Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen Archiv
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Rathaus Umschau 226 / 2022, veröffentlicht am 25.11.2022
Heute ist der „Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen“. Er erinnert daran, dass Gewalt gegen Frauen weltweit die häufigste Menschenrechtsverletzung ist. In diesem Jahr gilt die Solidarität ganz besonders den Frauen im Iran und allen, die dort mit so viel Mut für ihre Rechte und eine freie Gesellschaft kämpfen. In München findet zum Aktionstag am heutigen Freitag, 25. November, eine Demonstration statt, organisiert vom Münchner Aktionsbündnis 8. März. Beginn ist um 18 Uhr mit einer Auftaktkundgebung auf dem Josephsplatz.
Am 25. November 1960 wurden in der Dominikanischen Republik drei Regimegegnerinnen, die Schwestern Mirabal, auf Befehl des Diktators Trujillo verschleppt, vergewaltigt und ermordet. Ihre politische Arbeit galt dem Sturz der Diktatur und dem Widerstand gegen die sexuelle Versklavung der Frauen. 1961 riefen lateinamerikanische Feministinnen diesen Tag zum Widerstandstag gegen Gewalt an Frauen aus, 1999 wurde er zum internationalen Aktionstag durch die Vereinten Nationen deklariert. Weltweit finden an diesem Tag Aktionen zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt an Frauen statt.
Ein breites Aktionsbündnis von 47 Organisationen hat in den letzten Wochen in München ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm mit zahlreichen Fortbildungen, Filmvorführungen, Selbstbehauptungskursen und Diskussionen durchgeführt. Parallel dazu läuft die Öffentlichkeitskampagne „Gleichberechtigung schützt vor Gewalt“ der Stadt München gegen geschlechtsspezifische Gewalt, die für das Thema sensibilisieren, Wege aus der Gewalt aufzeigen und über das Münchner Beratungs- und Unterstützungssystem informieren will. Gleichzeitig ist die Kampagne ein Aufruf an die Gesellschaft hinzusehen.
Oberbürgermeister Dieter Reiter: „Schau nicht weg, frag nach. Mit der Kampagne ,Gleichberechtigung schützt vor Gewalt‘ zeigen wir als Stadt München Haltung gegen Sexismus und gegen sexualisierte Gewalt. Wir alle sollten Verantwortung übernehmen, wenn wir sexualisierte Gewalt beobachten oder vermuten. Die einfachste und beste Möglichkeit ist nachzufragen und das Gespräch zu suchen. Es gibt Unterstützung, und es gibt Wege aus der Gewalt.“
Oberbürgermeister Dieter Reiter präsentiert zusammen mit Nicole Lassal, Leiterin der städtischen Gleichstellungsstelle für Frauen, die Kampagne „Gleichberechtigung schützt vor Gewalt“. (Foto: Michael Nagy/ Presseamt)
Jede vierte Frau in Deutschland erlebt Misshandlungen durch ihren Partner, europaweit gilt das sogar für jede dritte Frau. Jeden dritten Tag tötet ein Mann in Deutschland seine Partnerin oder Expartnerin, jeden Tag versucht das ein Mann. Jede siebte Frau in Deutschland wird im Laufe ihres Lebens Opfer von strafrechtlich relevanter sexualisierter Gewalt. Über die Hälfte der Frauen erlebt im Laufe ihres Lebens sexuelle Belästigung. Ein Kind, das sexuell missbraucht wird, muss bis zu sieben Mal eine erwachsene Person ansprechen, bis es Hilfe erhält. Frauen mit Behinderung berichteten zwei bis drei Mal häufiger von sexualisierter Gewalt als Frauen ohne Behinderung. Wohnungslose Frauen und Frauen, die in der Sexarbeit tätig sind, sind ebenfalls deutlich häufiger von sexualisierter Gewalt betroffen – dies gilt auch für transgeschlechtliche und nicht-binäre Menschen. Im vergangegen Jahr 2021 wurden beim Polizeipräsidium München 2.611 Fälle „Häuslicher Gewalt“ und 1.657 Delikte gegen die sexuelle Selbst- bestimmung erfasst. Durch zivilrechtliche Schutzanordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz wurden beim Amtsgericht München 577 Täter wegen häuslicher Gewalt der Wohnung verwiesen und/oder mit einem Kontaktverbot belegt. Es kam im Bereich „Häusliche Gewalt“ zu sechs Tötungsdelikten, hiervon wurden drei vollendet. Nur ein Bruchteil dieser Verbrechen wird angezeigt, und wiederum nur ein kleiner Teil der angezeigten Verbrechen führt zu Verurteilungen.
Um geschlechtsspezifische Gewalt wirksam zu bekämpfen, ist es notwendig, umfassende Maßnahmen zur Prävention von und zum Schutz vor Gewalt auf rechtlicher, gesellschaftlicher und sozialer Ebene zu gewährleisten. Dies beinhaltet zum Beispiel ein ausreichendes Angebot von Beratungsstellen, Frauenhausplätzen und Therapiemöglichkeiten ebenso wie eine flächendeckende Prävention und Empowerment-Angebote. Die Stadt München hat im Rahmen der Kampagne die Postkarte „Hinsehen – Zuhören – Hilfe holen“ mit Adressen der Beratungsstellen aktualisiert und neu aufgelegt sowie Informationen zur Unterstützung nach sexueller Gewalt herausgegeben. Die Postkarte steht zum Download bereit unter https://gleichberechtigung-schuetzt-vor-gewalt.de: Das Gesundheitsreferat hat im ersten Halbjahr 2022 mit der Rechtsmedizin der LMU, der Beratungsstelle Frauennotruf München, der München Klinik Harlaching, der Frauenklinik der LMU, dem Klinikum rechts der Isar der TU München und dem Klinikum Dritter Orden ein medizinisches Set zur Spurensicherung sowie Qualitätsstandards zusammengestellt, um eine rechtssichere Untersuchung zu garantieren. Das Gesundheitsreferat übernimmt hierfür die Kosten. Die Kliniken wurden mit den Materialien ausgestattet und geschult. Bestandteil der Qualitätsstandards sind Aufklärung und Information, Anamnese inklusive Angaben zu Übergriff, körperlicher Untersuchung und Abklärung von weiteren Maßnahmen (z.B. Pille danach oder Nachsorge).
Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek: „Ich möchte Frauen, die die schreckliche Erfahrung von sexueller Gewalt machen, ermutigen, sich Hilfe zu holen und sich ärztlich untersuchen zu lassen – auch wenn dies schwerfällt. Wichtig zu wissen ist dabei: Wenn betroffene Frauen sich später für eine Anzeige entscheiden, können diese Befunde für die Verurteilung des Täters herangezogen werden. Sind die Betroffenen einverstanden, besteht die Möglichkeit, bei der ärztlichen Untersuchung Spuren und Verletzungen im Zuge einer sogenannten vertraulichen Spurensicherung zu dokumentieren und sicherzustellen. Weder die Frau noch die Ärzt*innen müssen eine Strafanzeige stellen. Es besteht ärztliche Schweigepflicht, solange die erwachsene Betroffene dies nicht anders entscheidet: Ohne Einverständnis darf die Polizei nicht informiert werden. Wichtig nach einem sexuellen Übergriff oder einer Vergewaltigung ist neben der medizinischen Versor- gung auch und vor allem die psychosoziale Beratung. Die Münchner Beratungsstellen helfen im Umgang mit der erlebten Gewalt und den Folgen, beraten zur Anzeigeerstattung und bieten psychosoziale Begleitung – absolute Vertraulichkeit ist durch die Berater*innen garantiert.“