Gibt es ein Baumbewässerungskonzept in München?
Anfrage Stadtrat Alexander Reissl (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 13.9.2022
Antwort Baureferentin Dr.-Ing. Jeanne-Marie Ehbauer:
In Ihrer schriftlichen Anfrage vom 13.9.2022 zum Thema „Gibt es ein Baumbewässerungskonzept in München?“ führen Sie Folgendes aus: „Der Sommer 2022 war von einer langen Phase hoher Temperaturen und wenig Niederschlag geprägt. Viele Pflanzen in München litten unter diesen Rahmenbedingungen – vor allem kleinere Zierpflanzen, Gräser und Sträucher, aber auch die großen, alten und für das Stadtklima wichtigen Bäume zum Beispiel an Straßenrändern.
Deswegen frage ich den Oberbürgermeister:
1. Gibt es für Zeiten großer Dürre ein Baumbewässerungskonzept der Landeshauptstadt München, in dem beispielsweise geregelt wird, welche Bäume wann und mit welcher Priorität gewässert werden? 2. Wenn ja, bei welchen Warnzeichen bzw. ab welchen messbaren Werten wird das Konzept umgesetzt?
3.Wenn nein, ist die Schaffung eines solchen Konzeptes geplant?“
Ihre Anfrage wurde zur Prüfung und Beantwortung an das zuständige Baureferat weitergeleitet. Ihre Fragen beantworten wir zusammengefasst wie folgt:
Bäume sind insbesondere in den dichten urbanen Bereichen mit geringen Flächenpotentialen die optimale Begrünung durch die Nutzung der dritten Dimension. Durch Verdunstung von bis zu 400 Liter Wasser pro Baum täglich über die Blattoberflächen und durch Verschattung tragen sie zur Abkühlung bzw. geringen Aufheizung des Stadtklimas bei. Auch zur Förderung der Biodiversität im urbanen Raum und dem damit verbundenen Naturerleben sowie hinsichtlich ihrer positiven gestalterischen Wirkung sind Bäume konkurrenzlos.
Stadtweit gibt es in München rund 800.000 Bäume auf öffentlichen Flächen, davon rund 110.000 Bäume an Straßen und öffentlichen Plätzen. Für ein regelmäßiges Bewässern der Bäume müssten hunderte Millionen Liter Wasser verwendet werden, um den Wasserbedarf der Bäume zu decken. Dies wäre mit einem immensen logistischen Aufwand, einer Vielzahl von LKW-Fahrten innerhalb des Stadtgebietes und enormen Kosten verbunden.Um den Bedingungen im Stadtraum und hinsichtlich des Klimawandels zu begegnen, verfolgt das Baureferat daher seit langem ein entsprechendes Konzept, bei welchem die Auswahl geeigneter Baumarten und die Herstellung optimaler Wuchsbedinungen am jeweiligen Baumstandort maßgeblich sind.
Bereits seit Mitte der 1990er Jahre erforscht das Baureferat federführend im Rahmen der bundesweit agierenden Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) geeignete Baumarten für das Stadtklima der Zukunft. Der Arbeitskreis Stadtbäume der Gartenamtsleiterkonferenz ist ein Gremium von Fachleuten aus verschiedenen Kommunen, die alle wichtigen Baumthemen diskutieren und allgemeinverbindliche Empfehlungen für den Verwender, wie Städte und Gemeinden, formulieren. Ein Schwerpunktthema ist die Bereitstellung der „Straßenbaumliste der GALK“, bei der ca. 175 Baumarten und -sorten seit 1975 regelmäßig bewertet werden. Vom Arbeitskreis Stadtbäume wird auch der bundesweite Straßenbaumtest für Bäume durchgeführt. Hier werden in verschiedenen Kommunen, darunter auch in München, vor allem „neue“ Baumarten aufgepflanzt und jährlich auf Eignung hin beurteilt. Als Ergebnis des Tests liegen Erkenntnisse über alle 175 Baumarten und auch darüber vor, welche zur Pflanzung speziell im Münchner Stadtgebiet für die zukünftigen Entwicklungen besonders geeignet sind.
Neben der Auswahl geeigneter Baumarten ist es Ziel des Baureferates, Baumstandorte baulich so herzustellen, dass sich Bäume dauerhaft selbst mit Wasser versorgen können und damit auch längere Trockenheits- und Hitzeperioden unbeschadet überstehen.
Bei Neu- und Umbaumaßnahmen findet deswegen die ZTV-Vegtra-Mü (Zusätzliche Technische Vorschriften für die Herstellung und Anwendung verbesserter Vegetationstragschichten) verbindlich Anwendung. Diese besagt, dass große Baumgruben mit 36 m³ Volumen herzustellen sind und ein spezielles Pflanzsubstrat zu verwenden ist. Die verwendete Substratmischung ist Ergebnis wissenschaftlicher Forschungen und jahrelanger Erprobung. Diese Baumgruben können bis zu 12.000 Liter Wasser speichern – allein dadurch kann ein Baum im Sommer mehrere Wochen ohne sonstige Wasserzufuhr schadlos überstehen. Außerdem wird durch tiefgründigen Einbau des Substrates die Erschließung tieferliegender, wasser- bzw. feuchtigkeitsführender Bodenschichten durch die Wurzeln gefördert.
Eine Ausnahme bzgl. des Bewässerns wird nur bei Neupflanzungen gemacht. Weil neu gepflanzte Jungbäume noch nicht über ein ausreichendes Wurzelsystem verfügen, werden diese im Rahmen der Entwicklungs-pflege über einen Zeitraum von mindestens 3 bis 5 Jahren gewässert, bis sich ein tief reichendes Wurzelsystem entwickelt hat und eine eigenständige Versorgung möglich ist. Dabei sind abhängig von der Witterung mehrmals wöchentlich Gießgänge erforderlich, bei welchen bis zu 250 Liter Wasser ausgebracht werden.
Dieses Vorgehen hat sich in der Praxis bewährt. Baumschädigungen durch Hitzestress auf öffentlichen Flächen sind in München auch allgemein kaum feststellbar.
Ein weiteres zukünftiges Optimierungsziel ist die Durchführung von Standortverbesserungsmaßnahmen an vorhandenen Baumstandorten. Muss ein Baum, der sein Lebensende erreicht hat, aus Verkehrssicherungsgründen ersetzt werden, soll auch dieser Standort optimiert werden. Dabei wird angestrebt, trotz z.B. bestehender Leitungen oder Fahrbahnränder möglichst große Baumgruben zu schaffen, um optimales Wachstum des Baumes und maximales Retentionsvolumen zu gewährleisten. In diesem Zuge muss das bestehende Erdreich ausgehoben und durch geeignetes Baumsub-
strat ersetzt werden. Bei circa 2.000 Ersatzpflanzungen jährlich müssen tausende Kubikmeter Substrat vorbereitet, bewegt und hunderte kleinere Baustellen im fließenden Verkehr abgewickelt werden. Das Baureferat setzt in begrenztem Umfang den großvolumigen Substrataustausch bei Ersatzpflanzungen bereits jetzt um. Für eine stadtweite Umsetzung stehen die notwendigen Ressourcen jedoch derzeit nicht zur Verfügung. Zur Entwicklung von geeigneten Prozessen und zur Ermittlung der erforderlichen Ressourcen für eine stadtweite Umsetzung wurde das Baureferat-Gartenbau daher im Rahmen der Fortschreibung des Klimaanpassungskonzeptes mit Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates vom 26.10.2022 beauftragt (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 07027, s. Maßnahmenblatt M3-4: Teil B – Umsetzung von Pilotprojekten zu Baumstandorten und Regenwasserbewirtschaftung; Einführung eines Substratmanagements und Standortverbesserungsmaßnahmen im Bestand.)
Anlage Maßnahmenblatt M3-4: Teil B kann abgerufen weren unter: https://risi.muenchen.de/risi/antrag/detail/7320022#ergebnisse