Droht durch die Corona-Impfpflicht eine Verschärfung des Personalmangels in Pflege- und Gesundheitsberufen in München?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 1.2.2022
Antwort Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Nach den Plänen der Bundesregierung und des Gesundheitsministers müssen ab ca. Mitte März alle Beschäftigten in Kliniken, Arztpraxen, Reha- zentren, Rettungsdiensten, Einrichtungen zur Betreuung von älteren, behinderten oder pflegebedürftigen Menschen, ambulanten Pflegediensten etc.1 vollständig gegen das Corona-Virus geimpft sein. Nun warnen jedoch die Expert:innen des Deutschen Pflegerats vor Betreuungsproblemen, da in der Branche ohnehin ein Personalmangel bestehe und jede drohende Kündigung die Versorgungslage weiter verschärfe.2 Außerdem wird beschrieben, dass sich Pflegekräfte als ‚Sündenböcke‘ der Nation fühlen, da die Impfpflicht vorerst nur für sie gelten soll. Inzwischen mehren sich die Stimmen, die sich gegen eine Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitsberufe aussprechen. Angestellte können wohl vorerst weiterarbeiten.3“
1Vollständige Liste unter: https://www.der-paritaetische.de/themen/gesundheit-teilhabe-und-pflege/impflicht-in-gesundheits-und-pflegeeinrichtungen-sowie-bei-anbietern-von-leistungen-fuer-men- schen-mit-beeintraechtigungen/betroffene-einrichtungen-und-unternehmen-sowie-personen/
2Vgl. https://www.tagesschau.de/inland/impfpflicht-pflegerat-101.html
3 http://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-coronavirus-dienstag-275.html
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die darin aufgeworfenen Fragen beantworte ich wie folgt:
Frage 1:
Wie bereiten sich die Landeshauptstadt München und die betroffenen städtischen Einrichtungen (Kliniken, Pflegeheime etc.) auf die anstehende Impfpflicht in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen vor?
Antwort:
Zur Bewältigung des dem Gesundheitsreferat (GSR) als Gesundheitsamt obliegenden Vollzugs der Regelungen des § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) und der Durchführung der damit verbundenen Verwaltungsverfahren, im Rahmen derer auch über die Fragen der Anordnung von Betretungs- und Tätigkeitsverboten zu entscheiden ist, wurden im GSR bereits sowohl die organisatorischen als auch die personellen Voraussetzungen geschaf-fen. Innerhalb des GSR ist ein neu geschaffener Bereich in der Sonderorganisation Corona für die Umsetzung der Vorgaben des § 20a IfSG zuständig.
Das GSR steht zudem bereits seit Beginn der Corona-Pandemie im engen Austausch mit den betroffenen Einrichtungen und Unternehmen, um diese bei der Bewältigung der Pandemie und der Umsetzung der Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes zu unterstützen. Die Einrichtungs-/Unternehmensleitungen erhalten vom GSR die entsprechenden Informationen zur Umsetzung der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht. Selbstverständlich können sich die Leitungen auch direkt mit ihren konkreten Fragestellungen an das GSR wenden.
Frage 2:
Wurden diese Einrichtungen rechtzeitig von der Bundesregierung über die konkreten Auswirkungen der Impfpflicht für ihre Bereiche informiert?
Antwort:
Seitens des Freistaats erfolgten am 28.2.2022 Hinweise zum Vollzug der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht sowohl an die Kreisverwaltungsbehörden (und damit auch an das GSR) als auch an die betreffenden Einrichtungen und Unternehmen. Zudem beantwortet die auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums bereitgestellte Handreichung ebenfalls offene Fragen. Diese wird regelmäßig aktualisiert.
Frage 3:
Gibt es Schätzungen mit wie vielen Kündigungen in den betroffenen Bereichen zu rechnen ist? Wenn ja, Bitte um Darstellung nach Branche.
Antwort:
Das GSR geht aktuell davon aus, dass ca. 104.000 Personen im Stadtgebiet München von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffen sind. Hierbei handelt es sich aber um einen volatilen Schätzwert, da insbesondere die Mitarbeiter*innenzahlen innerhalb der diversen Praxisbetriebe nicht bekannt sind.
Die Prozentzahl der nicht geimpften Mitarbeiter*innen wurde Mitte Januar einrichtungsübergreifend mit 10% (in den stationären Pflegeeinrichtungen zuletzt mit 7%) beziffert. Auch hierbei handelt es sich um Durchschnittswerte, die auf Angaben beruhen, die die Kliniken und Pflegeeinrichtungen dem GSR gegenüber gemacht haben.Der Anteil der absoluten Impfverweiger*innen wird in der Literatur auf 4 - 5% geschätzt, was für das Stadtgebiet München eine geschätzte Summe von in etwa 5.000 tatsächlichen Impfverweiger*innen ergeben würde.
Es besteht jedoch die Vermutung, dass zumindest ein Teil der nicht geimpften Mitarbeiter*innen Atteste über Impfunfähigkeiten beibringt; werden diese von der Einrichtungs-/Unternehmensleitung akzeptiert, muss der Regelung des § 20a IfSG nach keine Meldung der Leitung an das Gesundheitsamt erfolgen und eine weitere Prüfung durch das GSR erübrigt sich insoweit; die jeweiligen Beschäftigten können ihrer Beschäftigung in diesen Fällen wie gewohnt nachgehen.
Ob und wie viele Mitarbeiter*innen der entsprechenden Einrichtungen aufgrund der Nachweispflicht gekündigt haben bzw. kündigen werden, ist dem GSR nicht bekannt.
Genauso wenig kann aktuell abgesehen werden, in wie vielen Fällen tatsächlich ein Betretungs- und Beschäftigungsverbot seitens des Gesundheitsamtes angeordnet werden muss.
Es kann aber bereits mitgeteilt werden, dass innerhalb der ersten Meldewoche (15.3.2022 - 21.3.2022) allein über das elektronische Meldeportal der Landeshauptstadt München knapp 1.500 Beschäftigte von 330 Einrichtungen gemeldet wurden. Zusätzlich erhielt das GSR von 65 Einrichtungen papiergebundene Ersatzmitteilungen, mit welchen insgesamt 343 Personen gemeldet wurden. Damit wurden dem GSR bereits mehr als ein Drittel der prognostizierten Impfverweiger*innen gemeldet.
Frage 4:
Welche Konzepte gibt es, die eine weitere Verschärfung der Versorgungslage durch drohende Kündigungen noch abwenden sollen?
Antwort:
Dem GSR ist durchaus bewusst, dass bei einigen Einrichtungen und Unternehmen die Befürchtung besteht, dass durch die Nachweispflicht ein Versorgungsengpass eintritt. Bei den Entscheidungen und Maßnahmen des Gesundheitsamtes handelt es sich aber stets um Entscheidungen, in denen alle relevanten Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden. Das GSR kann in Fällen von drohenden Versorgungsengpässen daher Einzelfallentscheidungen im Sinne von Ausnahmeregelungen treffen und von der Anordnung von Tätigkeits- oder Betretungsverboten absehen.Zudem soll nach den Vollzugshinweisen des Freistaats nach der Meldung der Einrichtungen im ersten Schritt seitens des Gesundheitsamtes auf den Beginn bzw. die Vervollständigung des Impfschutzes hingewirkt werden. Den betroffenen Beschäftigten soll eine Impfberatung durch die Impfzentren angeboten werden, welche auch insbesondere bezüglich des proteinbasierten Impfstoffes Novavax informieren soll.
Frage 5:
Welche speziellen Informationsangebote zur Corona-Impfung für Beschäftigte der Gesundheits- und Pflegebranche gibt es? Wie werden diese angenommen?
Antwort:
Spezielle Informationsangebote für Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen wurden und werden durchgeführt. Dazu zählen zum Beispiel Informationsveranstaltungen, persönliche Beratungsgespräche und Impfaktionen. Manche Unternehmen motivieren mit Gewinnspielen, zusätzlichen Urlaubstagen oder Boni für Teams, in denen alle Beschäftigten geimpft sind, zur Impfung. Zusätzlich finden sich sowohl auf der Homepage der Landeshauptstadt (muenchen.de/corona) als auch auf der Seite des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege viele hilfreiche Informationen rund um die Corona-Impfung im Allgemeinen.