Die vom Stadtrat berufene Expertenkommission zur Aufarbeitung der Geschehnisse in den Heimen, Pflege- und Adoptivfamilien legt am 3. Mai dem Kinder- und Jugendhilfeausschuss (KJHA) ihre ersten Empfehlungen zur Entscheidung vor. Das unabhängige Gremium mit 14 Mitgliedern unter dem Vorsitz von Ignaz Raab, Experte aus dem Bereich der Kriminologie mit Expertise für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, hatte im November 2021 seine Arbeit aufgenommen.
Die Expertenkommission sieht vor allem die dringende Notwendigkeit, dass Betroffene, die sich in einem schlechten gesundheitlichen Zustand befinden, schnellstmöglich erste finanzielle Hilfen erhalten. Deshalb sollen in einem ersten Schritt im Vorgriff auf spätere Anerkennungsleistungen Fallpauschalen als Soforthilfen an diese Betroffenen ausgezahlt werden. Oberbürgermeister Dieter Reiter: „Ich finde diesen Vorschlag der Kommission richtig und unterstütze ihn voll und ganz. Viele der Betroffenen sind schon älter und warten seit vielen Jahren darauf, dass das Leid, das ihnen widerfahren ist, anerkannt und – soweit das möglich ist – auch finanziell ausgeglichen wird. Die Fallpauschalen können hier nur ein erster Schritt sein. Aber es ist wichtig, jetzt schnell erste Soforthilfen zu ermöglichen und damit die Lebenssituation Betroffener zu verbessern, die noch heute unter den Missständen leiden, denen sie in ihrer Kindheit und Jugend ausgesetzt waren.“
Insgesamt werden für die Soforthilfen Mittel von 800.000 Euro veranschlagt. Die Expertenkommission befindet sich aktuell noch im Abstimmungsprozess über die Höhe des Pauschalbetrags. Sollten die beim Stadtrat beantragten Mittel für die Soforthilfen nicht ausreichen, da die Zahl der Antragsteller*innen höher als erwartet ausfällt, sollen die zusätzlichen Bedarfe mit einem weiteren Stadtratsbeschluss nachfinanziert werden. Für die Beantragung der Soforthilfen soll eine Anlaufstelle bei einem externen Träger eingerichtet werden, der bereits Erfahrung im Opferschutz und der Opferberatung vorweisen kann. Im weiteren Aufarbeitungsprozess will die Expertenkommission gemeinsam mit einem Betroffenenbeirat ein Konzept für monetäre Anerkennungsleistungen für Betroffene wie auch die Möglichkeiten der Schaffung einer gesellschaftlichen Anerkennungskultur erarbeiten. Der Betroffenenbeirat soll als zweites, unabhängiges Gremium neben der Expertenkommission fungieren und sicherstellen, dass Betroffene sich und ihre Perspektive aktiv in den Aufarbeitungsprozess einbringen können und auch von allen Beteiligten des Aufarbeitungsprozesses als essenzielle Mitwirkende gesehen werden.
Sozialreferentin Dorothee Schiwy: „Ich bedanke mich bei der Kommission für die fundierten Ausarbeitungen in dieser äußerst komplexen Thematik und den Mitgliedern für ihre hoch engagierte, ehrenamtliche Tätigkeit. Das Sozialreferat unterstützt die von der Expertenkommission vorgelegten Empfehlungen in allen Punkten. Sie sind wichtige und richtige Schritte innerhalb dieses Aufarbeitungsprozesses.“
Neben den Soforthilfen, der Einrichtung einer Anlaufstelle für Betroffene und der Einrichtung eines Betroffenenbeirats empfiehlt die Expertenkommission die Ausweitung des Untersuchungszeitraums für die wissenschaftliche Aufarbeitung bis in die Gegenwart. Für diese wissenschaftliche Aufarbeitung werden von der Kommission Mittel in Höhe von 400.000 Euro veranschlagt.