Anzahl registrierter Waffenbesitzer*innen in Münchens rechtsextremer und Querfront-Szene
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Nimet Gökmenoglu, Dominik Krause, Gudrun Lux, Thomas Niederbühl, Christian Smolka (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) und Cumali Naz, Lena Odell, Christian Vorländer, Micky Wenngatz (SPD/Volt-Fraktion) vom 23.9.2021
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Auf Ihre Anfrage vom 23.9.2021 nehme ich Bezug. Sie haben folgenden Sachverhalt vorausgeschickt:
„Am Abend des 20. September 2021 soll ein radikaler Masken-Gegner einen Kassierer in einer Tankstelle erschossen haben, nachdem dieser ihn auf die Corona-Maskenpflicht aufmerksam machte. Bereits kurz nach der Tat wird der Täter von Rechtsextremen im Internet gefeiert. Expert*innen warnen seit Monaten vor einer Radikalisierung der sogenannten Querdenker-Szene. Erst am Morgen des 20. September 2021 hatte die Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München (firm) abermals eindringlich auf die Radikalisierungsprozesse auch in der Münchner Szene hingewiesen. ‚Zwar schrumpfte die Bewegung zwischenzeitlich in absoluten Zahlen, die Anzahl der Kundgebungen bleibt jedoch auf einem hohen Niveau,‘ heißt es in dem am 20. September 2021 veröffentlichten Papier des Mitglieds des kommunalen Netzwerkes gegen Rechts der LH München. Es brauche mehr als einen kritischen Blick auf diese Bewegung, heißt es in dem Papier weiter:
‚Denn die auf den Versammlungen verbreiteten Inhalte zeugen von einer zunehmenden Radikalisierung der Akteur*innen, viele ihrer Positionen sind antidemokratisch.‘ ‚Diesen antidemokratischen Tendenzen muss konsequent begegnet werden,‘ schließt der kommunale Partner, ‚z.B., indem gemachte Auflagen durchgesetzt werden und die Gefahr, die von der Szene ausgeht, von den Sicherheitsbehörden auch auf lokaler Ebene ernst genommen wird.‘“
Aufgrund Ihrer Anfrage wurde eine Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV) eingeholt. Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen daher Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Wie viele registrierte Waffenbesitzer*innen gibt es in München, die der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind?
Antwort des BayLfV:
„Eine Aufschlüsselung von Extremisten mit waffenrechtlichen Erlaubnissen erfolgt durch das BayLfV regelmäßig zum Sachstand 30.6. und 31.12. eines jeden Jahres bis auf die Ebene der Regierungsbezirke. Eine detaillierte Aufschlüsselung bis auf die kommunale Ebene erfolgt nicht. Im Rahmen der letzten Abfrage zum 30.6.2021 wurden dem KVR München durch das BayLfV über das StMI die Namen der Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum übermittelt, die über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügen.
Die heterogene Querdenker-Szene unterliegt als solche nicht der Beobachtung durch das BayLfV. Die Feststellung, dass Einzelpersonen oder Gruppierungen im Zuge der Corona-Pandemie zu gewaltsamen Handlungen
gegen staatliche Einrichtungen oder Repräsentanten aufrufen oder sich daran beteiligen sowie Stör- und Sabotagehandlungen gegen staatliche Infrastruktur planen oder durchführen, hat das BayLfV jedoch veranlasst, ein neues Sammelbeobachtungsobjekt ‚Sicherheitsgefährdende demokratiefeindliche Bestrebung‘ einzurichten.
Eine Unterscheidung von Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum sowie Personen aus dem Bereich der ‚sicherheitsgefährdenden demokratiefeindlichen Bestrebung‘ wurde im Rahmen der Übermittlung von Extremisten mit waffenrechtlichen Erlaubnissen nicht getroffen. Demnach sind in der bereits an das KVR übermittelten Liste zum Sachstand 30.6.2021 sowohl die Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum als auch Personen aus dem Bereich der ,sicherheitsgefährdenden demokratiefeindlichen Bestrebung‘ enthalten.“
Mit der Aufschlüsselung des BayLfV (Stand 30.6.2021) wurden dem KVR insgesamt 27 Personen gemeldet. Von diesen werden 19 Personen dem rechtsextremen Spektrum bzw. dem Sammelbeobachtungsobjekt „Sicherheitsgefährdende demokratiefeindliche Bestrebung“ zugeordnet.
Frage 2:
Wie viele registrierte Waffenbesitzer*innen gibt es in München, die der sogenannten Querdenker-Szene zuzuordnen sind?
Antwort des KVR:
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 1.
Frage 3:
Wie viele registrierte Waffenbesitzer*innen in München sind beiden oben genannten Gruppen zuzuordnen?
Antwort des KVR:
Vorab sei ausgeführt, dass die waffenrechtliche Zuverlässigkeit bei Personen, welche vom BayLfV dem extremistischen Spektrum zugeordnet werden, durch die Waffenbehörde des KVR gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Waffengesetz (WaffG) zu beurteilen ist. Diese Regelung lautet wie folgt:
„Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren
a) Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die
aa) gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind, bb) gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere ge- gen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind oder cc)durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorberetungs handlungen
b) Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder
c) eine solche Vereinigung unterstützt haben.“
Hinsichtlich der entsprechenden, aktuellen Auflistung des BayLfV (Stand 30.6.2021) fallen insgesamt 27 Personen, welche vom BayLfV dem extremistischen Spektrum zugeordnet werden und welche im Besitz von waffenrechtlichen Erlaubnissen – zum Besitz für erlaubnispflichtige Waffen (Waffenbesitzkarte) oder zum Führen für erlaubnisfreie Schusswaffen (Kleiner Waffenschein: dieser dient zum Führen von erlaubnisfreien Gas-, Schreckschuss- und Signalwaffen) – sind oder waren oder einen entsprechenden Antrag gestellt haben, in die Zuständigkeit des KVR. Von diesen 27 Personen aus dem extremistischen Spektrum
-sind 19 Personen dem rechtsextremistischen Spektrum und/oder der sogenannten Querdenker-Szene zugeordnet und
-sind 8 Personen den Bereichen Islamismus, Ausländerextremismus und sonstigen Bereichen zugeordnet.
Von den 19 Personen, welche dem rechtsextremistischen Spektrum und/ oder der sogenannten Querdenker-Szene zugeordnet sind,
-wurde bei 1 Person die beantragte waffenrechtliche Erlaubnis zum Besitz von erlaubnispflichtigen Schusswaffen rechtskräftig versagt,
-sind oder waren 11 Personen im Besitz von Erlaubnissen für erlaubnispflichtige Schusswaffen,
-Bei 7 Personen von diesen 11 Personen lagen keine ausreichenden Gründe für einen Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG (oder anderer Regelungen) vor. -Bei 3 Personen von diesen 11 Personen wurden Widerrufsverfahren durchgeführt, für welche derzeit Rechtsmittelverfahren anhängig sind.
-Bei 1 Person von diesen 11 Personen unterlagen LHM und Landesanwaltschaft im Rechtsmittelverfahren und der Widerrufsbescheid musste aufgehoben werden.
-sind oder waren 7 Personen lediglich im Besitz von Erlaubnisse zum Führen von erlaubnisfreien Schusswaffen (Kleiner Waffenschein).
-Bei 3 Personen von diesen 7 Personen lagen keine ausreichenden Gründe für einen Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG (oder anderer Regelungen) vor. -Bei 2 Personen von diesen 7 Personen wird derzeit noch die Einleitung eines Widerrufsverfahrens geprüft.
-Bei 1 Person von diesen 7 Personen wurde ein Widerrufsverfahren durchgeführt, für welches derzeit ein Rechtsmittelverfahren anhän gig ist.
-Bei 1 Person von diesen 7 Personen wurde ein Widerrufsverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen.
Gemäß einer Weisung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration (StMI), sind die bayerischen Waffenbehörden im Übrigen verpflichtet, sich mit dem Ministerium abzustimmen, wenn aufgrund unzureichender Nachweise zu extremistischen Bestrebungen ein Widerrufsverfahren/ein Versagungsverfahren unterbleiben soll. Bei den oben aufgeführten 10 Personen (7 Personen mit Erlaubnissen für erlaubnispflichtige Schusswaffen und 3 Personen mit Erlaubnissen zum Führen von erlaubnisfreien Waffen) wurde gemäß der Weisung des StMI die Entscheidung darüber, dass keine ausreichenden Gründe für einen Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis vorliegen, jeweils gemeinsam von dem Ministerium und der Waffenbehörde des KVR herbeigeführt.
Exemplarisch werden die jeweiligen Entscheidungsgründe erläutert. Bei einigen Personen kam das BayLfV zu dem Ergebnis, dass der Anfangsverdacht, dass geplant sei, gegen die verfassungsmäßige Ordnung zu verstoßen, Bürgerwehren bilden zu wollen, Selbstjustiz üben zu wollen und mit Waffengewalt gegen Minderheiten und politische Repräsentant*innen vorgehen zu wollen, sich nicht erhärtet habe und dass entsprechende Er-mittlungsverfahren einzustellen seien. Laut erneuter Nachfrage der Waffenbehörde des KVR beim BayLfV lagen auch bei den betroffenen Personen im Einzelnen keine Erkenntnisse vor, welche für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse relevant sein könnten.
Aus einem Strafurteil (50 Tagessätze Geldstrafe wegen Beleidigung aufgrund fremdenfeindlicher Äußerung) ergaben sich in einem anderen Fall keine ausreichenden Gründe, um die Zuverlässigkeit gemäß § 5 WaffG zu verneinen.
In weiteren Fällen sind Erkenntnisse und Beobachtungen über die Teilnahme an Veranstaltungen von Organisationen, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft werden, nicht hinreichend bestätigt oder aus anderen Gründen nicht verwertbar.
Zwei Strafverfahren, die aufgrund Beleidigungen mit fremdenfeindlichen bzw. antisemitischen Äußerungen eingeleitet wurden, wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Somit bestand für einen Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis in beiden Fällen keine Rechtsgrundlage.
Frage 4:
Gibt es in Bezug auf die obenstehenden Gruppen Regelabfragen beim Verfassungsschutz?
Antwort des KVR:
Eine Abfrage beim BayLfV erfolgt bei erstmaliger Antragstellung für eine waffenrechtliche Erlaubnis. Ebenso erfolgt eine Regelüberprüfung spätestens alle 3 Jahre gemäß § 4 Abs. 3 WaffG. Zudem unterrichtet das BayLfV die Waffenbehörden gemäß § 5 Abs. 5 WaffG, falls bezüglich eines/r Inhaber*in einer waffenrechtlichen Erlaubnis im Nachhinein relevante Erkenntnisse bekannt werden.
Auf Grund einer Weisung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration, waren im Übrigen die bayerischen Waffenbehörden verpflichtet, alle Inhaber*innen einer waffenrechtlichen Erlaubnis initial einer Überprüfung durch das BayLfV bis 30.6.2021 zu unterziehen, was bei der LHM auch erfolgt ist.
Frage 5:
Gibt es in Bezug auf die obenstehenden Gruppen Austausch mit anderen Bundesländern?
Antwort des KVR:
Es gibt keinen regelmäßigen Austausch zwischen der Waffenbehörde des KVR und den Behörden anderer Bundesländer hinsichtlich des Vorliegens von Erkenntnissen aus dem extremistischen Spektrum. Erlangt jedoch dieWaffenbehörde des KVR Kenntnis von dem Vorliegen von entsprechenden Informationen bei Behörden anderer Bundesländer bezüglich der Inhaber*innen oder Antrag*stellerinnen waffenrechtlicher Erlaubnisse im Zuständigkeitsbereich des KVR, so werden die entsprechenden Informationen durch das KVR bei den anderen Behörden angefordert. Umgekehrt leitet die Waffenbehörde des KVR bei Personen mit auswärtigen Hauptwohnsitz auch entsprechende Informationen an die zuständigen Behörden weiter.
In diesem Zusammenhang möchten wir darauf hinweisen, dass sich Herr Oberbürgermeister Dieter Reiter mit Schreiben vom 14.8.2020 an den Deutschen Städtetag gewandt hatte. Anlass hierfür war der Umstand, dass der rechtsextreme Hanauer Attentäter Tobias R., ohne melderechtlich erfasst zu sein, seinerzeit längere Zeit in München wohnte und hier seine Schusswaffen verwahrte. Das Kreisverwaltungsreferat war hierüber jedoch nicht informiert.
Herr Oberbürgermeister hat daher um eine entsprechende Gesetzesinitiative gebeten mit dem Ziel, im Falle auswärtiger Schusswaffenaufbewahrung die gegenseitige Informationsübermittlung zwischen den Waffenbehörden zu verbessern und eine entsprechende Information der Sicherheitsbehörden über das Nationale Waffenregister sicherzustellen.
Ich bitte von den Ausführungen Kenntnis zu nehmen und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.