Smart City Index 2021 – Warum verliert München im nationalen Vergleich?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Leo Agerer, Andreas Babor, Sabine Bär, Hans Hammer und Winfried Kaum (CSU-Fraktion) vom 22.10.2021
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 22.10.21 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
Aufgrund der erforderlichen Klärungen und weiterer dringlicher Erledigungen konnte die Anfrage nicht in der geschäftsordnungsgemäßen Frist erledigt werden. Wir bitten hierfür um Verständnis.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Der sogenannte ‚Smart City Index‘ des Verbandes der deutschen Informa- tions- und Telekommunikationsbrache Bitkom vergleicht die genutzten Di- gitalisierungspotentiale deutscher Großstädte über 100.000 Einwohner. In der Erhebung für 2021 fiel München in der Gesamtwertung von Platz zwei auf Platz vier ab, was insbesondere mit der Verschlechterung in den Be- reichen ‚Energie und Umwelt‘ (Platz 12, ehemals Platz 2), ‚Mobilität‘ (Platz 10, ehemals Platz 2) und ‚Gesellschaft‘ (Platz 29, ehemals Platz 17) seit der letzten Erhebung zusammenhängt.“
Zu der Anfrage und zu den Fragen ist zunächst Folgendes auszuführen: Der Bitkom e.V. vertritt mehr als 2.000 Mitgliedsunternehmen aus den Bereichen Software und IT-Services sowie Telekommunikations- oder Internetdienste. Sein Blickwinkel auf Smart City ist aus der Perspektive eines Interessenvertreters der Industrie zu sehen.
Die Landeshauptstadt München hingegen bezieht sich bei der Definition einer Smart City auf die Smart City Charta des Bundes (vgl. Beschluss der Vollversammlung des Stadtrats zum Integrierten Smart City Handlungsprogramm vom 27.11.2019, Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 16378). Diese beruht u.a. auf der Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt und betont, dass die digitale Transformation den Kommunen Chancen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung bietet. Die Digitalisierung ist demnach ein Mittel, um ressourcenschonende und bedarfsgerechte Lösungen für die urbanen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts (z.B. Klimawandel, Flächenknappheit, Ressourcenverbrauch, Bürgerbeteiligung) zu entwickeln. Die Auswahl der Indikatoren für einen Smart City Index ist somit unterschiedlich, d.h. die Indikatoren des Bitkom e.V. spiegeln nicht in allen Fällen die Belange der Kommunen wider.
Frage 1:
Wie erklärt sich die Stadtverwaltung die schlechtere Platzierung in der diesjährigen Erhebung des Smart City Index?
Antwort:
Der Bitkom Smart City Index gliedert sich in fünf Bereiche mit insgesamt 36 Indikatoren. Diese setzen sich aus 133 Parametern zusammen, die für jede Stadt aus öffentlich zugänglichen Informationen gespeist werden. Für die Stadtverwaltung ist nicht nachvollziehbar, welche Werte der Landeshauptstadt München für die Parameter durch den Bitkom e.V. verwendet wurden. Eine genaue Einschätzung bzgl. der Verschlechterung oder Verbesserung in den Bereichen ist deshalb schwierig (vgl. Ausführung vorweg und Antwort zu Frage 2).
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat jedoch mit dem Direktorium vereinbart, alle künftigen Anfragen und Erhebungen zum Thema Smart City federführend zugeleitet zu bekommen, um diese zielgerichtet beantworten zu können.
Frage 2:
Welchen Stellenwert rechnet die Stadtverwaltung dem Smart City Index und Münchens neuer Platzierung zu?
Antwort:
Die Stadtverwaltung misst dem Smart City Index, aufgrund der unter Frage 1 ausgeführten intransparenten Methodik und auch aufgrund der unterschiedlichen Perspektive, vgl. oben, einen eher geringen Stellenwert bei. Gleichwohl wird die Landeshauptstadt München auch diesen Index berücksichtigen und künftigen Erhebungen dazu nachgehen.
Frage 3:
Welche Erklärung haben die verantwortlichen Referate für Klima- und Umweltschutz sowie für Mobilität angesichts der deutlichen Verschlechterung in ihren Aufgabenbereichen?
Antwort:
Das Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) hat sich wie folgt geäußert:
Aus dem Bereich „Energie und Umwelt“ kann das RKU lediglich zu den Indikatoren Stellung nehmen, die in dessen Zuständigkeit fallen. Hierbei handelt es sich um die Themenfelder „Photovoltaik“ und „Anteil E-Fahrzeuge“, die Federführung aller übrigen von Bitkom aufgeführten Indikatoren liegtbei anderen Referaten. Betreffend des allgemein gehaltenen Indikators „Weitere Pilotprojekte“ verweist das RKU auf aktuell in Umsetzung und kurz bevorstehende Projekte. Generell kann das RKU die Ergebnisse und Veränderungen des Rankings nicht beurteilen, da es keinen Einblick in die Zusammensetzung und die Bewertung zur Erstellung des Rankings hat.
Stellungnahme zum Index-Wert „Photovoltaik“
Der Ausbau von Photovoltaik in München ist ein wichtiges Standbein der Klimaschutzstrategie. Erforderlich ist ein nachhaltiges exponentielles Wachstum des PV-Zubaus von mindestens 30%, das in 2019/2020 erreicht wurde. Wichtig ist die Identifikation geeigneter Flächen für den Bau der Anlagen und die Erhöhung der Motivation der Gebäudeeigentümer. Soweit sinnvoll werden dabei auch moderne digitale Verfahren und Kommunikationsmittel eingesetzt:
- Solarpotentialkarte: digitale Potentialkarte der Stadt durch Auswertung von Laser-Scan-Befliegungsdaten und Verknüpfung von Datenbanken -Mitwirkung am Forschungsprojekt für KI-gestützte Auswertung digitaler Befliegungsdaten. Durch Anwendung künstlicher Intelligenz werden beispielsweise PV- und Solarthermieanlagen oder Gründachflächen gezählt, aber auch geeignete Potentialflächen ermittelt.
- Das Förderprogramm FES wird in der Stadtverwaltung mit einer speziellen Fördersoftware (FÖMIS) abgearbeitet, die regelmäßig aktualisiert wird.
- München nimmt an Wattbewerb teil: basierend auf einer automatisierten Auswertung des Marktstammdatenregisters (MaStR) findet ein zeitnahes Monitoring des PV-Zubaus statt; durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen LHM und NGOs werden auch die Social-Media-Kanäle für die Kommunikation des PV-Zubaus in München genutzt. -Die PV-Dachagentur wird eingerichtet, die – auch unter Zuhilfenahme digitaler Prozesse – die Vermittlung von Dachflächen organisieren soll.
Stellungnahme zum Index-Wert „Anteil E-Fahrzeuge“
Gemäß des Bitkom Smart City Index beträgt der „Anteil E-Fahrzeuge“ in München den kriterienbezogenen Wert von 91,20 (vgl. S. 24 der Studie). Der Gesamt-Spitzenreiter im Bereich „Energie und Umwelt“, Hamburg, hat im Rahmen der Studie bei diesem Kriterium den Wert 81,20 erhalten. Damit ist bei diesem Bewertungskriterium keine Verschlechterung und auch kein schlechteres Abschneiden im Vergleich zu den Spitzenreitern gemäß der Studie ersichtlich.Stellungnahme zum Index-Wert „Weitere Pilotprojekte“
Im Sachgebiet RKU-UVO22 werden derzeit zwei Bundesförderprojekte umgesetzt, die unter die Rubrik „Weitere Pilotprojekte“ fallen könnten. Im Rahmen des „Sofortprogramms Saubere Luft“ hat die Landeshauptstadt München gemeinsam mit der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V., der Technischen Universität München (Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik und Lehrstuhl für Verkehrstechnik) erfolgreich einen Förderantrag für das Projekt „München elektrisiert – Me“ beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gestellt und erhält rund 7 Millionen Euro vom Bund (Gesamtvolumen des Projekts: rund 10 Millionen Euro). Das Projekt hat eine Laufzeit von 48 Monaten und endet am 30. September 2022. Im Projekt werden zwei für die Stadt München wichtige Bereiche des Aufbaus von Ladeinfrastruktur zusätzlich gefördert und wissenschaftlich begleitet. Zum Einen die Errichtung von Ladepunkten auf privatem Grund und zum Anderen die Schaffung von öffentlicher Ladeinfrastruktur auf städtischem Grund durch private Anbieter.
Das RKU beteiligte sich zudem im Namen der Landeshauptstadt München bei der Ausschreibung „HyLand – Wasserstoffregionen in Deutschland“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) in der Kategorie „HyStarter“ (https://www.hy.land/) und erhielt im September 2021 die Information, dass der Antrag bewilligt wurde. Im Zeitraum von Mitte 2022 bis Mitte 2023 erhält damit die Landeshauptstadt München als Förderung eine fachliche und organisatorische Begleitung durch ein Expertenteam bei der Entwicklung eines regional zugeschnittenen Wasserstoffkonzepts sowie zur Bildung eines Netzwerks lokaler Wasserstoffakteure.
Das Ergebnis des HyStarter-Prozesses ist eine Konzeptstudie mit einem Maßnahmenkatalog und Umsetzungsfahrplan, basierend auf den untersuchten Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Wasserstofftechnologie in München und der Priorisierung der erfolgversprechenden Maßnahmen für verschiedenen Einsatzbereiche. Darauf aufbauend sollen gemeinsam mit dem im Rahmen des Prozesses entstandenen Akteursnetzwerk erste konkrete Ideen zur Realisierung von Pilot- und Demonstrationsvorhaben entwickelt und umgesetzt werden. Die Konzeptstudie sowie die erarbeiteten Projektideen werden dem Stadtrat nach Abschluss des HyStarter Prozesses im dritten Quartal 2023 vorgestellt.
Allein vor dem Hintergrund der laufenden bzw. bewilligten Projekte im Bereich „Klimaneutrale Antriebe“ des RKU ist die Index-Bewertung 0,0 der Studie im Bereich „Weitere Pilotprojekte“ (Seite 24) nicht nachvollziehbar.
Allgemeine Ziele
Noch im Jahr 2022 wird das RKU die gesamte Förderlandschaft von Klimaschutzmaßnahmen neu strukturieren. Hierbei soll eine deutlich benutzer*innenfreundliche und über alle Förderbereiche einheitliche digitale Oberfläche generiert werden, die die Bürger*innen intuitiv durch die einzelnen Schritte des Antrags leitet. Diese Maßnahme folgt dem Ziel des vereinfachten Zugangs zum Klimaschutz, es unterstützt die Bürger*innen bei der Erreichung der Klimaneutralität.
Das RKU verweist in diesem Zusammenhang auch auf den Grundsatzbeschluss I (Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates vom 28.7.2021, Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 03533) & II (Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates vom 19.1.2021, Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 05040) und die darin enthaltenen weitreichenden Maßnahmen, die unter anderem auch in Zusammenhang mit der Digitalisierung stehen.
Das Mobilitätsreferat (MOR) hat sich wie folgt geäußert: Im Bereich Mobilität wurden 2021 von der bitkom im Rahmen des „Smart Citx Index“ die sechs Indikatoren Parken, Smartes Verkehrsmanagement, Smarter ÖPNV, Sharing-Angebote, Multimodalität und Letzte-Meile-Logistik bewertet.
Für die Zeit vor der Gründung des Mobilitätsreferats kann und will das Mobilitätsreferat keine Bewertung abgeben. Nachfolgend beschriebene Aktivitäten und Initiativen des Mobilitätsreferats lassen aber eine bessere Bewertung beim nächsten Mal erwarten:
Für die Indikatoren Parken, Smarter ÖPNV und Sharing-Angebote hat das MOR zur Gründung im Januar 2021 bereits erfolgreiche Aktivitäten (HandyParken München App, AG Sharing), F&E-Projekte (Projekte wie TEM-PUS, GeoSense) und Umsetzungen (Pilot Dashboard Mikromobilität) aus anderen Referaten (PLAN, BAU, KVR, RAW) übernommen und setzt diese auch weiterhin fort.
Mit dem Shared Mobility Beschluss (Sitzungsvorlagen Nr. 20-26/V 04857) wurden fehlende Themen und Aktivitäten identifiziert und für Januar 2022 eine Strategie zur Umsetzung vorgelegt. Mit den im Beschluss genannten Themen wie z.B. Mobility as a Service, On demand Mobility, Mobilitätsplattform und Mobilitätsbudgets wird die LHM ab kommenden Jahr neue Initiativen und Maßnahmen starten, welche in den betrachteten Index-Indikatoren zu Mobilität auf bessere Einwertung schließen lassen dürfen.
Ergänzend äußert sich das Referat für Stadtplanung und Bauordnung (PLAN) wie folgt:Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung ergänzt die Ausführungen des RKU und des MOR zu aktuellen und künftigen Projekten und Maßnahmen im Bereich des Klimaschutzes und der Klimaanpassung. Insbesondere mit dem Energienutzungsplan (Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/V 07115) und der Grünen Stadt der Zukunft (Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/V 15796) sowie dem Beschluss zum Klimaneutralen München 2035 – Ziele und Umsetzungsstrategie des Referats für Stadtplanung und Bauordnung (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 03873) wurden seitens PLAN weitere wichtige Bausteine für die Klimaneutralität in den Stadtrat eingebracht. Das PLAN ist bei der Umsetzung dieser Maßnahmen und Projekte aktiv beteiligt.
Frage 4:
Welche Schlüsse sollen aus der Verschlechterung der Ergebnisse gezogen werden?
Antwort:
Die Platzierung der Landeshauptstadt München im Smart City Index des Bitkom e.V. macht keine validen Aussagen über die Entwicklung der Stadt als Smart City. Somit können, im Rahmen des von der LHM zugrunde gelegten Maßstabs, keine ausreichend fundierten bzw. nachvollziehbaren Schlüsse für die künftige Entwicklung Münchens als Smart City gezogen werden.
Frage 5:
Welche konkreten Maßnahmen sollen ergriffen werden, um die Wirksamkeit von Digitalisierungsmaßnahmen wieder zu erhöhen und München wieder nach vorne zu bringen?
Antwort:
Mit dem Beschluss zum Integrierten Smart City Handlungsprogramm (vgl. Beschlussvorlage Nr. 14-20/V 16378 vom 27.11.2019) hat die Vollversammlung des Stadtrats den Rahmen geschaffen, um München als Smart City weiterzuentwickeln. Hier findet die Zusammenführung von Maßnahmen der Digitalisierung mit Inhalten der Stadtentwicklung statt. Konkrete Maßnahmen und Bedarfe zur Weiterentwicklung Münchens als Smart City werden im jährlichen Rhythmus aus dem Handlungsprogramm an den Stadtrat herangetragen.
Die Landeshauptstadt München hat sich sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene erfolgreich für eine Vielzahl von Ausschreibungen für Förderprojekte unter der Überschrift Smart City beworben. Dabei sind sehr viele Bereiche der Stadtentwicklung integriert worden. Die Zusagen und die Umsetzung der Förderprojekte sowie die stetig anwachsende Integration der Ergebnisse in die laufende Verwaltung werden als Ausdruck für eine erfolgreiche Umsetzung der Ziele im Sinne der Smart City Charta gewertet.