Armutsbericht München: Armutsgefährdungsschwelle steigt Archiv
-
Rathaus Umschau 233 / 2022, veröffentlicht am 06.12.2022
Der Armutsbericht 2022 für München ist heute dem Stadtrat vorgestellt worden. Der Bericht bildet eine faktengestützte Grundlage für eine Debatte über soziale Ungleichheit und Chancengerechtigkeit in der Münchner Stadtgesellschaft. Er stellt Armutsursachen und die Lebenssituation von Münchner Bürger*innen dar, die von Armut betroffen sind. Und er beschreibt die zahlreichen bestehenden und geplanten Maßnahmen der Landeshauptstadt München und der freien Träger, die Armut zu bekämpfen oder ihr vorbeugen.
Bürgermeisterin Verena Dietl: „Jeder sechste Mensch in München ist laut Armutsbericht heute armutsgefährdet. Das ist erschreckend, wenn man bedenkt, dass die Landeshauptstadt München zu den reichsten Städten in Deutschland zählt. Die jüngsten Entwicklungen durch die Corona-Pandemie, die Energiekrise und die hohe Inflation haben diese Situation weiter verschärft. Deshalb setzt sich die Landeshauptstadt München mehr denn je dafür ein, besonders den von Armut betroffenen Menschen mit zusätzlichen Hilfen unter die Arme zu greifen. Neben vielen bereits existierenden staatlichen Hilfen und auch freiwilligen kommunalen Hilfsprogrammen hat die Stadt München zusätzlich einen Stromkostenzuschuss und einen Wärmefonds eingerichtet. Ich appelliere an dieser Stelle auch an die Bundesregierung, die Regelsätze für SGB-II- und SGB-XII- Bezieher*innen generell zu erhöhen, um den Menschen in teuren Städten wie München ein Leben zu ermöglichen, das ihre Grundbedürfnisse deckt und sie am sozialen Leben teilhaben lassen kann. Eine Erhöhung des Regelsatzes auf 650 Euro in Ballungsgebieten sind nach unseren Berechnungen das Minimum.“
Bürgermeisterin Verena Dietl präsentiert zusammen mit Sozialreferentin Dorothee Schiwy den Armutsbericht 2022. (Foto: Michael Nagy/Presseamt München).
Der Anteil der von Einkommensarmut betroffenen Menschen ist gegen-über dem letzten Armutsbericht aus dem Jahr 2017 nahezu gleich geblieben: 17 Prozent und damit rund 266.000 Menschen, also rund jede sechste Person in München, hat ein Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle. Diese Schwelle liegt bei einem Ein-Personen-Haushalt bei netto 1.540 Euro und ist damit rund 200 Euro höher als 2017. Besonders von Armut betroffen sind Alleinerziehende, Familien mit drei oder mehr Kindern und Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen. Angestiegen ist auch die Zahl von älteren Menschen, die in Armut leben. Für München ist eine ausgeprägtere Ungleichverteilung der Einkommen im Vergleich zu Bayern und Deutschland festzustellen. Der Anteil reicher Menschen ist deutlich höher als in Deutschland insgesamt. Sozialreferentin Dorothee Schiwy: „Besonders die hohen Mieten zehren an der Belastbarkeit der Menschen, die von Armut betroffen sind. Fast zwei Drittel der Betroffenen müssen 40 Prozent oder mehr für die Mietkosten aufbringen, die nun durch die extrem steigenden Energiepreise weiter ansteigen. Ich rate allen, die Schwierigkeiten haben ihre Rechnungen zu bezahlen, Beratungen und Hilfen in ihrem zuständigen Sozialbürgerhaus in Anspruch zu nehmen. Gerade ältere Menschen wissen oftmals nicht, dass sie Leistungen erhalten können. Wir haben viele kommunale Hilfsmaßnahmen eingerichtet, die Menschen in Not helfen, wie zum Beispiel die Einrichtung des Mittagstisches für ältere Menschen oder die Bereitstellung ,weißer Ware‘ wie Kühlschränke oder Waschmaschinen für Haushalte, die Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII beziehen.“
Dank der hohen Priorität sozialer Belange in der Münchner Kommunalpolitik kann München ein sehr umfangreiches Netz an sozialen Diensten, freiwilligen Leistungen im Sozialbereich und Maßnahmen in verschiedenen Handlungsfeldern vorweisen. Diese tragen dazu bei, von Armut betroffene Menschen zu unterstützen sowie die Folgen der Pandemie, massiv steigender Energiepreise und hoher Inflation gerade für Menschen mit geringen finanziellen Ressourcen zu mildern. Beispielhaft sei das Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm mit über 100 Projekten genannt, für das der Stadtrat jährlich rund 24 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Zudem hat die Stadt München einen kommunalen Stromkostenzuschuss für Bürger*innen mit geringem Einkommen als auch einen „Wärmefonds“ eingerichtet, der Haushalte mit geringem Einkommen durch die Zahlung einer Pauschale zu den Heizkosten unterstützt. Für den Wärmefonds stehen 2023 und 2024 insgesamt 20 Millionen Euro zur Verfügung. Kinder, die von Armut betroffen sind, können kostenlos an Sport- und Freizeitveranstaltungen teilnehmen. Weiterhin gibt es kostenlose Schuldnerberatungen und Finanztrainings für von Verschuldung bedrohte Haushalte. Sozialreferentin Dorothee Schiwy: „Die horrend gestiegenen Lebenshaltungskosten in München werden weiter zu einer Bedrohung von Armut führen, wenn nicht der Mindestlohn noch weiter angehoben wird. Zwölf Euro reichen für Ballungsräume wie München künftig nicht aus. Ich unterstütze daher ausdrücklich die Initiative des Oberbürgermeisters ,Münchner Mindestlohn‘, der sich an den hohen Münchner Lebenshaltungskosten orientiert.“