Entwicklung der zu zahlenden Eigenanteile für Pflegebedürftige in stationärer und häuslicher Pflege in der Münchenstift
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 6.9.2022
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 6.9.2022 führen Sie Folgendes aus:
„Die heutige Berichterstattung im Münchner Merkur zu den steigenden Eigenanteilen für die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen ist alarmierend und bestätigt leider alle Befürchtungen. Jetzt drohen aber offenkundig Erhöhungen der Eigenanteile nicht mehr nur in Höhe von 400 Euro, sondern bis zu 1.000 Euro.“
Zu Ihrer Anfrage vom 6.9.2022 nimmt das Sozialreferat in Abstimmung mit der MÜNCHENSTIFT GmbH im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Allgemein lässt sich anführen, dass sich die Kosten für einen Platz in einer Pflegeeinrichtung aus mehreren Bestandteilen zusammensetzen wie den für Pflege, Ausbildung, Investitionen sowie für Unterkunft und Verpflegung. Die Fragestellung von Ihnen indiziert, dass Kenntnis darüber besteht, dass es eine Änderung bezüglich der Bezeichnung Pflegestufe/ Pflegegrad gegeben hat. Mit dem Inkrafttreten der zweiten Stufe des Pflegestärkungsgesetzes zum 1.1.2017 gibt die gesetzliche Pflegeversicherung die Pflegegrade 1 bis 5 vor, statt der bisherigen Pflegestufen 0 bis 3 bzw. 3 Plus (Demenz bzw. Härtefall). Diese sogenannte Pflegereform im Jahr 2017 hat den Eigenanteil im Pflegeheim grundlegend neu geregelt. Ein Teil der Pflegekosten war bis dahin von den Bewohner*innen stationärer Pflegeeinrichtungen selbst zu tragen. Da der Pauschbetrag der Pflegeversicherung in der Regel nicht ausreichte, erhöhte sich der Eigenanteil daher mit jeder Höherstufung und variierte nahezu in jeder Pflegestufe. Da sich abzeichnete, dass sich Betroffene trotz erhöhtem Pflegeaufwand nicht mehr begutachten lassen wollten, um den Eigenanteil nicht weiter zu erhöhen, war Handlungsbedarf seitens der Gesetzgebung gegeben.
Mit der Pflegereform wurde zum 1.1.2017 der sogenannten einrichtungsbezogene Eigenanteil in Form einer Pauschale für den pflegebedingten Aufwand (inklusive Ausbildung) eingeführt. Diese ist von den Bewohner*innen neben den Investitionskosten, sowie den Aufwendungen für die Verpflegung und Unterbringung zu tragen. Der Vorteil ist, dass dieser Eigenanteilnicht mehr individuell mit jeder weiteren erhöhten Pflegebedürftigkeit steigt, sondern alle Bewohner*innen eines Pflegeheimes ab dem Pflegegrad 2 den gleichen Eigenanteil zu tragen haben, sozusagen einrichtungseinheitlich. Der Pauschbetrag errechnet sich nach dem Anteil der jeweiligen Pflegegrade an der Gesamtbewohnerzahl, das heißt, wenn es in einer Einrichtung insgesamt mehr Bewohner*innen mit höherem Pflegebedarf gibt, so wird der Pauschbetrag entsprechend angepasst, wenn auch einheitlich wie bereits dargestellt.
Der Pflegesatz in einem Pflegeheim errechnet sich somit aus der Anzahl der Bewohner*innen und deren Grad der Pflegebedürftigkeit, daher ist dieser je nach Einrichtung unterschiedlich, auch wenn ein Träger mehrere Häuser betreibt. Der Pflegesatz ist seitens der Pflegeheimbetreiber bei Kostensteigerungen wie für Personal aufgrund Tariferhöhungen, Inflation oder Energie stets neu zu verhandeln.
Mit der neuen Pflegereform zum 1.1.2022 wurden weitere Änderungen, mit dem Zweck pflegebedürftige Bewohner*innen von Einrichtungen der Altenhilfe finanziell zu entlasten, eingeführt. Demnach erhalten die Pflegebedürftigen einen sog. Leistungszuschlag zur Begrenzung des pflegebedingten Anteils bei vollstationärer Pflege. Dieser richtet sich nach der Dauer des Aufenthaltes in der Pflegeeinrichtung und führt dazu, dass sich der Pauschbetrag für den Pflegeaufwand, je länger der Aufenthalt eines*r Bewohners*in dauert, reduziert. Der Leistungszuschlag, mithin die Reduzierung des Eigenanteils beträgt im ersten Jahr fünf Prozent, im zweiten Jahr 25 Prozent, im dritten Jahr 45 Prozent und danach 70 Prozent. Dies ist in der beigefügten Tabelle zum Antrag Ziff. 2 in der Spalte für 2022 mit den weiteren mit * gekennzeichneten Zusatzspalten zur Aufenthaltsdauer dargestellt. Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen werden nicht bezuschusst und reduzieren sich deshalb nicht in Abhängigkeit von der Aufenthaltsdauer.
Eine Beantwortung der beiden Fragen erfolgt nun nachfolgend zur Verdeutlichung an einem Beispiel – hier St. Martin und anhand der beigefügten Tabelle.
Die Angaben erfolgen für ein Einzelzimmer, was nach den gesetzlichen Vorgaben (AVPfleWoqG) in Zukunft eher Standard sein wird. Die Entwicklung der Eigenanteile in einem Doppelzimmer verlaufen für den Zeitraum 2012 bis 2022 in adäquater Weise wie die für die Einzelzimmer, daher wird von einer Darstellung hier abgesehen. Die Kosten für einen Platz in einem Doppelzimmer sind generell zwischen 150 bis 180 Euro monatlich geringer als für einen Platz in einem Einzelzimmer.
Frage 1:
Auf welchen konkreten Betrag beziffern sich die derzeitig bei der Münchenstift erhobenen Eigenanteile für die betreffenden Kostenpositionen (Pflegeplatzkosten, Unterkunft-/Verpflegungskosten und Investitionskosten) bei den jeweiligen Pflegegraden?
Antwort:
Im Haus St. Martin beziffert sich der Eigenanteil für Bewohner*innen im Einzelzimmer mit Pflegegrad 1 im Jahr 2022 folgendermaßen:
Pflegebedingter Aufwand:1.800 Euro
Unterkunft: 460 Euro
Verpflegung: 458 Euro
Investitionskosten: 741 Euro
Summe Eigenanteil: 3.459 Euro
Der Eigenanteil im Pflegegrad 1 bleibt auch bei einer Dauer über einem Jahr gleich, da der Leistungszuschlag nach der neuen Pflegereform zum 1.1.2022 erst ab dem Pflegegrad 2 gewährt wird.
Ab einem Pflegegrad 2 (bis Pflegegrad 5) erhöht sich der Pflegebedingte Aufwand auf 2.079 Euro, alle anderen Kosten wie oben dargestellt bleiben gleich, sodass sich für Bewohner*innen im Haus St. Martin für ein Einzelzimmer der Eigenanteil von 3.738 Euro im Jahr 2022 ergibt. Dieser Betrag fällt jedoch so aufgrund der Eigenanteilsreduzierung gemäß Leistungszuschlags nicht an. Der Betrag – vgl. in der Tabelle in der Spalte für 2022 – dient lediglich als rechnerische Grundlage für die Eigenanteilsreduzierung. Die Reduzierung variiert je nach Aufenthaltsdauer, da der Leistungszuschlag bei längerer Aufenthaltsdauer ansteigt (vgl. Unterteilung nach Aufenthaltsdauer in mit * gekennzeichneten Spalten).
Der Eigenanteil wird demnach durch die Gewährung des Leistungszuschlages ab dem 1.1.2022 für die Pflegegrade 2 bis 5 auf folgende Gesamtsumme je nach Aufenthaltsdauer reduziert:
-bis 12 Monate 3.634 Euro
-von mehr als 12 Monaten:3.218 Euro
-von mehr als 24 Monaten:2.803 Euro
-von mehr als 36 Monaten:2.283 Euro
Frage 2:
Wie haben sich die jeweiligen Beträge der erhobenen Eigenanteile bei der Münchenstift in den betreffenden Kostenpositionen in den jeweiligen Pflegestufen/Pflegegraden seit dem Jahr 2012 entwickelt? (Bitte unter Angabe der jeweiligen Beträge, der jeweiligen Jahre und aufgeschlüsselt nach den betreffenden Kostenpositionen sowie Pflegestufen/Pflegegraden darstellen.)
Antwort:
Aufgrund der Fragestellung lässt sich dies transparent und übersichtlich im Rahmen einer Tabelle darstellen. Am Beispiel Haus St. Martin ist die Kostenentwicklung (Einzelzimmer) in übersichtlicher Form für die Jahre 2012 bis 2022 dargestellt. Aus der Tabelle geht deutlich die Vereinfachung der Berechnung seit der Pflegereform 2017 hervor, d. h. der Eigenanteil ist für alle Bewohner*innen mit Pflegegrad 2 bis 5 gleich. Hervorzuheben ist, dass sich mit der aktuellen Reform zum 1.1.2022 die monatliche Belastung für Pflegebedürftige nahezu auf dem Niveau des Jahres 2012 bewegt, sofern sie seit mehr als 36 Monate in der Einrichtung – hier Haus St. Martin – leben.
Die Belastung für Pflegebedürftige beispielsweise mit Pflegegrad 4 und kurzfristigem Aufenthalt bis zu einem Jahr ist trotz der fünfprozentigen Reduzierung des Eigenanteils durch den Leistungszuschlag mit 3.634 Euro monatlich deutlich höher im Vergleich zum Jahr 2012 mit 2.257 Euro (vergleichbare Pflegestufe 3), wobei natürlich auch die insgesamt gestiegenen Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen sind.
Die Anlage kann unter dem Link https://ris.muenchen.de/ris/wicket/re-source/org.apache.wicket.Application/pdfdownload?RisId=7456299 abgerufen werden.