Klimaschutz konkret – LHM stellt sich gegen Leerflüge
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 31.1.2022
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
Sie haben beantragt, die Landeshauptstadt München als Gesellschafterin der Flughafen München GmbH und als Großstadt im Klimanotstand solle sich dafür einsetzen, dass auf europäischer Ebene Leerflüge (Flüge die allein dem Ortswechsel dienen und in der Regel weder Passagiere noch Waren transportieren) verboten oder zumindest nicht aus wirtschaftlichen Gründen erstrebenswert gemacht werden. Zur Begründung Ihres Antrags nehmen Sie Bezug auf Presseberichte zu den Vorgaben der EU-Kommission, wonach Fluggesellschaften ihre Slots an den europäischen Flughäfen und damit ihre Marktposition verlieren, wenn sie nicht 64% ihrer Slots für Starts und Landungen nutzen.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Da „Leerflüge“ zur Sicherung von Slots, am Münchner Flughafen praktisch nicht stattfinden und damit keine unmittelbare Zuständigkeit der LHM gegeben ist, erlaube ich mir, Ihren Antrag anstelle einer Stadtratsvorlage als Brief zu beantworten.
Die Flughafen München GmbH (FMG) hat zu Ihrem Antrag Stellung genommen und hierzu Folgendes mitgeteilt:
„Leerflüge“ zur Sicherung von Slots, wie in die dem Antrag beschreiben werden, finden am Flughafen München praktisch nicht statt. Dabei handelt es sich bis auf wenige Ausnahmen um nicht vermeidbare, sogenannte Positionierungsflüge.
Darunter fallen
-Auslieferungsflüge und Ausflottungsflüge, bei denen Flugzeuge in die Flotte aufgenommen bzw. aus ihr entfernt werden
-Ferry-Flüge, bei denen Flugzeuge von bzw. zur Wartung geflogen werden
-Positionierungsflüge, bei denen Flugzeuge an den Ausgangspunkt ihres Umlaufs gebracht werden, etwa wenn Flüge aufgrund widriger Witterungsbedingungen annulliert werden müssen.Die Anzahl der „Leerflüge“, die am Flughafen München stattfinden liegt deutlich unter einem Prozent der Flugbewegungen von Passagiermaschen, die üblicherweise im Passagier- oder Frachtverkehr umgesetzt werden.
Jede Fluggesellschaft ist zudem aus ökologischen und ökonomischen Gründen daran interessiert, nur Flüge durchzuführen, die profitabel sind, weshalb betrieblich notwendige „Leerflüge“ oder Flüge mit geringer Auslastung grundsätzlich auf ein Minimum reduziert werden. Ein Verbot derartiger Flüge ist daher weder sinnvoll noch in der Praxis umsetzbar. In diesem Zusammenhang kann auch auf die durchschnittliche Auslastung von Passagierflugzeugen im europäischen Raum hingewiesen werden. Dies liegt in der Regel bei 70 bis 80% und damit sehr viel höher als bei anderen Verkehrsmitteln.“
Hintergrund der Presseberichte über Leerflüge sind die sog. „Großvaterrechte“ bei der Vergabe von Slots:
Die Fluggesellschaften melden bei dem zuständigen Slotkoordinator ihre jeweiligen Slotwünsche an. Auf Bundesebene ist die Flughafenkoordination Deutschland GmbH zuständig. Die Slotkoordination und das Slotmonitoring sind dabei nicht nur in nationalen, sondern auch in europäischen sowie internationalen Regelwerken geregelt. Hier sind insbesondere die Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates von 18. Januar 1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft sowie die Worlwide Airport Slot Guidelines (WASG) zu nennen.
Bei der Slotverteilung werden zunächst Bestandsrechte geprüft. Dabei kommt das sog. „Großvaterrecht“ zur Anwendung, d.h. Fluggesellschaften können bestehende Slots fortlaufend nutzen. Danach erfüllt eine Airline, die einen Slot zu mindestens 80% ausgenutzt hat, die Bedingung für die nächste Bezugssaison und darf diesen „historischen Slot“ wieder fliegen. Dieser „Mindestnutzungssatz“ wurde angesichts der Corona-Pandemie reduziert und für den Sommerflugplan 2022 auf 64% festgelegt. Wer Slots nicht ausreichend frequentiert, verliert das Nutzungsrecht nach dem Motto „use it or lose it“. Wenn diese historischen Slots vergeben sind, werden die übrigen Start- und Landerechte an die Airlines verteilt, so dass auch Neubewerber eine Chance haben, einen Slot-beschränkten Flughafen anzufliegen.
Großvaterrechte sind eine über Jahrzehnte etablierte und weltweit anerkannte Methode, um Fluggesellschaften Planungssicherheit zu ermöglichen, die über eine Flugplanperiode hinausgeht. Eine Abschaffung lägeweder im Interesse der Luftfahrtgesellschaften, noch der Flughäfen oder der Passagiere. Die deutschen und europäischen Flughäfen vertreten daher über ihre Interessensverbände stets die Position, dass bei Systemstörungen bestehende Großvaterrechte im Kern erhalten bleiben und die notwendigen Schwellenwerte wirtschaftlich erreichbar sein müssen. Darunter fällt unter anderem auch die Berücksichtigung von sog. „force majeure“-Gründen. Diese erfassen eindeutige Fälle von höherer Gewalt, wie z.B. Flugausfall wegen Reisebeschränkungen, Quarantäneregelungen etc. ohne Verschulden der Airlines. Generell dürften weder ein Flughafen noch eine Airline aus ökologischen und ökonomischen Gründen ein Interesse daran haben, dass Flüge leer oder mit einer niedrigen Auslastung stattfinden.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen und hoffe, dass Ihr Antrag damit beantwortet ist und als erledigt gelten darf.