen unterzogen, die ihre Körper chirurgisch und/ oder hormonell an eine weibliche oder männliche Norm anpassen sol- len. Gründe für diese Eingriffe, die oft ohne Einwilligung der Betroffenen geschahen, waren, dass der von der weiblichen oder männlichen Norm abweichende Körper als körperliche Störung oder Krankheit verstanden wurde.
Die Trans*inter*Beratungsstelle unterstützt in München trans*- und inter*-Menschen sowie deren Angehörige und Freund*innen. Kontakt: Trans*Inter*Beratungsstelle, Lindwurmstraße 71, Telefon 54333-130
Achtung Redaktionen: Der 2. Aktionsplan der Stadt München zum Schwerpunkt Geschlechtsspezifische Gewalt (2022-2024) ist unter https://stadt.muenchen.de/dam/jcr:0a3ef8a1-7326-4c79-aaa2-a6ce0536a2c4/2-Aktionsplan_barrierefrei.pdf abrufbar.