Umsetzung der Besteuerung von kommunalen Dienstleistungen
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Rathaus Umschau 242 / 2022, veröffentlicht am 19.12.2022
Umsetzung der Besteuerung von kommunalen Dienstleistungen
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Daniel Stanke, Markus Walbrunn und Iris Wassil (AfD) vom 8.9.2022
Antwort Stadtkämmerer Christoph Frey:
In Ihrer o.g. Anfrage vom 5.9.2022 führen Sie Folgendes aus: „Am 2.9.2022 berichtete die Abendzeitung über einen ‚neuen Preisschock‘, der zum Jahreswechsel auf die Bürger zukommen wird. Hintergrund ist, dass Städte und Gemeinden auf manche Dienstleistungen Mehrwertsteuer erheben müssen. Die Rechtsgrundlage hierfür findet sich in der sog. Mehrwertsteuersystemrichtlinie der Europäischen Union, die nun zum Jahreswechsel umgesetzt werden muss. Diese Regelung soll angeblich dazu dienen, die Wettbewerbsgleichheit zwischen kommunalen und privaten Anbietern herzustellen. Da es sich offensichtlich um ein sehr kom- pliziertes Regelwerk handelt und in manchen Bereichen die Rechtslage undurchsichtig ist, fordert der Bund der Steuerzahler, dass die Finanzverwaltung die Kommunen bei der Umsetzung und Beantwortung von Abgrenzungsfragen bzw. Fragen zu bestimmten Sachverhalten unterstützen soll.“
Die Stadtratsgruppe der AfD stellt daher folgende Fragen an den Oberbürgermeister. Hierzu wird wie folgt Stellung genommen:
Frage 1:
Nach § 27 Abs. 22 UStG hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, durch Erklärung gegenüber dem Finanzamt die „Übergangszeit“ zu verlängern. Diese Erklärung musste bis spätestens 31.12.2016 abgegeben werden. Hat die Landeshauptstadt München diese Option wahrgenommen?
Antwort:
Die Landeshauptstadt München hat eine Optionserklärung nach § 27 Abs. 22 UStG bei der Finanzverwaltung eingereicht. Der Beschluss hierzu erfolgte am 15.11.2016 durch die städtische Vollversammlung (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 07384).
Frage 2:
Welche Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie wurden bereits getroffen, da die Richtlinie schließlich bereits vor sieben Jahren von der EU beschlossen wurde?
Antwort:
In den zurückliegenden Jahren wurden die städtischen Referate und Eigenbetriebe durch die Stadtkämmerei über die neue Rechtslage informiert und fortlaufend über die hierzu von der Finanzverwaltung veröffentlichten Verwaltungsanweisungen in Kenntnis gesetzt. Parallel dazu hat die Stadtkämmerei mit den städtischen Referaten und Eigenbetrieben eine Bestandsaufnahme aller durch die Landeshauptstadt München mit Einnahmenerzielungsabsicht ausgeübten Tätigkeiten vorgenommen und die Tätigkeiten hinsichtlich ihrer zukünftigen umsatzsteuerrechtlichen Behandlung neu beurteilt.
Darüber hinaus wurden Verträge und Satzungen hinsichtlich Steuerklauseln überprüft und gegebenenfalls entsprechend ergänzt, buchhalterische Anpassungen im städtischen Rechnungswesen vorgenommen sowie Regelungen zum Vorsteuerabzug aus Eingangs-leistungen ausgearbeitet.
Frage 3:
Welche Leistungen der kommunalen Anbieter sind von dieser Besteuerung betroffen?
Antwort:
Ab 1.1.2023 umsatzsteuerpflichtig werden nur Leistungen der Landeshauptstadt München, bei denen sich eine Wettbewerbsverzerrung ergeben würde, wenn die öffentliche Hand bei diesen Leistungen im Gegensatz zu privaten Mitbewerbern keine Umsatzsteuer abführen müsste. Somit sind zum Beispiel folgende Leistungen der Landeshauptstadt München ab dem Jahr 2023 umsatzsteuerpflichtig: Vermietung von Pkw Stellplätzen, Beglaubigung von Dokumenten und Urkunden, Erbringen von Leistungen für andere juristische Personen des öffentlichen Rechts im Wege einer mandatierenden Beauftragung, Prüfung von Brandschutznachweisen im Zuge eines Baugenehmigungsverfahrens, Verkauf von Informationsbroschüren, Vermietung von Kunstwerken durch die städtische Artothek, Beurkundung von Betreuungsvollmachten nach dem Betreuungsbehördengesetz, Vermietung von Appartements in städtischen Wohnheimen an städtische Nachwuchskräfte für einen Zeitraum von weniger als sechs Monate, Verkauf von Familienstammbüchern, Erbringung von Leistungen an städtische Beteiligungsgesellschaften gegen Kostenerstattung (z.B. durch das städtische Bewertungsamt oder durch den Sicherheitstechnischen Dienst der Landeshauptstadt München) und Überlassung von Flächen an Werbefirmen.
Frage 4:
Bei welchen konkreten Dienstleistungen der Landeshauptstadt München, die bislang nicht besteuert wurden, ist mit Preissteigerungen für die Bürger zu rechnen und wie stellen sich diese dar? (Wir bitten um Aufschlüsselung der jeweiligen Leistung mit den dazugehörigen Kosten vor und nach Umsetzung der Richtlinie.)
Antwort:
Eine Aufschlüsselung von Leistungen, bei denen aufgrund der Reform der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand mit Preissteigerung für die Bürger zu rechnen ist, ist nicht möglich. Denn durch die Rechtsänderung ergeben sich grundsätzlich keine Preissteigerungen für Bürger, weil gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG Schuldnerin der zukünftig zusätzlich anfallenden Umsatzsteuer die Landeshauptstadt München als leistende Unternehmerin ist.
Zu einer Preissteigerung wird es folglich nur kommen, wenn sich die jeweils handelnden städtischen Dienststellen aktiv für eine Weitergabe des Aufwandes aus der abzuführenden Umsatzsteuer an die Leistungsempfänger entscheiden. Bei dieser Entscheidung sind jedoch bei jeder einzelnen zukünftig umsatzsteuerpflichtig werdenden Tätigkeit einzelfallbezogen diverse Aspekte zu beachten.
Frage 5:
Mit welchen Mehreinnahmen kann durch die Besteuerung gerechnet werden?
Antwort:
Über zu erwartende Mehreinnahmen aus der Umsatzsteuerreform ist keine Einschätzung möglich.
Frage 6:
Mit welchem finanziellen Mehraufwand rechnet die Landeshauptstadt für die Umsetzung der vorgenannten Richtlinie?
Antwort:
Über den voraussichtlichen finanziellen Mehraufwand für die Umsetzung der Umsatzsteuerreform ist keine Einschätzung möglich.
Frage 7:
Müssen zur Umsetzung der Richtlinie neue Stellen eingerichtet bzw. besetzt werden?
Antwort:
Zur Umsetzung der Umsatzsteuerreform wurden in der Stadtkämmerei zwei Vollzeitstellen in der dritten Qualifizierungsebene eingerichtet und besetzt.
Frage 8:
Inwieweit ist sichergestellt, dass die Richtlinie rechtssicher und rechtsfehlerfrei umgesetzt werden wird, damit den Bürgern kein unnötiger finanzieller Nachteil entsteht? Wurde hierzu ein Rechtsgutachten eingeholt. Wenn ja, intern oder extern und von wem?
Antwort:
Die Umsatzsteuerreform wird korrekt umgesetzt, da die Stadtkämmerei die anderen städtischen Dienststellen bei Fragestellungen zur Steuerpflicht der Landeshauptstadt München berät (vgl. Ziffer 12.5.3 des städtischen Aufgabengliederungsplanes). Hierzu wurden die von den städtischen Fachdienststellen ausgeübten Tätigkeiten hinsichtlich ihrer zukünftigen umsatzsteuerrechtlichen Behandlung durch die Stadtkämmerei beurteilt. Ein Rechtsgutachten wurde hierfür nicht eingeholt.
Frage 9:
Wie bzw. von wem wird die Umsetzung der Besteuerung überwacht?
Antwort:
Die korrekte Umsetzung der Umsatzsteuerreform wird durch die Finanzabteilungen in den städtischen Referaten/Eigenbetrieben überwacht. Hierbei werden sie durch die Steuerabteilung der Stadtkämmerei unterstützt.
Frage 10:
Müssen die Kommunen mit Strafen rechnen, wenn sie die Richtlinie nicht bzw. nicht rechtzeitig umsetzen?
Antwort:
Die straf- und bußgeldrechtlichen Vorschriften der Abgabenordnung (vgl. §§ 369 ff AO) gelten auch für Kommunen. Daher sind „Strafen“ gegen Kommunen, die die Umsatzsteuerreform nicht bzw. nicht rechtzeitig umsetzen, nicht auszuschließen.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten.