Mieter*innen vor sexueller Belästigung schützen und unterstützen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 9.8.2022
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Sie beantragen „eine Beratungskapazität im Umfang einer halben Personalstelle zur Unterstützung von Mieter*innen, die sexuelle Belästigung erleben, bei der städtischen Mieter*innenberatung des Sozialreferates einzurichten. Ein Konzept zu Auftrag, Arbeitsinhalten und der Abstimmung mit anderen Münchner Einrichtungen und Angeboten, die zu sexueller Belästigung und Gewalt arbeiten, soll in inhaltlich enger Abstimmung mit der Gleichstellungsstelle für Frauen entwickelt und dem Stadtrat vorgelegt werden. Die Beratungsstelle soll einerseits Betroffene in passende Hilfeeinrichtungen zur persönlichen Unterstützung vermitteln andererseits soll sie eine themenentsprechende strafrechtliche und mietrechtliche Beratung leisten und rechtliche Hilfen vermitteln. Das Angebot soll der Stadtgesellschaft angemessen bekannt gemacht werden.“
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir Ihnen zu Ihrem Antrag vom 9.8.2022 Folgendes mitzuteilen:
Der hoch angespannte Immobilienmarkt in München bringt insbesondere finanziell schlechter gestellte Wohnungssuchende in Notsituationen, was unseriösen Vermieter*innen die Möglichkeit eröffnet, diese Notlagen auszunutzen. Wie der Presse zu entnehmen ist, liegen der Münchner Polizei jedoch nur wenige einschlägige Strafanzeigen vor.
Das Sozialreferat teilt die Einschätzung, dass auch bei sexueller Belästigung im Kontext von Wohnungssuche ein Dunkelfeld bei der Erfassung von Straftatbeständen vorliegen könnte, da davon ausgegangen werden muss, dass nicht alle Straftatbestände angezeigt werden. Dies belegt auch die aktuelle Studie zur Vorurteilskriminalität in München1, wonach Herkunft und Geschlecht die am häufigsten genannten Merkmale für Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen sind.
Die städtische Mietberatung berät Mieter*innen und Vermieter*innen sowie städtische Dienststellen und externe Behörden im gesamten Stadtbereich kostenlos zu privatrechtlichen Fragen im Rahmen von bestehenden Mietverhältnissen wie z.B.:
-Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem jeweils aktuellen Mietspiegel für München.
-Auskunft zu Mieterhöhungen bei freifinanzierten Wohnungen.-Prüfung von fristlosen und ordentlichen Kündigungen sowie Räumungsklagen.
-Beratung zu Mängeln in und an der Wohnung.
-Prüfung der Wirksamkeit vertraglicher Vereinbarungen zu Schönheitsreparaturen.
-Überprüfung von Betriebs- und Heiz-/Warmwasserkostenabrechnungen. -Beratung zu Mietpreisüberhöhungen und Einleiten von Bußgeldverfahren nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz.
Für Bürger*innen mit geringem Einkommen kann nach erfolgter Beratung im Einzelfall ein Termin bei der Zweigstelle des Münchner Anwaltsvereins organisiert werden.
Die städtische Mietberatung ist für das Thema sexuelle Belästigung sensibilisiert, bislang ist seit ihrem langjährigen Bestehen jedoch kein einziger einschlägiger Fall bekannt geworden. Die Beratungsstelle ist spezialisiert auf zivilrechtliche Fragestellungen im Rahmen bereits bestehender Mietverhältnisse und hält für die psychosoziale Unterstützung und rechtliche Beratung bei sexueller Belästigung kein psychologisch geschultes Personal vor. Sexuelle Belästigung ist ein Straftatbestand. Rechte und Pflichten im Rahmen der Anzeigeerstattung und eines möglichen Strafverfahrens sind komplex und Betroffene benötigen psychosoziale Unterstützung. Sollte bei mietrechtlichen Beratungen der Verdacht auf eine sexuelle Belästigung entstehen, würde daher eine Vermittlung an spezialisierte Fachberatungsstellen erfolgen.
Kompetente Ansprechpartner*innen für Prävention und psychosoziale Unterstützung von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt sind das bundesweite Hilfetelefon des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (https://www.hilfetelefon.de/) sowie die Münchner Fachberatungsstellen für Frauen (Frauennotruf-München e.V., https://frauennotruf-muenchen.de/) und Mädchen (IMMA e.V., https://imma.de/). Neben der Beratung, Versorgung und Begleitung im Einzelfall bieten diese spezialisierten Einrichtungen kollegiale Fachberatung für Fachkräfte verschiedenster Münchner Beratungsstellen, wie z.B. der Mietberatung, an, was zu einer weiteren Sensibilisierung für die Thematik beiträgt.
Das Stadtjugendamt fördert darüber hinaus weitere Fachberatungsstellen für Opfer sexualisierter Gewalt. Hierzu zählen auch die Fachberatungsstellen für LGBTIQ*, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Migrationshistorie sowie weitere Personengruppen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind.Ich hoffe, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
1Fröhlich, Werner: Hasskriminalität in München. Vorurteilskriminalität und ihre individuellen und kollektiven Folgen. Forschungsbericht des Sozialwissenschaftlichen Instituts München. 2021.