Pensionsansprüche intensiv hinterlegen
Antrag Stadträte Leo Agerer, Hans Hammer, Jens Luther und Alexander Reissl (CSU-Fraktion) vom 18.12.2020
Antwort Personal- und Organisationsreferent Dr. Alexander Dietrich:
In Ihrem Antrag fordern Sie:
„Die Landeshauptstadt München wird aufgefordert, die nur als Rückstellungen festgehaltenen Pensionsansprüche zuordenbar und werterhaltend/-steigernd durch Investitionen zu hinterlegen. Dies soll über Wohnimmobilien und deren künftige Mieteinnahmen geschehen, ggf. ergänzt durch einen Pensionsfonds mit mündelsicheren Geldanlagen. Dazu werden ab 2021 die Anstiege der Rückstellungen (auf der Passiv- seite) auf der Aktivseite in Wohnraum investiert. Zuständig dafür soll eine der städtischen Wohnungsbaugesellschaften werden, die dafür ein eigenes Wohnungsportfolio als Gegenpart für die Steigerung der Rückstellungen aufbaut. Erlöse aus Vermietung und Verpachtung werden für zukünftige laufende Versorgungsauszahlungen verwendet oder in weitere Investitionen in das Portfolio investiert.
Begründung
Zum heutigen Stand belaufen sich die Rückstellungen für Versorgungsansprüche für städtische Beschäftigte auf rund 7,4 Mrd. Euro. Bei realisti- scher Berechnung müssten diese schon heute wohl rund 11,7 Mrd. Euro betragen. Diese Rückstellungen spiegeln sich auf der Aktivseite der Bilanz nicht zuordenbar wider. Derzeit werden die Pensionen rein aus dem lau- fenden Haushalt bezahlt und es wird keine Vorsorge getroffen, dass diese Auszahlungen langfristig den Finanzhaushalt der LH München nicht über Gebühr belasten. Sie sind somit dem Risiko ausgesetzt nicht bedient werden zu können, sollte die LH München jemals in Zahlungsschwierigkeiten kommen.
Bei langfristig denkenden Unternehmen ist es üblich, Rückstellungen auf der Passivseite (entspricht Schulden) auf der Aktivseite gezielt mit Werten zu hinterlegen, die bzw. deren Erträge zur Bedienung dieser künftigen Zah- lungen zur Verfügung stehen. Bei mittelständischen deutschen Unternehmen ist der Deckungsgrad (Planvermögen d. h. Wert getätigter Investitio- nen für Bedienung von Pensionsverpflichtungen durch Verpflichtungshöhe) ca. 50%, im DAX bei konstant seit rund 10 Jahren bei ca. 67%. Laut Finanzanlagenbericht der LH München 2019 sind freiwillige und gesetzliche Finanzreserven für Pensionen und für die Versorgungsrücklage von rund 550 Millionen Euro ausgewiesen. Ein Teil davon ist im Rahmen des Programms ‚Wohnen in München V‘ als Schuldscheindarlehen an die GWG vergeben worden (08-14/V 12310). Die Gesamtsumme von 550 Mio. entspricht jedoch keinen 5% des Gegenwerts der nötigen Rückstellungen. Die entstandene Lücke von über 10 Mrd. Euro ist nicht mehr – oder zumindest nicht mittelfristig – zu schließen. Daher sollten Maßnahmen ergriffen werden, mittelfristig einen Deckungsgrad von 50% zu erreichen. Um im ersten Schritt ein weiteres Auseinanderklaffen zu verhindern, sollten min- destens die künftigen Anstiege der Rückstellungen durch wertsichere Investitionen gedeckt werden. Ziel muss es sein, die laufenden Pensionsverpflichtungen der Zukunft aus den laufenden Einnahmen der Geldanlagen zu finanzieren – und damit zu sichern.
Die Verbindung von Sicherung der Rückstellungen mit dem Wohnungsbau bedient zwei politische Ziele synergetisch. Gewinne/Erträge aus Immobilien können zur Bedienung der Pensionsverpflichtungen verwendet werden und dienen parallel der Schaffung von Wohnraum.“
Die Frist zur Beantwortung des Antrags wurde bis Januar 2022 verlängert.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag auf diesem Wege zu beantworten.
Zu Ihrem Antrag können wir Ihnen Folgendes mitteilen:
Die Versorgungsleistungen der Beamt*innen werden derzeit aus einem Umlagesystem bezahlt. Das bedeutet, dass die Ansprüche pensionsberechtigter Bediensteter der Landeshauptstadt München weitgehend nicht kapitalgedeckt (dotiert) sind, sondern den laufenden Einnahmen (insb. Steuern) entnommen werden.
Durch eine zukunftsorientierte Finanzpolitik der Landeshauptstadt München in den vergangenen Jahren konnte ungebundenes Vermögen angesammelt werden. Hieraus wurden zwei freiwillige Finanzreserven zur Absicherung wachsender Risiken bei der Finanzierung der Versorgungslasten gebildet. Die Versorgungsrücklage hat zum 31.12.2020 einen Stand von 113 Millionen Euro, die freiwillige Finanzreserve Pensionen einen Stand von 441 Millionen Euro. Der Bestand der Versorgungsrücklage ist seit 2017 unverändert, bei der freiwilligen Finanzreserve werden durch die Stadtkämmerei Sonderzuführungen getätigt, sofern es die Haushaltslage zulässt. Dadurch wird eine teilweise Kapitaldeckung der Pensionsansprüche angestrebt.Somit steht den künftigen Pensionsverpflichtungen im Umfang des aktuellen Gegenwerts i. H. v. rund 7.400 Millionen Euro nur eine Kapitaldeckung von rd. 554 Millionen Euro gegenüber.
Mit Beschluss vom 15.12.2010 „Erhöhung der Finanzreserve Freiwillige Pensionsrücklage“ (Sitzungsvorlage 08-14/V 05629) wurden vier Alternativen zur Absicherung von Pensionsansprüchen dargestellt. Fazit dieser Ausarbeitung war, dass nur durch eine zukunftsorientierte Finanzpolitik, die auf den Erhalt des Eigenkapitals und den Aufbau einer Ergebnisrücklage ausgerichtet ist, die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts gewährleistet werden kann und somit auch die zukünftigen Pensionsansprüche gesichert werden können.
Sofern man sich jetzt dazu entschließt, die existierende Lücke an für die bestehenden Versorgungsauszahlungen gebundenem Kapital durch In-
vestitionen in Wohnimmobilien zu reduzieren, entstehen für einen langen Zeitraum Mehrbelastungen im städtischen Haushalt. Neben den gebildeten Rückstellungen auf der Passivseite der Bilanz müssen zur Finanzierung der notwendigen Liquidität Verbindlichkeiten aufgebaut (Kreditfinanzierung) oder Anlagevermögen abgebaut/umgeschichtet werden. Bezugnehmend auf die aktuelle Haushaltslage der LHM sind derartige Investitionen kaum darstellbar, da die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts in der Zukunft nur mit strikter Ausgabendisziplin sichergestellt werden kann.
Gemäß dem Antrag sollen die Erlöse aus Vermietung und Verpachtung für künftige Versorgungsauszahlungen verwendet oder in weitere Investitionen in das Portfolio investiert werden.
Erlöse aus Vermietung und Verpachtung sind zunächst für die Instandhaltung der Immobilien zu reservieren. Darüber hinaus sind die in der Bilanz ausgewiesenen Pensionsrückstellungen nach der versicherungsmathematischen Berechnung mit einem sog. Abzinsungsfaktor i. H. v. derzeit 6% gem. Bewertungsrichtlinie Bayern versehen, der deutlich über den aktuell erzielbaren Marktrenditen liegt. Infolgedessen muss berücksichtigt werden, dass weitere Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung thesauriert werden sollten, um diesen Abzinsungseffekt auszugleichen.
Im Durchschnitt werden jährlich ca. 350 Millionen Euro reine Versorgungsauszahlungen für Beamt*innen (ohne Beihilfe und ohne Eigenversorgung) ausbezahlt. Ausgehend von einer Nettomietrendite von 1% müssten theoretisch rund 35 Milliarden Euro in Wohnungen investiert werden, um aus den Erträgen die Versorgungsauszahlungen in vollem Umfang leisten zukönnen. Die Nettomiet-Rendite liegt aktuell nicht viel höher als bei verzinslichen Bankeinlagen. Investitionen in diesem Umfang können lediglich über Jahre hinweg geleistet werden. Im Gegenzug müssten andere Investitionen zurückgefahren werden. Gemäß den Darstellungen im Mehrjahresinvestitionsprogramm 2020 -2024 mussten bereits Investitionen zeitlich nach hinten geschoben bzw. gestrichen werden, damit der Haushalt 2021 inkl. der betriebsnotwendigen Investitionen genehmigungsfähig war. Das gleiche Prozedere gilt für die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts 2022. Das Ziel, die laufenden Versorgungsauszahlungen aus Erlösen aus Vermietung und Verpachtung zu decken, ist somit nicht leistbar.
Gemäß dem Antrag soll mittelfristig ein Deckungsgrad von 50% der nötigen Pensionsrückstel
lungen erreicht werden. Ausgehend von den aktu-
ell ausgewiesenen Rückstellungen i. H. v. 7,4 Milliarden Euro abzgl. der bereits bestehenden Kapitaldeckung i. H. v. 554 Millionen Euro müssten mit
telfristig rd. 3,1 Milliarden Euro investiert werden. Um die künftigen Pensionsauszahlungen dann finanzieren/auszahlen zu können, müsste der aufgebaute Kapitalstock in Form von Immobilien durch entsprechende Verkäufe wieder abgeschmolzen werden. Das politische Ziel, Schaffung von Wohnraum, würde durch Investitionen in Neubau von Mietwohnungen zwar gesichert werden – zur Liquiditätsbeschaffung müssten diese in Zukunft dann wieder verkauft werden. Um dem politischen Ziel Erhalt des preiswerten Wohnraums Rechnung zu tragen, wären entsprechende Vorgaben zur Begrenzung des Mietpreisanstiegs für die potenziellen Käufer zu vereinbaren.
Damit die Kapitallücke nicht noch größer wird, sollen künftig die Anstiege der Rückstellungen (auf der Passivseite) auf der Aktivseite in Wohnraum investiert werden. Der wellenartige Anstieg der Pensionsrückstellungen (z. B. aufgrund von Besoldungserhöhungen) kann zu jährlichen Schwankungen in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags führen. Um entsprechende Investitionen vornehmen zu können, müssen auch rentierliche Immobilien auf dem Markt bzw. Flächen für den Wohnungsbau vorhanden sein.
Das Risiko, dass die Versorgungsauszahlungen in einer schwierigen Finanzlage nicht bedient werden können, ist sehr gering bzw. kaum vorhanden. Rein rechtlich gesehen kann kein Insolvenzverfahren gegen eine Gemeinde eröffnet werden (Art. 77 GO). Wenn sich Liquiditätsengpässe abzeichnen oder eine Zahlungsunfähigkeit droht, würde die Rechtsaufsichtsbehörde erforderliche Schritte einleiten (z. B. Aufstellung eines Haus-haltssicherungskonzeptes oder Unterstützungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs).
Die dauerhafte finanzielle Leistungsfähigkeit der Landeshauptstadt München muss durch eine nachhaltige und zukunftsorientierte Finanzpolitik sichergestellt werden, die auch die steigenden Versorgungslasten ausreichend berücksichtigt.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.