Freiflächen in den städtischen Friedhöfen ökologisch weiter aufwerten
Antrag Stadtrats-Mitglieder Beppo Brem, Mona Fuchs, Dr. Hannah Gerstenkorn, Nimet Gökmenoglu, Judith Greif, Sofie Langmeier, Thomas Niederbühl, Clara Nitsche, Angelika Pilz-Strasser, Florian Schönemann, Christian Smolka, Sibylle Stöhr (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) und Kathrin Abele, Barbara Likus, Lena Odell, Klaus Peter Rupp, Julia Schönfeld-Knor (SPD/Volt-Fraktion) vom 7.4.2022
Antwort Gesundheitsreferat:
Sie beantragen, dass das Gesundheitsreferat die bestehenden Maßnahmen zur Erhöhung der Artenvielfalt in den städtischen Friedhöfen darstellt und Vorschläge vorlegt, wo und in welchem Umfang darüber hinaus weitere ökologische Aufwertungen auf städtischen Flächen möglich sind, um die Biodiversität dieser Flächen anhand der Ziele der städtischen Biodiversitätsstrategie insgesamt zu erhöhen und zu optimieren.
So könne beispielsweise die Pflanzenvielfalt durch Mähgutübertragung oder Ansaat und Pflanzung autochthoner Arten erhöht und damit die Ansiedlung von Wildbienen und anderer Insekten gefördert werden. Bei Nachpflanzungen und Neupflanzungen im Baum- und Strauchbestand sollen klimaresistente und gebietsheimische Arten bevorzugt werden. Zudem solle dargestellt werden, wie die Friedhöfe mit benachbarten Biotopen vernetzt werden könnten. Mit diesen Maßnahmen solle zunächst am Neuen Südfriedhof begonnen werden. Danach solle für die Umsetzung an weiteren Friedhöfen eine Priorisierung sowie ein Zeitplan erstellt werden.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt erlaube ich mir, Ihren Antrag vom 7.4.2022 als Brief zu beantworten und teile Ihnen auf diesem Wege unter Verweis auf die Stellungnahmen des Baureferats, Hauptabteilung Gartenbau (BAU-G) sowie des Referats für Klima- und Umweltschutz (RKU) Folgendes mit:
Die SFM wurden im Jahr 2020 vom Stadtrat beauftragt, sich strategisch mit dem Thema „Freiflächen“ im Hinblick auf die Klimaentwicklung zu befassen (Integriertes Handlungsprogramm Klimaschutz in München, Vorlage Nr. 20-26/V 01712 in der Vollversammlung des Stadtrats am 16.12.2020). Die Friedhöfe leisten einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz: Sie sind „Grüne Lungen“ und Hotspots der Biodiversität. Darüber hinaus haben sie eine abkühlende Funktion und bieten große Versickerungsflächen. Ebenso erging der Stadtratsauftrag, eine CO2-Potentialanalyse durchzuführen. Hier-bei soll das Potential des Beitrages der Friedhöfe zum Klimaschutz ermittelt werden.
Ebenso wurden die SFM vom Stadtrat beauftragt, eine integrierte Friedhofsentwicklungsplanung durchzuführen („Moderne Bestattungskultur in einer weltoffenen Stadt; Bedarfsanalyse und Konzeption für eine moderne Bestattungskultur“, Vorlage Nr. 20-26/V 05402 in der Vollversammlung des Stadtrats am 27.4.2022). Hierbei geht es unter anderem um die Neudeutung der Friedhofsflächen und Friedhofserweiterungsflächen als wichtige Flächenbausteine im gesamtstädtischen Grünflächensystem. Da diese häufig im regionalplanerischen Kontext situiert sind (Lage im Regionalen Grünzug), soll ihre Funktion als „besondere Grünflächen“ weiterentwickelt bzw. erhalten werden.
Um diese übergeordneten Aufträge zu bearbeiten, sind die SFM in stadtweite Strategien und Projekte integriert. Wichtige Maßnahmen werden bereits umgesetzt, weitere in den nächsten Jahren von den SFM bearbeitet.
Pflanzen- und Artenvielfalt
Die Münchner Friedhöfe weisen eine hohe Artenvielfalt auf. Im Jahr 2018 hat sich die LHM mit der Biodiversitätsstrategie unter der Koordination des damaligen Referates für Gesundheit und Umwelt sowie inzwischen des RKU zu einem langfristigen und umfangreichen Handlungsgrundsatz bekannt. Zur Artenvielfalt wird seitens des RKU Folgendes ausgeführt: „Auch wenn die Gräberfelder der Friedhöfe überwiegend einer intensiven gärtnerischen Pflege unterliegen, [weisen] die Friedhöfe Münchens vielfach wertvolle Baumbestände, parkartige Gehölzpflanzungen und eingebettete Wiesenflächen [auf].
In der Regel bieten Friedhöfe den Charakter einer halboffenen Landschaft und werden damit zum Beispiel von zahlreichen Vogelarten besiedelt, die eine solche Landschaftsstruktur benötigen oder bevorzugen. Alte, baumreiche Friedhöfe, zeichnen sich deshalb durch einen hohen Reichtum an Vögeln mit relativ vielen und zum Teil seltenen Arten aus, z.B. Grünfink, Kleiber, Gelbspötter und Grünspecht.
Besonders einschlägig für die Friedhöfe ist das Handlungsfeld 10 „Biodiversität im öffentlichen Grün“ und darin insbesondere folgende Ziele: -Öffentliche Grünflächen mit geringer Nutzungsintensität sollen biologisch aktiviert werden, z. B. durch die Anlage blütenreicher Wiesen. Werden Flächen ohnehin komplett neu angelegt bzw. tiefgreifend umgestaltet, sollten darüber hinaus die Möglichkeiten genutzt werden, durch Einbringung nährstoffarmen, skelettreichen Bodens die Voraus-setzungen für pflegeextensive artenreiche Wiesen zu verbessern bzw. die Entwicklung zu beschleunigen.
-Bei zu fällenden, absterbenden Bäumen sollten Stammstücke oder Torsi stehen gelassen werden bzw. in den Grünflächen verbleiben (Förderung der Totholzbewohner).
-Anlage bzw. Erhalt dichter Pflanzungen aus heimischen Sträuchern z. B. als Nistplatz, Nahrungshabitat und Rückzugsmöglichkeit für Vögel.
Überwiegende Bereiche der städtischen Friedhöfe sind […] in der Biotopkartierung der Stadt München (Bayerisches Landesamt für Umwelt, LfU) als Biotop kartiert […].“
Die gärtnerische Pflege der Friedhöfe wird von BAU-G übernommen. Das Baureferat hat wie folgt Stellung genommen:
„Seit vielen Jahren werden in Friedhöfen, an denen geeignete Flächen zur Verfügung stehen, großflächige extensive Wiesenflächen gepflegt. Die Entwicklung dieser Flächen wird laufend beobachtet und bei Bedarf werden zusätzliche Maßnahmen zu deren Entwicklung veranlasst. Zum Beispiel am Neuen Südfriedhof wurde 2019 in Kooperation mit der Deutschen Wildtierstiftung eine Ansaat von autochthonem Saatgut durchgeführt, im Waldfriedhof wurde 2020 in Abstimmung mit dem Landesbund für Vogelschutz das Mahdregime geändert, um so die Entwicklung und Ausbreitung der bereits vorhandenen Wiesenkräuter zu fördern.“ Die entsprechende Forderung des Antrages befindet sich damit bereits in Umsetzung.
Des Weiteren wurden in den Jahren 2021 und 2022 weitere Flächen am West- und Nordfriedhof in Kooperation mit der Deutschen Wildtierstiftung mit autochthonem Saatgut aufgewertet sowie mit Informationstafeln und Nisthilfen ergänzt.
Einen großen Anteil der Friedhofsflächen machen die Grabflächen aus, welche von den Grabnutzenden gepflegt werden. Auch wenn hier kein direkter Einfluss auf die Pflanzenauswahl besteht, bemühen sich die SFM, die Nutzenden mit einem von der Deutschen Wildtierstiftung zur Verfügung gestellten Flyer für insektennährende einheimische Bepflanzungen zu sensibilisieren.
Nachpflanzungen klimaresistenter und heimischer Arten
Die Freiflächen der SFM werden durch BAU-G unterhalten. Das Baureferat hat wie folgt Stellung genommen:
„Viele städtische Friedhöfe sind durch wertvollen Strauch- und (Alt-) Baumbestand geprägt. Ziel ist es, hier durch angepasste Entwicklungs-maßnahmen vielfältige Strukturen zu schaffen und die Biodiversität zu fördern. Pflegearbeiten an Bäumen und Gehölzen werden immer unter Berücksichtigung naturschutzrechtlicher Vorgaben durchgeführt (z.B. Berücksichtigung der Vogelschutzzeiten und des besonderen Schutzstatus von Höhlenbäumen). Wo immer möglich, werden Reststämme (sog. Torsi) stehen gelassen: Diese stellen besonders wertvolle Habitate für zahlreiche Insekten und Vogelarten dar. Auch bei Neu- und Nachpflanzungen von Bäumen und anderen Gehölzen werden ökologische Belange berücksichtigt. Die Verwendung gebietsheimischer und an den jeweiligen Standort angepassten Arten wird immer bevorzugt. Die Artenauswahl erfolgt unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung eines stabilen und gesunden Baum- und Gehölzbestandes.
Beispielhaft sei hier der Waldfriedhof genannt, wo lange Zeit die Fichte die dominierende Baumart war. Durch Sturmereignisse und starken Befall mit dem Borkenkäfer wurde deren Bestand in den vergangenen Jahren stark dezimiert.
Die betroffenen Bereiche werden durch Entwicklung des zahlreich vorhandenen, natürlichen Aufwuchses und ergänzender Pflanzung von überwiegend heimischen Baumarten zu klimastabilen und artenreichen Beständen entwickelt.“
Entsprechend wird auch der zweiten Forderung des Antrages bereits Rechnung getragen.
Biotopvernetzung
Zur Frage der Biotopvernetzung äußert sich das zuständige RKU wie folgt: „Für die Artengruppe der Vögel und für andere Tiere mit Bindung an Gehölze, für die die Friedhofsmauern aufgrund ihrer Flugfähigkeit keine wesentliche Barriere bilden, ist neben der Lebensraumfunktion der Friedhöfe auch deren Bindegliedfunktion zwischen anderen, naturnah strukturierten Flächen wie Wäldern und Parks im Biotopverbund besonders wichtig. Inwieweit artenreiche Wiesen auch für Insekten und andere Kleintiere – neben ihrer Lebensraumfunktion bei ausreichender Größe als solches – förderlich für den Biotopverbund werden können, hängt vor allem von ihrer Distanz zu ähnlichen, naturnahen Lebensräumen und der Ausbreitungsfähigkeit der einzelnen Arten ab. In jedem Fall aber kann die Umwandlung verfügbarer, wenig genutzter Wiesenflächen in ‚Blumenwiesen‘ die Netzdichte geeigneter Lebensräume erhöhen und die Durchlässigkeit der Stadtlandschaft auch für anspruchsvolle Arten im Sinne des Biotopverbunds verbessern.“
BAU-G teilt ergänzend mit, dass es „[z]ur Ausschöpfung weiterer ökologischer Potentiale im Unterhalt der bestehenden Freiflächen […] genauer[er]naturschutzfachlicher Analysen, spezieller Entwicklungs- und Pflegepläne[n] sowie anschließend einer entsprechend differenzierten Pflege analog der geschützten Biotop- und Ausgleichsflächen [bedarf]. Dafür sind keine Ressourcen beim Baureferat vorhanden.“
Die SFM sind bereit, sich bei der Entwicklung einer Biotopvernetzung weiterhin einzubringen und werden die ökologische Aufwertung der Friedhöfe auch weiterhin intensiv verfolgen.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.