Strom aus der Straße – Photovoltaik-Straßenbelag auch eine Idee für München?
Antrag Stadtrat Manuel Pretzl (CSU-Fraktion) vom 11.2.2021
Antwort Christine Kugler, Referentin für Klima- und Umweltschutz:
Sie beantragen, dass das Referat für Klima- und Umweltschutz in Zusammenarbeit mit dem Mobilitätsreferat und dem Baureferat den Einsatz von Photovoltaik-Bodenbelägen in München sowie die Realisierung eines Pilotprojekts prüft.
Zunächst möchten wir uns für die gewährte Fristverlängerung zur Beantwortung Ihrer Anfrage bedanken. Ihr Einverständnis vorausgesetzt erlauben wir uns Ihren Antrag per Brief zu beantworten.
Zu Ihrem Antrag vom 11.2.2021 teilen wir Ihnen Folgendes mit:
Es gab ähnliche Anträge im Jahr 2015 (Solarstadt München I: Solarmodule in der Fußgängerzone; Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 02836 vom 5.5.2015) und 2019 (Modellversuch für Solarflächen; Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 11442 vom 28.5.2019).
Unter anderem unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieser früheren Antragsprüfungen hat das Referat für Klima- und Umweltschutz in Zusammenarbeit mit dem Mobilitätsreferat und dem Baureferat den Einsatz von Photovoltaik-Bodenbelägen auf öffentlicher Verkehrsflächen gemäß Ihrem Antrag bewertet. Gemäß den nachfolgend näher ausgeführten Schlussfolgerungen ergab sich, dass der im Antrag beschriebene Ansatz für die Landeshauptstadt München den Anforderungen an Oberflächen öffentlicher Verkehrsflächen nicht im erforderlichen Umfang genügt sowie weiterhin kein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis besitzt und deshalb derzeit als nicht zielführend und erfolgversprechend bewertet wird und der Ansatz daher nicht weiter verfolgt wird.
Hinsichtlich der Oberflächen öffentlicher Verkehrsflächen müssen Anforderungen an Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit erfüllt werden, die in einschlägigen Normen geregelt sind. Es muss eine ausreichende Rutschfestigkeit bei unterschiedlichsten Witterungsbedingungen (u.a. Nässe und Glätte) sowie eine Widerstandsfähigkeit auch gegenüber starker Beanspruchung wie bei Reinigung und Winterdienst gewährleistet sein.Zudem gibt es bei öffentlichen Verkehrsflächen regelmäßig den Bedarf, diese aufgrund notwendiger Arbeiten aufzugraben. Aufgrund der hohen Investitionskosten der Module können aufgegrabene Flächen nicht in wirtschaftlicher Weise mit Photovoltaik-Modulen wiederhergestellt werden.
Die Bewertung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses ergibt, dass hohe Anschaffungskosten einem eher geringen Nutzen gegenüberstehen. Der Stromertrag ist sowohl aufgrund der Beschattung von mehrgeschossigen Gebäuden als auch aufgrund der Montage auf dem Boden und der Oberflächenbeschaffenheit solcher PV-Module deutlich geringer als bei Modulen, die auf Dächern montiert sind. Studienergebnisse zur Effizienz bestätigen diese Bewertung (siehe z.B. https://futurezone.at/science/erste-studien-zeigen-so-effizient-sind-solar-strassen-wirklich/400132133 ).
Das Mobilitätsreferat hat zum Einsatz von Photovoltaik-Bodenbelägen in München am 4.10.2021 folgende Stellungnahme abgegeben:
„Für den Einbau im öffentlichen Verkehrsraum sind die Einschätzungen des Straßenbaulastträgers (Baureferat) maßgebend. Für die Verkehrssicherheit ist grundsätzlich auf einen ausreichenden Reibungsbeiwert zu achten. Weiter ist zu beachten, dass im dichten innerstädtischen Verkehr auch eine visuelle Änderung der Oberfläche verkehrsträgerunabhängig zu Unsicherheiten und ggf. Gefährdungen im Verkehrsablauf führen kann. Weiter scheint eine Anlage auf Parkplätzen in München infolge weitgehend dauerhafter Verschattung technisch nicht zielführend.
Der Vorteil der Netzunabhängigkeit ist für sehr dezentrale Standorte im au-ßerörtlichen Bereich bzw. ggf. auch in städtischen Grünanlagen sicherlich von Relevanz. Im angebauten innerstädtischen Bereich erscheint jedoch eine Dauerhaftigkeit der Beleuchtung bzw. Ladeleistung auch bei stärkeren Nutzungen bzw. ungünstigeren Nutzungskonstellationen entscheidend. Dies kann mit netzgebundenen Systemen stets erreicht werden, ohne dass die Nutzenden ggf. aufgeklärt werden müssen, dass die Leistung technisch bedingt entsprechend gedrosselt bzw. ausgesetzt wurde.“
Das Baureferat hat in seiner Stellungnahme vom 5.10.2021 darauf hingewiesen, dass die wesentlichen Aussagen der im Jahr 2015 und 2019 verfassten Stellungnahmen weiterhin gültig sind, da keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich dem Einsatz von Photovoltaik-Bodenbelägen in München vorliegen.
In der Stellungnahme vom 16.1.2015 teilte das Baureferat u.a. mit:„Öffentliche Verkehrsflächen (Straßen, Wege und Plätze) in Deutschland dienen nach ihrer gesetzlichen Bestimmung in erster Linie zur sicheren Abwicklung des Verkehrs sowie zur Aufnahme der öffentlichen Ver- und Entsorgungsinfrastruktur. In den Flächen muss daher sichergestellt sein, dass die darin befindlichen Anlagen und Leitungen für den Umbau und die Wartung jederzeit zugänglich sind und die verkehrssichere und wirtschaftliche Wiederherstellung der Oberfläche durch die Versorgungsunternehmen möglich ist. Weiterhin ist seitens des Baureferates als Straßenbaulastträger für diese Flächen dauerhaft ein verkehrssicherer Zustand zu gewährleisten. Zur Herstellung von Oberflächenbefestigungen von öffentlichen Verkehrsflächen können daher generell nur Produkte zum Einsatz kommen, die die Anforderungen der in Deutschland geltenden einschlägigen technischen Normen im Hinblick auf die Herstellung, die Sicherheit, den Gesundheitsschutz und die Gebrauchstauglichkeit erfüllen. Da sich insbesondere die klimatischen Verhältnisse im Winter in den Niederlanden nicht ohne weiteres auf München übertragen lassen (Schneefall, Eisglätte), wären vor einem Einsatz der dort verwendeten Solarpanelen entsprechende weitergehende Untersuchungen der Glasoberflächen notwendig, inwieweit sich diese als widerstandsfähig gegenüber der mechanischen Reinigung mit Schneeräumfahrzeugen sowie dem Einsatz abstumpfender oder chemisch-physikalisch wirksamer Streumittel erweisen. Im Zusammenhang mit der Verwendung von Solarpanelen als Oberflächenbelag sind zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit neben einer ausreichenden Rutschfestigkeit bei Nässe und Glätte die Auswirkungen von Lichtreflexionen (z.B. Blendwirkung) sowie der Verletzungsgefahr, z.B. durch Glassplitter von beschädigten Elementen (Bruchverhalten), von Bedeutung. Hierfür wären vorab entsprechende Untersuchungen durchzuführen und an das deutsche Regelwerk angepasste sicherheitskonforme Anforderungen zu definieren. Zudem ist zu bedenken, dass bei Aufgrabungen, z.B. zur Reparatur von Leitungen, eine wirtschaftliche Wiederherstellung der Flächen aufgrund der hohen Investitionskosten der Module nicht möglich ist.
Aus den vorgenannten Gründen eignen sich daher stark frequentierte öffentliche Verkehrsflächen (...), die eine hohe Dichte an Leitungen der öffentlichen Ver- und Entsorgungsinfrastruktur sowie eine enge, mehrgeschossige, Schatten werfende Bebauung aufweisen und die zudem einer starken Beanspruchung durch Reinigung und Winterdienst sowie einer hohen Aufgrabungsintensität ausgesetzt sind, für die Herstellung von Versuchsflächen mit solch kostenintensiven innovativen Oberflächenbelägen wie Solarpanelen beim derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht.“In der Stellungnahme des Baureferats vom 31.1.2019 wird darauf hingewiesen, dass „im Vergleich zu einer PV-Standardaufdachanlage (…) bei diesen Kosten und dem vom Hersteller prognostizierten Ertrag der wirtschaftliche Betrieb einer solchen PV-Anlage auf Radwegen aktuell nicht gegeben“ ist.
„Aufgrund weiterer Anforderungen (z.B. einer Sonneneinstrahlung, die im innerstädtischen Bereich aufgrund von Beschattung durch Bebauung und Bewuchs etc. i.d.R. nicht ausreichend gegeben ist) sowie häufiger Aufgrabungen in den öffentlichen Verkehrsflächen und den daraus folgenden hohen Wiederherstellungskosten hält das Baureferat die Durchführung eines solchen Modellversuchs auf Radwegen in München derzeit nicht für zielführend und erfolgsversprechend.“
Zusammenfassend möchte ich feststellen:
Die Prüfung Ihres Antrags zum Einsatz von Photovoltaik-Bodenbelägen in München hat ergeben, dass diesem Einsatz von Photovoltaik-Bodenbelägen in München sowohl wirtschaftliche als auch technische Gründe entgegensprechen. Wie schon bei der Beantwortung früherer Stadtratsanträge (Solarstadt München I: Solarmodule in der Fußgängerzone; Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 02836 vom 5.5.2015) und 2019 (Modellversuch für Solarflächen; Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 11442 vom 28.5.2019) dargestellt, ist der in Ihrem Antrag vorgeschlagene Ansatz für die Landeshauptstadt München weiterhin nicht zielführend und erfolgversprechend.
In München wird bei geringerem Finanzbedarf durch den Einsatz von technisch erprobten Photovoltaik-Modulen auf bisher ungenutzten Dachflächen ein höherer Stromertrag als mit Modulen im Straßenbelag erzielt werden können.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.