Wie ehrlich ist Oberbürgermeister Reiter? Welche wirtschaftlichen Beziehungen hat München zu Russland?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 24.3.2022
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Auf Ihre Anfrage vom 24.3.2022 nehme ich Bezug. Vorab möchte ich anmerken, dass der Tenor der Anfrage unterstellt, ich hätte gegenüber Bürgermeister Klitschko nicht die Wahrheit gesagt. Dies trifft nicht zu. In vielen persönlichen Gesprächen mit meinem Kollegen Klitschko und seinem Stabschef Bogdan Balasynovych habe ich klargemacht, dass die LHM selbst keine Wirtschaftsbeziehungen zu russischen Unternehmen hat und ich mich bei allen Beteiligungen jeweils für eine möglichst sofortige Beendigung etwaig bestehender Geschäftsbeziehungen einsetzen werde. In meiner kurzen Replik auf die bewegende Rede von Vitali Klitschko habe ich versucht, dies sinngemäß so darzustellen. Der Tenor dieser Aussage war und bleibt zutreffend.
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Welche wirtschaftlichen Beziehungen pflegten die Landeshauptstadt München und ihre Tochtergesellschaften zu russischen Betrieben bevor der diesjährige Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen hat?
Frage 2:
Welche wirtschaftlichen Beziehungen wurden seither gekappt?
Antwort zu Frage 1 und 2:
Eine Abfrage bei den städtischen Referaten hat ergeben, dass die Stadt selbst keine wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland hatte bzw. hat. Allerdings nutzte die Stadt, wie viele andere Organisationen und Unternehmen, Lizenzen der Software Kaspersky. Hier wurde aber bereits durch das RIT eine entsprechende Ablösung eingeleitet.
Die städtischen Tochtergesellschaften nehmen wie folgt Stellung:
Die Flughafen München GmbH (städtischer Anteil: 23%) und ihre Tochtergesellschaften hatten Geschäftsbeziehungen zu verschiedenen russischen Fluggesellschaften im Rahmen des für die übliche Abwicklung des Betriebs notwendigen Umfangs, also insbesondere Start- und Landeentgelte,Enteisung, Loungeverträge, Abfertigung etc. Derzeit ruhen diese Beziehungen und Verträge.
Ein Fuel-Durchsatzvertrag mit der Rosneft Deutschland GmbH, der zuletzt 4% der Gesamtbetriebsstoffmenge ausmachte, ruht ebenfalls. Eine Wiederaufnahme steht derzeit nicht zur Diskussion.
Mit russischen Fluggesellschaften gibt es noch kleinere Mietverträge für Büros, Parkplätze etc.
Die Messe München GmbH war mit 95% an der Messe Muenchen Rus LLC beteiligt. Gegenstand der Gesellschaft war die Organisation und Durchführung der Messe bauma CTT RUSSIA in Moskau.
Die MMG hat sich aus dem russischen Markt zurückgezogen. Eine Baumaschinenmesse unter Beteiligung der Messe München wird es dort nicht mehr geben. Die entsprechenden Maßnahmen dazu wurden bereits in der a.o. Gesellschafterversammlung vom 16.3.2022 beschlossen.
Die GEWOFAG nutzt 20 Lizenzen des Softwareunternehmens Kaspersky. Der Austausch der Lizenzen wurde bereits vor der jüngsten Zuspitzung und dem Kriegsausbruch in die Wege geleitet.
Frage 3:
Wo kommt die Steinkohle her, die nun voraussichtlich noch eineinhalb Jahre im Heizkraftwerk Nord verbrannt werden soll? Woher kommt das Erdgas, dass in Anlagen der Stadtwerke München (SWM) verbrannt wird? Bis wann werden die SWM ihren Bezug von Kohle und Gas aus Russland stoppen?
Frage 4:
Zu welchem Anteil kommen Energieträger und Rohstoffe der LHM und der städtischen Töchter in München aus Russland?
Antwort zu Frage 3 und 4:
Die SWM beziehen sowohl Kohle als auch Erdgas ausschließlich von Zwischenhändlern bzw. an der Börse, die Lieferanten beziehen einen Teil der Mengen aus Russland. Der genaue Anteil beim Erdgas ist den SWM nicht bekannt. Im Block 2 des HKW Nord wird ein Kohlemix (Blend) aus jeweils 50% nordamerikanischer und russischer Kohle genutzt. Die SWM arbeiten bereits intensiv daran, für die Kohle alternative Bezugsquellen zu aktivieren, was aber erst mit ein paar Monaten Verzögerung wirksam werden kann.
Auf russische Kohle zu verzichten halten die SWM unter Beachtung einer Übergangszeit für möglich. Auf russisches Erdgas zu verzichten mussauf gesamtdeutscher bzw. europäischer Ebene entschieden werden. Die SWM haben darauf keinen direkten Einfluss.
Inwiefern weitere Rohstoffe im Bereich der Stadt oder der städtischen Töchter indirekt aus Russland stammen (z.B. im Bereich von Baumaterialien/Holz/Papier), lässt sich nicht ohne weiteres eruieren.
Frage 5:
Ist sichergestellt, dass die Treibstoffe der städtischen Dienstwägen nicht aus Russland kommen?
Antwort:
Nein. Über die Bezugsquellen der Mineralölkonzerne und ggf. den Anteil von Öl aus Russland liegen der Stadt keine Informationen vor.
Frage 6:
Ist dem Oberbürgermeister bekannt, dass ein Mitarbeiter der SWM im Wirtschaftsausschuss am 15.3.2022 gesagt hat, dass es eine große Herausforderung sein würde, künftig auf russische Kohlelieferungen zu verzichten?
Antwort:
Ja, siehe Antwort zu Frage 3.
Frage 7:
Wie deutet der Oberbürgermeister diese Aussage? Gibt es ein eigenes Sitzungsprotokoll für den Oberbürgermeister, in der unbequeme Aussagen der Verwaltung geschönt oder geschwärzt werden?
Antwort:
Siehe Antwort zur Frage 3 und 4.