Die Vollversammlung des Stadtrats hat heute über den städtischen Haushalt 2023 sowie über das aktuelle Mehrjahresinvestitionsprogramm 2022-2026 beraten. Die Haushaltsrede von Oberbürgermeister Dieter Reiter hat folgenden Wortlaut:
„,Wenn die Macht der Liebe über die Liebe zur Macht siegt, wird die Welt Frieden finden.‘ Dieses Zitat stammt von Jimi Hendrix. Dieser Sieg der Macht der Liebe ist derzeit auf der Welt eher in weiterer Ferne, auch besonders wegen Putins verbrecherischem Angriffskrieg auf die Ukraine, der unmenschliches Leid bei unseren ukrainischen Freundinnen und Freunden verursacht.
Gleichzeitig hat sich in dieser Zeit mal wieder gezeigt, wie sich unsere Stadt, wie sich die Münchnerinnen und Münchner in solchen Zeiten verhalten: absolut solidarisch. Und ich kann sagen: Die Solidarität mit der Ukraine ist in München überwältigend.
Was hier geleistet wird für die hierher geflüchteten Menschen, aber auch durch Hilfe vor Ort in der Ukraine, ist einfach fantastisch.
Und es zeigt wieder einmal, was München und die Münchnerinnen und Münchner ausmacht. Wir halten einfach zusammen und denken an diejenigen, denen es deutlich schlechter geht als uns.
Natürlich hat dieser Angriffskrieg auch Auswirkungen auf die Landeshauptstadt München. Die geflüchteten Menschen unterzubringen, zu betreuen und zu verpflegen, kostete und kostet nicht wenig Geld. Und es macht meiner Verwaltung durchaus auch Mühe, dafür zu sorgen, dass wir als Stadt wenigstens große Teile dieser Ausgaben wieder vom Staat erstattet bekommen. Aber für mich gilt ganz klar: Erst schnelle und unbürokratische Hilfe für die Menschen in Not leisten und dann erst mit Nachdruck an den Erstattungen arbeiten. Das gebietet die Humanität in unserer Stadt ganz einfach. München spürt aber auch die Auswirkungen der weiteren Krisen: Corona oder die aktuelle Energiekrise.
Viele Millionen Euro flossen und fließen weiterhin, um die Gesundheit der Münchnerinnen und Münchner sicherzustellen und um dafür zu sorgen, dass die schlimmsten Auswirkungen der verrückten Energiepreise auf die wirtschaftlich schwächeren Menschen zumindest abgedämpft werden können. Und ich sage ganz deutlich auch hier: Schnelle Hilfe ist für mich absolut vorrangig vor dezidierten Finanzierungsfragen. Wenngleich ich auch hier bitte, alle Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen, um eine Kostenerstattung des Staates zu erlangen.
Und ich habe, um auch dies klar zu sagen, den Eindruck, dass bei allem Verwaltungsaufwand die staatlichen und die städtischen Organisationseinheiten sehr konstruktiv zusammenarbeiten. Dafür auch einmal ein Dank an meine Kolleginnen und Kollegen, aber auch an die Partner bei Freistaat und Bund.
Und trotz all dieser schnellen Hilfen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, trotz notwendiger unbürokratischer Unterstützung unserer Bürgerinnen und Bürger und der Menschen in Not, trotz alledem ist der Haushalt der Landeshauptstadt München, den wir heute vorlegen, gesund! Auch wenn die Opposition dies natürlich – wie jedes Jahr – wortreich bestreiten wird.
Ich bin sehr froh, dass wir heute einen solchen Haushalt vorlegen können! Diese Regierung hat einen Haushalt aufgestellt, mit dem die wichtigen Anliegen der Menschen in unserer Stadt zielgerichtet angegangen werden: Schul- und Kitabau, soziale Hilfen, bezahlbares Wohnen, Ausbau und Sanierung des ÖPNV.
Über 2 Milliarden Euro investieren wir mit vorliegenden Haushaltsentwurf 2023! Was für eine gewaltige Summe.
Andere Kommunen müssen gerade bei Zukunftsinvestitionen bereits die Bremse ziehen oder diese ganz einstellen. München investiert weiterhin in die Zukunft der Münchnerinnen und Münchner. Und das ist gut und richtig. Davon bin ich überzeugt. Wir können das vor allem deshalb, weil München, die Münchner Unternehmen und die Münchner Bürgerinnen und Bürger stark sind und deshalb auch in diesen schweren Zeiten die Steuereinnahmen erfreulich hoch sind.
Dafür an dieser Stelle auch einmal meinen ganz herzlichen Dank an alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, alle Unternehmen und alle, die ihren Beitrag zum Gemeinwesen leisten!
Und denjenigen hier im Stadtrat, die bestimmte Teile der Industrie am besten ganz aus München vertreiben wollen, sage ich ganz deutlich: Das liegt auch an guter Industriepolitik, die dafür sorgt, dass Unternehmen auch hier Geld verdienen können und nicht ständig gegängelt werden. Dieser Stadtrat sollte nicht an dem Ast sägen, auf dem wir alle sitzen. Mit mir wird das jedenfalls nicht passieren.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen Plan für diese Stadt. Und darin ist klar beinhaltet, wie wichtig Investitionen in unsere Zukunft sind.
Ich würde mir wirklich wünschen, dass Bund und Freistaat ähnlich in die Zukunft gerichtet und erwartbar und verlässlich vorgehen würden. Und sich nicht die Einen im komplizierten Machtgefüge einer 3-Parteien- Konstellation verheddern würden.
Und die Anderen nicht gelenkt würden von einem Miniwindräder schwenkenden Selbstdarsteller, der im Monatsrhythmus seine politischen Grundrichtungen verändert.
Nein, so hilft man den Städten, so hilft man München nicht bei der Bewältigung der großen Zukunftsherausforderungen, meine Damen und Herren! Wir brauchen als Stadt planvolle und vor allem verlässliche Politik! Wir brauchen die verantwortungsbewusste und verlässliche Unterstützung von Bund und Freistaat bei der Gestaltung unserer Zukunft.
Sei es jetzt beim Thema ÖPNV, beim Umgang mit dem Klimawandel oder bei besseren Bildungschancen für unsere Kinder.
Deshalb nochmal hier mein Aufruf an Bund und Land: Fangt endlich an, die Zukunft zusammen mit den Städten gemeinsam zu gestalten und uns nicht ständig vor vollendete Tatsachen zu stellen, die dann im Nachgang ständig revidiert werden müssen!
Und noch konkret an den Freistaat gerichtet: Hört auf, die kommunale Selbstverwaltung zu beschneiden und uns beispielsweise die Bettensteuer einfach zu verbieten. Wir werden das nicht einfach so kommentarlos hinnehmen, das garantiere ich Ihnen.
Sehr geehrte Damen und Herren, zu diesen Investitionssummen gehört natürlich auch eine bittere Wahrheit. Wir müssen uns dafür in erheblichem Umfang verschulden.
Der Kämmerer plant für 2023 eine Kreditaufnahme von 1,3 Milliarden Euro. Es ist klar, dass wir auf einem Pfad sind, der zu einer erheblichen Verschuldung führt.
Ich hätte mir ehrlicherweise vor einigen Jahren nicht vorstellen können, dass wir 2023 einen Schuldenstand erreichen, der sich in der Höhe des bisherigen Schuldenhöchststands von 2005 bewegt.
Und natürlich sind das keine erfreulichen Zahlen. Und es sieht nicht so aus, dass es in den nächsten Jahren ohne eine weitere massive Schuldenaufnahme geht, wenn man sieht, in welchen Bereichen wir weiterhin investieren müssen, um die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt zu sichern. Noch können wir die Zinsen für diese Schulden bezahlen. Der aktuelle Haushalt sieht 63 Millionen für Zinsen vor. Zum Ende des MIP-Zeitraums könnten es laut der Stadtkämmerei schon Zinszahlungen über 150 Millionen Euro sein.
Das schränkt natürlich die Flexibilität und Handlungsfähigkeit deutlich ein. Nicht überraschend deshalb, was die Opposition sicherlich nachher sagen wird: Wir müssen sparen, sparen, sparen.
Alles schön und gut, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber ganz deutlich: Sagen Sie klar, in welchen Bereichen sollen wir den Druck vom Haushalt nehmen, in welchen Bereichen sollen wir wie den Haushalt entlasten? - Die CSU ruft sicherlich gleich: Spart euch die Radwege. Liebe CSU, wir geben über den Daumen gepeilt in 2023 und den folgenden Jahren einen einstelligen Millionenbetrag für neue Radwege aus. Wie das auf den Gesamthaushalt signifikante Auswirkungen haben soll und uns von der Aufnahme von Schulden befreit, das wissen nur Sie.
- Keinen weiteren Ausbau des ÖPNV? Ich glaube da ist sich die große Mehrheit im Stadtrat einig, dass der ÖPNV weiter ausgebaut und verbessert werden muss.
- Nichts mehr für den Klimaschutz tun?
- Kita- und Schulbau sein lassen?
- Wohnungsbau einstellen?
- Kein neues Personal wie Pflegekräfte, Pädagoginnen und Pädagogen, Erzieherinnen und Erzieher einstellen?
- Kürzungen im Sozialbereich?
- Sollen wir den Gasteig sein lassen?
Ich bin mir sicher, dass es bei keinem dieser Punkte irgendeine Mehrheit im Stadtrat gibt und dass auch die Opposition bei all diesen Punkten aufschreien würde: Nein, da darf man nicht kürzen!
Also seien Sie bitte so ehrlich und sagen Sie dann den Münchnerinnen und Münchnern, was Sie in Zukunft nicht mehr finanzieren wollen. Und zum Thema Personal noch ein paar Anmerkungen: Wir haben in den letzten Jahren, trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds und der schwierigen Haushaltslage, weitere dringend notwendige Personalstellen geschaffen und das machen wir auch wieder in diesem Haushaltsbe-
schluss. Aber wir erleben gerade, wie so viele andere Unternehmen: Nicht die Schaffung von Stellen ist das Problem, sondern die Menschen zu finden, die diese Stellen auch besetzen wollen!
Warum finden wir so wenige Leute oder warum wird es immer schwerer? Weil München teuer ist und die Menschen in München mehr verdienen müssten, was uns leider zum Teil bei den bestehenden Rahmenbedingungen (Stichwort: Pflegekräfte im Krankenhaus, das gilt aber auch in vielen anderen Bereichen) nicht erlaubt ist.
Aber wir brauchen für unser Personal auch bezahlbare Wohnungen, wir brauchen einen guten ÖPNV und natürlich auch gute Einrichtungen, in die das Personal auch gerne seine Kinder schickt. Auch wichtige Gründe, warum man in diesen Bereichen nicht einfach sparen kann.
Unsere Schwerpunkte können Sie also gut im Haushalt ablesen, der Kämmerer und der Personalreferent und die Koalitionsvertreterinnen und -vertreter werden Ihnen das im Anschluss auch noch darlegen.
Wie stark die Stadtverwaltung in den Krisen der letzten Jahre auch personell gefordert war, haben die vielen Stunden/Einsätze bei PEIMAN gezeigt. Die nicht nur für die Kolleginnen und Kollegen, die unmittelbar im Einsatz waren, sondern auch für diejenigen, die an den abgebenden Dienststellen die Abwesenheit kompensieren mussten, eine echte Herausforderung waren.
Ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank dafür sagen! Wir werden den PEIMAN-Einsatz zu Beginn des nächsten Jahres beenden, auch um in der Verwaltung wieder ein ,normales‘ Arbeiten zu ermöglichen.
Und vielleicht zeigen sich die Stadträtinnen und Stadträte nächstes Jahr auch etwas konzilianter und quälen die Verwaltung nicht mehr mit einer Flut an Anträgen, sondern stellen nur noch solche, die auch wirklich auf Erkenntnisgewinn oder vernünftige Vorschläge ausgerichtet sind. Das wär‘ doch mal was Neues, oder?
In diesem Sinne noch ein Zitat als Schlusswort. Aus einem Songtext von John Lennon: ‚You may say I‘m a dreamer, but I‘m not the only one‘.“
Achtung Redaktionen: Weitere Informationen zum Haushalt 2023 mit der Rede des Stadtkämmerers Christoph Frey und der Rede des Personal- und Organisationsreferenten Andreas Mickisch sind abrufbar unter https://stadt.muenchen.de/infos/hh2023reden.html.