Zwölfter Marktbericht Pflege dem Stadtrat vorgestellt Archiv
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Rathaus Umschau 201 / 2022, veröffentlicht am 20.10.2022
Das Sozialreferat hat in der heutigen Sitzung des Sozialausschusses dem Stadtrat den „Zwölften Marktbericht Pflege“ vorgestellt. Der Bericht beinhaltet die Ergebnisse der diesjährigen Datenerhebung bei allen 84 Münchner voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen. Laut Berechnungen des Sozialreferats sind die Kosten für einen Platz in einer vollstationären Pflegeeinrichtung, die die Bewohner*innen selbst bezahlen müssen, wieder gestiegen. So betrug dieser Eigenanteil im Einzelzimmer im Dezember 2021 im Median rund 2.909 Euro pro Monat. Im Dezember 2020 lag der Eigenanteil im Einzelzimmer noch bei rund 2.804 Euro pro Monat. Das entspricht einer Steigerung von rund 3,7 Prozent in einem Jahr. Ein Teil des Eigenanteils ist der so genannte pflegebedingte Aufwand. Dieser hat sich von 2020 bis 2021 im Median um rund 86 Euro pro Monat erhöht (2021: 1.422 Euro, 2020: 1.336 Euro, Steigerung um rund 6,4 Prozent).
Bürgermeisterin Verena Dietl: „Die finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen durch die Eigenanteile in den vollstationären Pflegeeinrichtungen ist nach wie vor sehr hoch und wird weiter anwachsen. Steigende Energiekosten und die verpflichtende Tarifbezahlung in der Altenpflege, die nur teilweise durch Mittel aus der Pflegekasse finanziert wird, lassen die Eigenanteile der Pflegebedürftigen zusätzlich ansteigen. Die letzte Gesetzesänderung zur Senkung der Eigenanteile in der vollstationären Pflege brachte nur marginale Verbesserungen, zum Beispiel den Zuschlag der Pflegekasse von fünf Prozent zum pflegebedingten Aufwand im ersten Jahr des Aufenthalts in einer vollstationären Pflegeeinrichtung. Immer mehr Bewohner*innen in den vollstationären Pflegeeinrichtungen werden so künftig auf Sozialhilfe angewiesen sein. Im Jahr 2021 lag der Anteil der Betroffenen, die zur Finanzierung eines Platzes in einer vollstationären Pflegeeinrichtung auf Sozialhilfe angewiesen waren, bereits bei 36,5 Prozent. Pflege wird so immer mehr zum Armutsrisiko. Das muss auf Bundesebene endlich verändert werden. Wir brauchen eine echte Senkung der Eigenanteile in der Pflege und mittelfristig einen Wechsel zu einer Pflegevollversicherung mit gedeckelter Eigenbeteiligung.“
Die Anzahl der vollstationären Pflegeplätze in der Landeshauptstadt München lag zum Stichtag 15.12.2021 bei 7.966 Plätzen, das heißt auf einem fast konstanten Niveau wie in den letzten vier Jahren bei etwa 8.000 Plätzen. Trotz der Corona-Pandemie wurde für diesen Stichtag eine hohe Auslastungsquote von 96,3 Prozent festgestellt.
Laut den Erhebungen des Sozialreferats steigerte sich die Anzahl der festen, im Voraus buchbaren Kurzzeitpflegeplätze in München auf 85 Plätze am 15.12.2021 (2020: 83 feste, im Voraus buchbare Kurzzeitpflegeplätze). Trotz der Corona-Pandemie wurden diese Plätze nachgefragt. Die Belegungsquote betrug rund 77,6 Prozent. Der Schwerpunkt der Kurzzeitpflege lag nach wie vor auf den so genannten eingestreuten Kurzzeitpflegeplätzen, die in 55 der 58 Münchner vollstationären Pflegeeinrichtungen kurzfristig nach Verfügbarkeit angeboten wurden.
Die Anzahl der Plätze in der Tagespflege stieg weiter an: Am Stichtag 15.12.2021 boten die 22 Tagespflegeeinrichtungen 431 Tagespflegeplätze an, im Vergleich zum Vorjahr betrug der Anstieg somit 15,2 Prozent (15.12.2020: 374 Tagespflegeplätze). Für den künftigen Stichtag 15.12.2022 geht das Sozialreferat aufgrund der kontinuierlichen Marktbeobachtung von einem weiteren Anwachsen auf 23 Tagespflegeeinrichtungen mit 465 Tagespflegeplätzen aus.
Sozialreferentin Dorothee Schiwy: „Es freut mich außerordentlich, dass das wichtige Angebot der Tagespflege kontinuierlich ausgebaut wird. Dieses Angebot kann Pflegebedürftigen ermöglichen, in Gemeinschaft tagesstrukturierende, zielgerichtete Pflege und Versorgung zu erfahren, und Angehörige und weitere Bezugspersonen entlasten. Die hohe Belegungsquote in der vollstationären Pflege geht vor allem darauf zurück, dass vollstationäre Pflegeplätze insbesondere für schwer kranke Pflegebedürftige und Sterbende stark nachgefragt werden. Die Kommunen haben nach
derzeitiger gesetzlicher Lage kaum Einflussmöglichkeiten auf den Pflegemarkt. Die Landeshauptstadt München nutzt alle verbliebenen Einwirkungsmöglichkeiten wie zum Beispiel die Förderung von Investitionen oder die Sicherung geeigneter Standorte, um gezielt die Schaffung zusätzlicher Pflegeplätze und innovativer Pflege- und Versorgungsformen zu unterstützen. Ich appelliere hiermit nochmals ausdrücklich an die Bundesregierung, endlich gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Kommunen ermöglichen, bedarfsgerechte Angebote besser umzusetzen, und dies nicht vorrangig dem freien Wettbewerb im Pflegemarkt zu überlassen.“ Damit sich der Fach- und Hilfskräftemangel in der Langzeitpflege nicht noch weiter verschärft, ergreifen die Träger der Pflegeeinrichtungen ein Bündel unterschiedlicher Maßnahmen und werden dabei durch das Sozialreferat durch verschiedene Programme und Foren unterstützt (zum Beispiel Qualitätsoffensive stationäre Altenpflege – Primary Nursing, Austauschforen Praxisanleitung). Der Ausbau der Kapazitäten im Bereich der Ausbildung ist dabei vorrangig. So stieg die Anzahl der Ausbildungsplätze in den Münchner vollstationären Pflegeeinrichtungen in verschiedenen Ausbildungsgängen der Pflege im Vergleich zum Vorjahr von 734 auf 778. Davon waren zum Stichtag am 15.12.2021 rund 74 Prozent besetzt (576 Plätze). 2020 wurde auf Bundesebene die neue dreijährige generalistische Pflegeausbildung eingeführt, die drei Pflegeberufe (Altenpflege, Krankenpflege und Kinderkrankenpflege) zu einem zusammenfasst. 52 der 58 vollstationären Pflegeeinrichtungen boten am Stichtag bereits insgesamt 421 Ausbildungsplätze in der Generalistik an, davon waren 328 besetzt (rund 77,9 Prozent).
Bürgermeisterin Dietl: „Dass die Ausbildungszahlen der beruflich Pflegenden in der Langzeitpflege steigen, begrüße ich sehr. Seit langem fordert die Landeshauptstadt München eine bessere Bezahlung aller beruflich Pflegenden und die tarifliche Gleichstellung von Langzeitpflege und Akutpflege im Krankenhaus, um die Rahmenbedingungen gleichermaßen attraktiver zu gestalten. Pflegende in der Akut- oder Krankenpflege werden derzeit deutlich besser entlohnt als die Kolleg*innen in der Langzeitpflege (,Altenpflege´). Ich plädiere zudem sehr für ein Voranschreiten der Akademisierung in der Pflege, die finanziert werden muss. Das Fachwissen und die Kompetenzen der akademisch Ausgebildeten wird in der Praxis der Langzeitpflege dringend benötigt.“
Das Sozialreferat bedankt sich ausdrücklich für das große Engagement der Einrichtungsleitungen sowie der Trägervertretungen bei der Datenerhebung des Sozialreferats. Auch in diesem Jahr nahmen wieder alle Münchner teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen an der Vollerhebung teil. Das Sozialreferat wird die jährlichen Datenerhebungen für die Marktberichte Pflege weiterhin durchführen. Nur so gelingt eine vollständige Übersicht über den Münchner Pflegemarkt.