Teufelskreis Dürre und Hitze durchbrechen?!
Anfrage Stadträte Manuel Pretzl und Hans-Peter Mehling (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 12.8.2022
Antwort Baureferentin Dr.-Ing. Jeanne-Marie Ehbauer:
In ihrer schriftlichen Anfrage vom 12.8.2022 führten Sie Folgendes aus: „In einem Bericht eines Online-Wetterdienstes wird darüber informiert, dass es auf Grund der Hitze und der gleichzeitigen langjährigen Dürre in Deutschland zu einem Teufelskreis kommt. Die Luftfeuchtigkeit liegt in Deutschland mit derzeit ca. 63% ungefähr 10% unter dem langjährigen Mittelwert. Im atlantisch geprägten mitteleuropäischen Klima ist der Sommer eigentlich auf Grund der hohen Temperaturen und der gleichzeitig hohen Luftfeuchte die niederschlagreichste Jahreszeit. Nun sorgt die Hit- zewelle dafür, dass dem bereits ausgetrockneten Boden der letzte Rest Wasser entzogen wird. Sporadische Gewitter sorgen hier nicht für eine ausreichende Entlastung. Für eine signifikante Erhöhung der Luftfeuchte aber auch des Grundwasserspiegels wird viel Wasser benötigt, welche in diesen Mengen und ohne Konkurrenz zum Trinkwasser nur beim geklärten Wasser zu finden ist. Statt das geklärte Wasser schlussendlich in die Isar zu leiten, könnte es zumindest im Sommer großflächig verregnet werden. Der Verdunstungsgrad wäre im Vergleich mit der Verdunstung auf den Oberflächengewässern sicherlich deutlich höher.“
Ihre Fragen beantwortet die Münchner Stadtentwässerung (MSE) wie folgt:
Frage 1:
Ist es rechtlich möglich, das geklärte Wasser der Landeshauptstadt München (MSE), statt in die Kanäle bzw. die Isar zu leiten, ganz oder teilweise in Waldgebieten oder auf landwirtschaftlich nicht genutzten Flächen in und um München zu verregnen?
Antwort:
Die rechtliche Zulässigkeit des Verregnens von Abwasser auf nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen lässt sich nicht pauschal beurteilen, sondern muss vorhabenbezogen geprüft und durch die zuständige Wasserrechtsbehörde genehmigt werden; dabei sind neben dem Wasserhaushaltsgesetz unter anderem die Grundwasserverordnung, das Bundesbodenschutzgesetz oder die Trinkwasserverordnung zu beachten.
Bei der rechtlichen Prüfung sind insbesondere umwelt- und gesundheitsbezogene Aspekte zu berücksichtigen. Zudem müssten für eine „signifi-kante Erhöhung der Luftfeuchte“ erhebliche Mengen verregnet werden. Dieses Wasser würde dann in der Isar, der es faktisch entnommen wird, fehlen, was dort ebenfalls nachteilige Auswirkungen zur Folge haben könnte.
Frage 2:
Ist dies technisch möglich und welchen Aufwand würde dies für die Landeshauptstadt München auslösen?
Antwort:
Bisher gibt es nach unserem Kenntnisstand keine Kommune in Deutschland, die gereinigtes Abwasser großflächig verregnet, um damit signifikant die Luftfeuchtigkeit zu beeinflussen.
Die technische Umsetzbarkeit in München hinge von mehreren Faktoren ab. Zu den Wichtigsten zählen dabei die Anforderungen an das gereinigte Abwasser, die Abwassermenge, die Beschaffenheiten des Bodens, auf dem das Wasser aufgebracht werden soll und die Entfernung der Fläche zum Klärwerk.
Gerade die Anforderungen an das gereinigte Abwasser führen dazu, dass vermutlich davon auszugehen ist, dass eine weitergehende Abwasserreinigung (Desinfektion) erforderlich wäre. Neben den hygienischen Anforderungen bestünde die Gefahr, dass sich bei der Verregnung und der Infiltration in den Bodenkörper Mikroverunreinigungen (u.a. Arzneimittelrückstände) im Grundwasser anreichern könnten. Nur mit einer weiteren Reinigungsstufe, für die es keine gesetzlichen und technischen Vorgaben gibt, könnten Mikroverunreinigungen im gereinigten Abwasser weitestgehend ausgeschlossen werden. Für den Bau und Betrieb von weiteren Reinigungsstufen fallen hohe Kosten an. Zusätzlich steigt der Energieverbrauch und es gelangen ggf. mehr Treibhausgasemissionen in die Umwelt. Grundsätzlich wäre aufgrund des beschriebenen technischen Aufwandes vor einer Umsetzung eine übergeordnete ökologische und wirtschaftliche Nutzenanalyse von einer fachkundigen Stelle durchzuführen. Zu klären wäre ferner, wer die Umsetzung und Finanzierung der Verregnungsmaßnahme und die Schaffung der entsprechenden Verregnungsinfrastruktur übernimmt.
Eine weitere mögliche und sinnvolle Maßnahme zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit im besonders vom Hitzeeffekt betroffenen Stadtgebiet ist die ortsnahe Behandlung von unverschmutztem Niederschlagswasser durch die Schaffung von grün-blauer Infrastruktur bzw. Entsiegelung von Flächen (Stichwort Schwammstadt), anstatt der Ableitung im öffentlichen Kanalsystem.
Frage 3:
Gibt es schon Erfahrungen mit solchen großflächigen Verregnungsanlagen?
Antwort:
Nach unseren Recherchen gibt es in Deutschland keine Verregnungsanlagen, deren primäres Ziel es ist, die örtliche Luftfeuchtigkeit zu erhöhen.
Frage 4:
Wenn nicht, bestünde die Möglichkeit ein solches Projekt (gerne auch von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen begleitet) als Pilot in der Nähe der Klärwerke durchzuführen?
Antwort:
Die Münchner Stadtentwässerung könnte ein derartiges Projekt mit ihrer Expertise im Bereich der Abwasserableitung und -reinigung unterstützen, für den Fall, dass es von anderer Stelle realisiert wird. Als ein gebührenfinanzierter Eigenbetrieb, mit Zuständigkeit für die Abwasserableitung und Abwasserreinigung, kann sie in diesem Fall keine darüberhinausgehenden Maßnahmen oder Forschungsprojekte durchführen.