Wie viele Grundstücke des Freistaats Bayern werden durch dauerhaften Leerstand zweckentfremdet?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Professor Dr. Jörg Hoffmann, Gabriele Neff, Richard Progl und Fritz Roth (FDP BAYERNPARTEI Stadtratsfraktion) vom 8.6.2022
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 9.6.2022 führen Sie Folgendes aus:
„Im Artikel ‚Als ob Wohnungsnot für die CSU ein Fremdwort wäre‘ der Süddeutschen Zeitung vom 30. Mai 2022 wird beschrieben, wie der Freistaat in der Landeshauptstadt mehrere bebaute Grundstücke unterhält, welche allerdings ungenutzt sind. Die betroffenen Immobilien seien bereits seit Jahren von Leerstand betroffen.“
Zu Ihrer Anfrage vom 9.6.2022 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters wie folgt Stellung:
Bevor ich im Einzelnen auf Ihre Fragen eingehe, möchte ich gerne die folgenden grundsätzlichen Informationen voranstellen und mich für die gewährte Fristverlängerung bis 30.11.2022 bedanken.
Für den Vollzug der Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) ist gemäß § 2 Abs. 1 ZeS das Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration zuständig.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZeS wird Wohnraum zweckentfremdet, wenn dieser länger als drei Monate leer steht.
Eine Zweckentfremdung liegt jedoch nicht vor, wenn der jeweilige Wohnraum aus einem rechtlich anerkennungswürdigen Grund leer steht. In diesen Fällen ist der Leerstand zweckentfremdungsrechtlich gerechtfertigt.
Ein solcher (den Leerstand rechtfertigender) Grund kann beispielsweise gegeben sein, wenn der betreffende Wohnraum nachweislich zügig umgebaut, Instand gesetzt oder modernisiert wird oder alsbald veräußert werden soll und deshalb vorübergehend unbewohnbar ist oder leer steht (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 2 ZeS). Auch andere Gründe können im Einzelfall einen länger als drei Monate andauernden Leerstand zweckentfremdungsrechtlich rechtfertigen.Das Sozialreferat leitet in Bezug auf jeden bekannt gewordenen Verdacht leerstehenden Wohnraums ein Verwaltungsverfahren ein und wirkt im Rahmen dessen ggf. mit verwaltungsrechtlichen Instrumenten auf eine zügige (Wieder-)Nutzung der entsprechenden Räume zu Wohnzwecken hin.
Im Folgenden beantworte ich die gestellten Fragen:
Frage 1:
Wie viele Grundstücke des Freistaats Bayern, die dauerhaft leer stehen, sind der Stadtverwaltung bekannt?
Antwort:
Beim für den Vollzug des Zweckentfremdungsrechts zuständigen Sozialreferat sind am Stichtag 20.9.2022 in Bezug auf insgesamt 33 Immobilien, die sich im Eigentum des Freistaates Bayern befinden und bei denen Hinweise auf seit längerer Zeit leer stehenden Wohnraum vorliegen, Verwaltungsverfahren anhängig.
Enthalten sein können hierbei auch Grundstücke, auf denen sich mehrere Gebäude mit verschiedenen Hausnummern befinden.
Zusätzlich gibt es noch bebaubare Freiflächen und Leerstände, die nicht dem Zweckentfremdungsrecht unterliegen.
Frage 2:
Wie lange stehen die Grundstücke unter 1. im Durchschnitt frei?
Antwort:
Die Zuständigkeit des Sozialreferats für den Vollzug des Zweckentfrremdungsrechts ist nur gegeben, sofern Wohnraum betroffen ist.
Im Falle von Grundstücken, bei denen diese Voraussetzung nicht vorliegt (wie z.B. bei unbebauten Grundstücken oder bei Grundstücken mit ausschließlich gewerblich genutzten Räumen) ist ein Einschreiten des Sozialreferats nicht möglich.
Nach den dem Sozialreferat bislang zur Verfügung stehenden Informationen steht der betroffene Wohnraum seit geraumer Zeit leer (länger als die wie oben ausgeführt zweckentfremdungsrechtlich unbeachtlichen drei Monate).
Im Zuge der eingeleiteten Verwaltungsverfahren trat das Sozialreferat schriftlich an die zuständige Immobilienverwaltung des Freistaats Bayern heran, um in jedem einzelnen Sachverhalt die genauen Umstände des jeweiligen Leerstands zu ermitteln.Diese Sachverhaltsermittlung ist zum Zeitpunkt der Fertigung dieses Schreibens noch nicht vollumfänglich abgeschlossen.
Es kann aufgrund dessen keine belastbare Aussage zur genauen durchschnittlichen Dauer der Wohnraumleerstände getroffen werden.
Frage 3:
Ist bekannt, warum diese Grundstücke nicht genutzt werden? Wenn ja, warum?
Antwort:
Im Rahmen der eingeleiteten zweckentfremdungsrechtlichen Verwaltungsverfahren wurde gegenüber dem Sozialreferat angegeben, dass die Immobilien aus unterschiedlichen Gründen leer stehen. So befänden sich einige der betreffenden Immobilien in einem schlechten baulichen Zustand, der die Aufnahme einer zeitnahen Wohnnutzung verhindere. Diese Objekte sollen den Angaben der Immobilien Freistaat Bayern zufolge abgebrochen werden, andere Immobilien sollen den Angaben nach veräußert werden.
In Bezug auf ein konkretes Grundstück, welches sich im Eigentum des Freistaats Bayern befindet, ist zudem ein Grundstückstausch mit einem städtischen Grundstück geplant.
Das zuständige Kommunalreferat teilte hierzu mit:
„Der Freistaat Bayern benötigt im Bereich der Messestadt Riem dringend ein Grundstück zur Errichtung einer neuen Polizeiinspektion. Zu diesem Zweck würde das städt. Grundstück Flst. 1408/404 Gemarkung Trudering im Rahmen des Bebauungsplans Nr. 1728d, Teil 2 (rechtsverbindlich seit 19.6.2020) als ‚Gemeinbedarf Polizei‘ festgesetzt. Nachdem das Kommunalreferat vom Stadtrat angehalten ist, städtische Grundstücke nur noch im Rahmen eines Tausches abzugeben, wurde dem Freistaat Bayern ein staatseigenes Grundstück am Bertha-von-Suttner-Weg (Flst. 697/6 der Gemarkung Obermenzing) als Tauschfläche vorgeschlagen. Aktuell steht eine Rückäußerung des Freistaates zu den Konditionen des Tauschvertrages aus.“
Frage 4:
In welcher Weise geht das Kommunalreferat gegen diese Art der Zweckentfremdung durch den Freistaat vor?
Antwort:
Das für den Vollzug des Zweckentfremdungsrechts zuständige Sozialreferat leitete wie zuvor ausgeführt – und wie bei jedem Verdacht auf einemögliche Zweckentfremdung – Verwaltungsverfahren ein, um die genauen Umstände des jeweiligen einzelnen Leerstands zu ermitteln. Sollten die Ermittlungen ergeben, dass es sich tatsächlich um eine Zweckentfremdung handelt, leitet das Sozialreferat gegebenenfalls verwaltungsrechtliche Schritte zur Wiederbelegung des betroffenen Wohnraums zu Wohnzwecken ein.
Exemplarisch wurden und werden zwischen dem Freistaat Bayern und der Landeshauptstadt München im Bereich Hartmannshofen bauplanungsrechtliche Fragen geprüft, da der Freistaat Bayern im Rahmen einer geplanten Gesamtlösung zur Nutzung der entsprechenden Grundstücke eine Befreiung vom maßgeblichen Bebauungsplan anstrebte.
Solange entsprechende Erörterungen mit dem zuständigen Referat für Stadtplanung und Bauordnung andauerten, waren oder sind Leerstände von Wohnraum als gerechtfertigt im Sinne der zweckentfremdungsrechtlichen Bestimmungen zu betrachten.
Selbstverständlich befindet sich das Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration, in kontinuierlichem Austausch mit dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung.
Frage 5:
Gelten für den Freistaat Bayern bei der Verfolgung von Zweckentfremdung andere Maßstäbe als für private Hauseigentümer?
Antwort:
Für den Freistaat Bayern gelten bei der Verfolgung von Zweckentfremdung keine anderen Maßstäbe als für private Immobilieneigentümer*innen.
Das Sozialreferat ist – wie die gesamte öffentliche Verwaltung – an den rechtsstaatlich verbrieften Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden. Aus diesem Grund ist es für die Einleitung eines zweckentfremdungsrechtlichen Verwaltungsverfahrens unerheblich, wer Eigentümer*in des betreffenden Wohnraums ist.
Wie im Falle jeder*jedes anderen Eigentümer*in prüft und würdigt das Sozialreferat auch bei sich im Eigentum des Freistaats Bayern stehenden Wohnraum im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens den jeweils individuellen Sachverhalt.