OB Reiter kondoliert zum Tod von Hans Magnus Enzensberger Archiv
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Rathaus Umschau 227 / 2022, veröffentlicht am 28.11.2022
Oberbürgermeister Dieter Reiter kondoliert der Witwe zum Tod von Dr. Hans Magnus Enzensberger: „Mit tiefer Betroffenheit habe ich vom Tod Ihres Mannes erfahren. Zu diesem schmerzlichen Verlust möchte ich Ihnen und allen Angehörigen im Namen des Stadtrats der Landeshauptstadt München und vor allem persönlich mein aufrichtiges Mitgefühl aussprechen.
Mit Dr. Hans Magnus Enzensberger verliert dieses Land einen der einflussreichsten und weltweit bekanntesten Intellektuellen, der politische und kulturelle Befindlichkeiten über viele Jahrzehnte hinweg seismographisch registriert, kommentiert und analysiert hat.
1929 als Erstgeborener von vier Brüdern in bürgerliche Verhältnisse hineingeboren, offenbarten sich seine außergewöhnliche Intelligenz und sein wacher kritischer Geist bereits in jungen Jahren. Von der Hitlerjugend aufgrund seiner Widerspenstigkeit ausgeschlossen, entzog er sich auch dem Dienst im Volkssturm in der Endphase des Krieges.
Die literarische Bühne betrat Enzensberger erstmals 1957 mit seinem Gedichtband „Verteidigung der Wölfe“, zeitgleich arbeitete er als Hörfunkredakteur für Alfred Andersch beim Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart. Als bis dahin jüngster Preisträger erhielt er 1963 den Georg-Büchner-Preis, auf welchen zahlreiche bedeutsame Ehrungen national und international folgten. Seine Wahlheimatstadt München würdigte ihn im Jahre 1994 mit dem Kulturellen Ehrenpreis, der höchsten Auszeichnung, welche die Landeshauptstadt München zu vergeben hat.
Hans Magnus Enzensberger war durch und durch ein Mann der Sprache, ein umfassend gebildeter „homme de lettres“ im besten Wortsinne – Lyriker, Essayist, Librettist, Herausgeber, Übersetzer, Zeitschriften-Gründer („Kursbuch“, „TransAtlantik“), Erfinder des Poesie-Automaten und Verleger der „Anderen Bibliothek“. Er war für die Entwicklung der jungen Bundesrepublik essentiell, sie „brauchte (…) ihn, ohne dass sie es wusste“, wie es die Süddeutsche Zeitung am Wochenende formulierte.
Vor allem aber war er ein leidenschaftlicher Denker und Vordenker, Zweifler und streitbarer Kulturkritiker, ein „Liebhaber des Wortes, aber nie des letzten Wortes“. Sein Tod ist nicht nur für München, wo er seit 1979 gelebt hat, ein großer Verlust. Das kulturelle Leben insgesamt wird ärmer sein ohne ihn.
Nun ist das lange und bewegte Leben des nicht nur seinem Namen nach großen Hans Magnus Enzensberger zu Ende gegangen. Ich wünsche Ihnen und allen Angehörigen, dass Ihnen der Gedanke an dieses von soviel Schaffenskraft erfüllte Leben Trost sein kann in Ihrer Trauer. Die Landeshauptstadt München wird sich an Hans Magnus Enzensberger
immer mit großem Respekt und Ehrerbietung erinnern."