Aushang- und Informationstafel vor dem russischen Konsulat in München?
Anfrage Stadtrat Professor Dr. Hans Theiss (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 24.8.2022
Antwort Kreisverwaltungsreferentin Dr. Hanna Sammüller-Gradl:
Ihre Anfrage vom 24.8.2022 wurde im Auftrag von Herrn Oberbürgermeister Dieter Reiter in Federführung dem Kreisverwaltungsreferat zur Beantwortung zugeleitet.
Ihrer Anfrage schicken Sie folgenden Sachverhalt voraus:
„Der Protest gegen den russischen Angriffs- und Vernichtungskrieg in der Ukraine nimmt weltweit die unterschiedlichsten Formen an. Städte benennen Straßen um, Menschen demonstrieren friedlich, Internetblogger nutzen ihre Reichweite und Bekanntheit oder Programmierer ihre Fähigkeiten, um auf jedem nur möglichen Weg auf den Krieg mit dessen unzähligen Kriegsverbrechen aufmerksam zu machen.
Da das russische Konsulat an prominenter Stelle in München liegt, wollen Bürgerinnen und Bürger, dass auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor dem Konsulat eine Aushang- und Informationstafel aufgestellt wird, wo jeder seinen Protest gegen den Krieg ausdrücken kann. Die diplomatischen Gepflogenheiten auf internationaler Ebene dürften dabei nicht berührt sein, da das Grundgesetz in unserem Rechtsstaat, anders als in Russland, sogar Demonstrationen zulässig wären.“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen teile ich Ihnen Folgendes mit:
Frage 1:
Sind der Stadt ähnliche Fälle bekannt, in denen ein solches Aufstellen seitens des Auswärtigen Amtes untersagt wurde?
Antwort:
Dem Kreisverwaltungsreferat sind keine Fälle bekannt, in denen ein solches Aufstellen seitens des Auswärtigen Amtes untersagt worden wäre.
Frage 2:
Wie schnell kann seitens der Stadt eine solche Tafel dort errichtet werden?
Antwort:
Sie schreiben in Ihrer Anfrage, dass die diplomatischen Gepflogenheiten auf internationaler Ebene dabei nicht berührt sein dürften. Bei Errichtung einer Aushang- oder Informationstafel können nach eingehender Prüfungdie diplomatischen Gepflogenheiten allerdings durchaus als berührt angesehen werden, auch wenn keine rechtliche Verpflichtung vorliegt, von einer Tafel abzusehen:
Dass vor Botschaften und Konsulaten angemeldete und genehmigte Demonstrationen stattfinden, ist nicht unüblich. Dabei werden auch Protesttafeln oder Demonstrationsschilder verwendet. Die offizielle Organisation von Protesten jeglicher Art vor Auslandsvertretungen durch kommunale Entscheidungsträger entspricht aber nicht den gängigen diplomatischen Gepflogenheiten. Solche Veranstaltungen werden eher zivilgesellschaftlich organisiert und initiiert.
Gem. Art. 31 Abs. 3 WÜK (Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen) ist der Empfangsstaat zudem in jedem Fall verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um zu verhindern, dass der Friede oder die Würde einer konsularischen Mission beeinträchtigt bzw. gestört wird. Für den Fall, dass die Stadt eine Aufstellung einer Tafel befürworten würde, wäre erforderlich, den Inhalt engmaschig zu kontrollieren, um sicherzustellen, dass keine verächtlichen oder sonstigen strafrechtlich relevanten Inhalte auf der Tafel veröffentlicht werden. Der Inhalt der Tafel muss sich also im Rahmen der Meinungsfreiheit bewegen.
Ihrer Anfrage ist zu entnehmen, dass Bürger*innen das Aufstellen einer Aushangs- oder Informationstafel vor dem Russischen Konsulat begrüßen, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen. Das Kreisverwaltungsreferat ist zuständig für die Erteilung von Sondernutzungerlaubnissen auf öffentlichem Verkehrsgrund. Damit eine Erlaubnis erteilt werden kann, bedarf es eines Antrags. Bisher liegt dem Kreisverwaltungsreferat aber kein Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zum Aufstellen einer solchen Aushang- oder Informationstafel vor.
Für den Fall, dass die Stadt selbst Inhaberin einer Sondernutzungserlaubnis wäre, käme der Stadtverwaltung als „Aufstellerin“ eine besondere Verpflichtung und Verantwortung zuteil. Es müsste sichergestellt sein, dass alle geeignete Maßnahmen getroffen sind, um zu verhindern, dass der Friede oder die Würde einer konsularischen Mission beeinträchtigt bzw. gestört werden. Der Inhalt der Tafel wäre engmaschig zu kontrollieren, um sicherzustellen, dass keine verächtlichen oder sonstigen strafrechtlich relevanten Inhalte veröffentlicht werden. Die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit müsste gewährleistet werden.
Daraus folgt aber auch, dass der Inhalt der Tafel, solange er sich im Rahmen der zulässigen Meinungsfreiheit bewegt, nicht vorgeschrieben wer-den dürfte. Staat und Kommune müssen sich, wie Sie selbst schreiben, an Recht und Gesetz halten und die Meinungsfreiheit in besonderer Weise achten. Die Stadtverwaltung müsste daher an einer solchen Tafel jede Meinung dulden, egal ob diese Protest gegen den Angriffskrieg ausdrücken möchte oder pro-russisch wäre. Auch Meinungen, die thematisch nur am Rande mit dem Angriffskrieg in der Ukraine verbunden wären, müssten geduldet werden, solange sie weder verächtlich noch sonst strafrechtlich relevant wären. Eine inhaltliche Kontrolle des Themas dürfte die öffentliche Verwaltung nicht vornehmen. Die „Missbrauchsgefahr“ einer Informationstafel, deren offizieller Betreiber die Stadtverwaltung selbst ist, wäre sehr hoch.
Aus diesem Grund gibt es auch bis dato keine Aushang- oder Informationstafeln, die von der Stadtverwaltung betrieben werden und die zur Meinungsäußerung gedacht sind. Es entspräche auch nicht der gebotenen Neutralität, zu der die öffentliche Verwaltung angehalten ist.
Das Ziel, eine Tafel von Seiten der Stadtverwaltung aufzustellen, auf der Bürger*innen ausschließlich ihrem Protest gegen den Krieg Ausdruck verleihen, kann folglich nicht erreicht werden. Die Frage, wie lange das Aufstellen einer Tafel dauern würde, kann folgerichtig dahinstehen. Ich weise ferner darauf hin, dass die Sondernutzungsrichtlinien der Landeshauptstadt München eine derartige Sondernutzung des öffentlichen Grunds nicht vorsehen. Eine etwaige Genehmigung würde einen stadtweiten Präzedenzfall schaffen, der bei einer Vielzahl von vergleichbaren Anliegen eine Gleichbehandlung nach sich ziehen müsste und damit auch dort die genannten Herausforderungen bezüglich der geäußerten Meinungen auslösen würde.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten.