Anpassung der städtischen RDVfIT an gesetzliche Vorgaben Verwaltung außer Kontrolle? Klarstellung der wichtigen Rolle von Führungsaufsicht im Kampf gegen Korruption
Anträge Stadtrat Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 9.11.2021
Antwort Personal- und Organisationsreferat:
Da Ihre o.g. Anträge laufende Angelegenheiten betreffen sowie thematische Überschneidungen aufweisen, erlaube ich mir, die beiden Anträge mit einem gemeinsamen Antwortschreiben zu beantworten.
Nach Ihren Anträgen soll der Stadtrat auf eine Überarbeitung der Regelungen der „Rahmendienstvereinbarung für Informationstechnik der Landeshauptstadt München“ (RDVfIT) wie auch der Ausführungsdienstvereinbarung für Fachverfahren (ADV-FaV) hinwirken.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihrer Anträge betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit i.S.v. Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO und § 22 GeschO, deren Erledigung dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich. Zu Ihren Anträgen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Sie tragen vor, durch neuere Entwicklungen würden die Führungskräfte in den Referaten in den Möglichkeiten der „Führungsaufsicht“ stark eingeschränkt wie auch die Durchführung von Maßnahmen zur Korruptionsprävention durch Führungskräfte und Innenrevision blockiert. In der Vergangenheit sei es Aufgabe von Vorgesetzten und auch der Innenrevision als neutralen Prüfinstanzen gewesen, stichprobenartig Papierakten zu sichten und dabei auch zu prüfen, ob es Anhaltspunkte für unrechtmäßige Entscheidungen gebe. Als Folge der zunehmenden Digitalisierung in der Vorgangsbearbeitung und der elektronischen Archivierung von Aktenvorgängen müssten jetzt IT-gestützte Auswertungen durchgeführt werden, um die Vorgangssachbearbeitung prüfen zu können. Durch die Vorgaben der RDVfIT und der Ausführungsdienstvereinbarung für Fachverfahren (ADV-FaV) werde aber festgelegt, dass Auswertungen für die Führungsaufsicht grundsätzlich unzulässig seien, wenn sie zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeignet sind. Ausnahmen von dem grundsätzlichen Verbot seien nur nach Genehmigung durch den Oberbürgermeister und den Gesamtpersonalrat möglich. Die RDVfIT vermittle den Eindruck, dass eine Leistungskon-trolle durch Vorgesetzte grundsätzlich nicht zulässig sei und stehe dadurch im Widerspruch zu geltendem Recht.
Es müsse aus Ihrer Sicht dort u.a. klargestellt werden, dass die Kontrolle der Leistungen von Mitarbeiter*innen eine originäre Aufgabe von Vorgesetzten sei und dafür erforderliche IT-gestützte Auswertungen nicht unter den Vorbehalt einer Genehmigung durch den Herrn Oberbürgermeister und den Gesamtpersonalrat gestellt werden dürfen.
Konkret schlagen Sie vor, Art. 11 Abs. 1 RDVfIT wie folgt zu neu fassen: „IT-gestützte personenbezogene Auswertungen von Daten städtischer Beschäftigter sind auch zu Zwecken der Korruptionsprävention geboten und grundsätzlich zulässig, sofern sie nicht einem gezielten Ausspähen und Überwachen einzelner Beschäftigter dienen.“
Die in meinem Referat angesiedelte Antikorruptionsstelle, der Gesamtstädtische Antikorruptionsbeauftragte, die Geschäftsstelle des GPR, wie auch die Vertreter des IT-Referats in der nach Art. 14 der RDVfIT eingerichteten Fachgruppe IT-Dienstvereinbarungen, mit denen dieses Antwortschreiben abgestimmt wurde, teilen diese Einschätzung nicht und sehen aus folgenden Gründen keine Notwendigkeit, die RDVfIT wie vorgeschlagen anzupassen:
Es ist zutreffend, dass in den städtischen Dienststellen die Vorgangsbearbeitung zunehmend digitalisiert und auch Akten elektronisch geführt werden. Eine Prüfung der digitalisierten Vorgangssachbearbeitung und insbesondere eine von Ihnen angesprochene stichprobenartige Sichtung durch Innenrevision und Vorgesetzte ist aber auch unter der derzeit geltenden Regelung des Art. 11 Abs. 1 RDVfIT weiterhin möglich. Dies möchte ich Ihnen im Folgenden näher erläutern:
Art. 11 Abs. 1 RDVfIT lautet:
„IT-gestützte personenbezogene Auswertungen von Daten städtischer Beschäftigter sind grundsätzlich unzulässig, wenn sie zur Leistungsbemessung, der Leistungs- und/oder Verhaltenskontrolle oder des Leistungsvergleichs geeignet sind.“
Im Glossar der RDVfIT werden Auswertungen wie folgt definiert:
„Unter Auswertung im Rahmen dieses DV-Modells wird ein Verfahren zur IT-gestützten Verarbeitung vorliegender Datensätze, mit dem Ziel neue Erkenntnisse und Informationen zu gewinnen, verstanden. Dies kann z.B.mittels unterschiedlicher Strukturierungs-, Anordnungs- und Darstellungsfunktionen erfolgen.
Dabei kommen typische Auswertungstechniken wie etwa Gruppieren,
Verdichten, Kategorisieren, Datenformeln, Datenzusammenführung oder grafische Aufbereitung zum Einsatz.
Gemeint ist damit die Auswertungsstruktur (= Auswertungsroutine), als Basis für die Durchführung einer Einzelauswertung, nicht die konkrete, einzelne und vielfach mögliche Durchführung einer Auswertung.“
Die bloße Einsichtnahme in die elektronischen Aktenordner (bspw. File- Ablage oder E-Akte), auf die die zuständige Führungskraft auch bislang in der Regel Zugriff hat, fällt nicht darunter. Eine derartige Einsichtnahme zur stichprobenartigen Sichtung und Prüfung, ob es Anhaltspunkte für unrechtmäßige Entscheidungen gibt, ist keine Auswertung im Sinne des DV-Modells, da dabei schon kein „Verfahren“ zur IT-gestützten Auswertung vorliegender Datensätze zum Einsatz kommt. Die Einsichtnahme der zuständigen Führungskraft in einzelne Vorgänge in einem IT-gestützten Fachverfahren (bspw. was hat der Beschäftigte X im Verfahren XY verfügt) fällt aus vorgenannten Gründen ebenfalls nicht unter die vorgenannte Definition einer Auswertung nach der RDVfIT.
Für den bloßen Zugriff auf digitalisierte Unterlagen gelten somit nicht die Vorgaben der RDVfIT, sondern jene der Dienstanweisung für die Verwaltung von Akten und sonstigen Unterlagen der Stadtverwaltung München – Aktenordnung (AktO). Dort regelt Ziffer 1.2 AktO die Ordnung und Aufbewahrung von Unterlagen in Papier- und elektronischer Form. Nach Art. 4.2 AktO können Unterlagen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung eingesehen werden, wenn dies dienstlich notwendig und rechtlich zulässig ist. Die zuständige Führungskraft kann somit Einsicht in (auch elektronisch geführten) Akten nehmen, die von den jeweiligen Sachbearbeiter*innen bearbeitet werden bzw. wurden.
Ergibt sich nach einer solchen Einsicht oder aufgrund anderer konkreter Verdachtsmomente gegenüber einzelnen Beschäftigten ein hinreichender Verdacht auf einen dienst-, arbeits- oder datenschutzrechtlichen Verstoß (bspw. Korruptionssachverhalt), besteht wiederum nach Art. 11 Abs. 4 RDVfIT unter den dortigen Voraussetzungen die Möglichkeit eine entsprechende Auswertung zu veranlassen, um dabei z.B. den unberechtigten Zugriff auf einen Datensatz zu prüfen. Dienstaufsichtliche Auswertungennach Art.11 Abs. 4 RDVfIT bedürfen weder einer Genehmigung des Oberbürgermeisters noch des Gesamtpersonalrats.
Daneben sind – ebenfalls ohne Genehmigung des Herrn Oberbürgermeisters oder des Gesamtpersonalrats – Auswertungen zur Sicherung der Vorgangsqualität unter der Maßgabe des Art. 7 der ADV-FaV möglich.
Die einzelnen Regelungen in Art. 11 RDVfIT und der ADV-FaV verhindern nicht die angesprochene stichprobenartige Sichtung von (elektronisch geführten) Vorgängen bzw. Akten durch zuständige Führungskräfte und Innenrevision. Ebenso stellen sie nicht die grundsätzliche Zulässigkeit wie Notwendigkeit einer Leistungs- und Verhaltenskontrolle zur Ausübung von Fach- und Dienstaufsicht in Frage. Vielmehr sind die Regelungen ausgewogen und tragen sowohl den Interessen der Landeshauptstadt München an einer funktionierenden Fach- und Dienstaufsicht als auch den Interessen der Beschäftigten an einer ausreichenden Kontrolle der Risiken automatisierter digitaler Leistungs- und Verhaltenskontrolle Rechnung.
Es ist nach alledem nicht davon auszugehen, dass die Vorgaben der städtischen RDVfIT in ihrer derzeit geltenden Fassung eine „regelmäßige Führungsaufsicht“ speziell im Hinblick auf die Korruptionsprävention ausschließen bzw. bestehende Innenrevisionen in deren Handlungsfähigkeit einschränken oder gar blockieren. Die beteiligten Bereiche sind auch dazu mit den Innenrevisionen in Austausch.
Unabhängig davon ist es ein wichtiges Anliegen der beteiligten Bereiche, die Regelungen der RDVfIT auf einem aktuellen Rechtsstand zu halten. Sofern auch im Sinne der Effizienz oder Klarheit der Regelungen Verbesserungen notwendig sind, werden diese selbstverständlich realisiert.
Von den vorstehenden Ausführungen bitte ich Kenntnis zu nehmen und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.