Ökologische Vergabekriterien: Produkteinkauf für Reinigung und Waschräume
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 2.12.2021
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
In Ihrem Antrag vom 2.12.2021 bitten Sie, bei der Beschaffung von Produkten für Waschräume und Reinigung bzw. der Ausschreibung von Reinigungsdienstleistungen die Vergabe hinsichtlich ökologischer Kriterien zu optimieren und dem Stadtrat über das Ergebnis zu berichten.
Sie begründen Ihren Antrag damit, dass seitens der Vergabestellen oft Reinigungsprodukte, Waschraumprodukte etc. ausgeschrieben und bestellt würden, welche nicht mehr den heutigen ökologischen Erkenntnissen entsprächen. Es würden keine Innovationen berücksichtigt, welche in vielen Unternehmen bereits seit langer Zeit sehr erfolgreich eingeführt würden. So würden immer noch Papierhandtuchsysteme ausgeschrieben, welche systembezogen einen sehr hohen Verbrauch generierten. Gleiches gelte für Toilettenpapier und Handwaschseifen sowie für Reinigungsprodukte, welche für den Eigenverbrauch in Ämtern, an Schulen und Kindergärten benötigt würden.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, beantworte ich Ihren Antrag auf diesem Weg .
Zu Ihrem Antrag vom 2.12.2021 teile ich Ihnen Folgendes mit:
Die Umsetzung von ökologischen Maßnahmen ist der Stadtverwaltung ein wesentliches Anliegen. Nachhaltigkeitskriterien werden mittlerweile in nahezu allen Ausschreibungen der Vergabestelle 1 auf Ebene der Leistungsbeschreibung, der Eignungs- oder Zuschlagskriterien berücksichtigt. So werden – soweit rechtlich zulässig und für die Produkte erhältlich – Zertifizierungen mit Gütesiegeln (z.B. Blauer Engel, Eu-Ecolabel, Nordic Swan) bzw. das Vorliegen der diese Gütesiegel ausmachenden Qualitätsmerkmale gefordert (s. im Detail Ziffer I.3.). Bei der Beschaffung von Reinigungsmitteln sowie Hautschutz- und Pflegeprodukten setzt die Vergabestelle 1 hohe Umweltverträglichkeit und gesundheitliche Verträglichkeit voraus.
Gleichwohl ist die Umsetzung ökologischer Maßnahmen bei der Beschaffung nicht unbegrenzt möglich, da die Landeshauptstadt München alsöffentlicher Auftraggeber den gesetzlichen Vorgaben des Vergaberechts unterworfen ist.
Um Ihnen die Anforderungen, die seitens der Landeshauptstadt München an die Beschaffung von Produkten für Reinigung und Waschräume gestellt werden, darzulegen, sollen zunächst wesentliche rechtliche Rahmenbedingungen für diese Beschaffungsvorgänge erläutert werden. In diesem Zusammenhang wird auf den Grundsatz der produktneutralen Beschaffung sowie auf die von Ihnen angesprochenen Aspekte „Losbildung“ und „Forderung von Gütezeichen und Zertifizierungen“ eingegangen. Im Anschluss werden die von Ihnen angesprochenen Themen sowie die aktuelle Beschaffungspraxis der genannten Produktgruppen im Einzelnen dargestellt.
I. Rechtliche Rahmenbedingungen
1. Grundsatz der produktneutralen Beschaffung
Im Vergaberecht herrscht der Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung: Es dürfen keine bestimmten Erzeugnisse, Verfahren, Ursprungsorte, Patente oder Typen bzw. eine bestimmte Bezugsquelle, Produktion, Herkunft oder Marke durch den Auftraggeber vorgeben werden. Hierdurch soll der freie Wettbewerb sowie die diskriminierungsfreie Gleichbehandlung der Bieter gewährleistet werden.
Die Bezugnahme kann nur ausnahmsweise zulässig sein, wenn sie entweder durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist oder der Gegenstand anders nicht hinreichend genau und verständlich beschreibbar ist.
2. Losbildung
§ 97 Absatz 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) schreibt vor, dass mittelständische Interessen vornehmlich zu berücksichtigen sind und deshalb Leistungen der Menge nach aufgeteilt werden müssen. Die Aufteilung soll vermeiden, dass lediglich große Konzerne in der Lage sind, die Aufträge zu erfüllen. Auf eine Aufteilung nach Losen darf deshalb nur verzichtet werden, wenn sowohl technische als auch wirtschaftliche Gründe gegen die losweise Vergabe sprechen. Der Verzicht auf eine Aufteilung nach Losen soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Ausnahme bleiben und ist daher im Regelfall nicht möglich. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur losweisen Vergabe macht diese rechtlich angreifbar.
3. Gütezeichen und Zertifizierungen
Hinsichtlich der Forderung von Gütezeichen und Zertifizierungen setzen die gesetzlichen Regelungen ebenfalls enge Grenzen. Da der öffentliche Auftraggeber den Wettbewerb durch Verwendung bestimmter Gütezeichen als Zuschlagskriterium (bzw. Anforderung an die Leistung selbst) erheblich einschränken könnte, sind an deren Verwendung strenge Voraussetzungen geknüpft. Die pauschale Verwendung eines Umweltgütezeichens oder vergleichbaren sozialen Gütezeichens als Zuschlagskriterium ist nur dann zulässig, wenn ausnahmslos alle Anforderungen des Gütezeichens für die Bestimmung der Leistung geeignet sind und mit dem Auftragsgegenstand in ausreichender Verbindung stehen. Dies ist in den meisten Fällen nicht der Fall, da ein Gütesiegel nicht nur Umweltaspekte berücksichtigt sondern auch weitere Qualitäten abprüft (z.B.: externe Wirtschaftsprüfung, Beleg der Schulung der Mitarbeiter, Ausbildungsbetrieb, Arbeitsschutzmaßnahmen etc.).
§ 34 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung - VgV) fordert für die Nutzung von Gütezeichen:
- Alle Anforderungen des Gütezeichens sind für die Bestimmung der Merkmale der Leistung geeignet und stehen mit dem Auftragsgegen-
stand in Verbindung.
- Die Anforderungen des Gütezeichens beruhen auf objektiv nachprüfbaren und nichtdiskriminierenden Kriterien.
- Das Gütezeichen wurde im Rahmen eines offenen und transparenten Verfahrens entwickelt, an dem alle interessierten Kreise teilnehmen können.
- Alle betroffenen Unternehmen haben Zugang zum Gütezeichen.
- Die Anforderungen wurden von einem Dritten festgelegt, auf den das Unternehmen, das das Gütezeichen erwirbt, keinen maßgeblichen Einfluss ausüben konnte.
Letztlich ist die Landeshauptstadt München als öffentlicher Auftraggeber gem. § 34 Abs. 4 VgV gesetzlich verpflichtet, auch andere Gütezeichen zu akzeptieren, die gleichwertige Anforderungen an die Leistung stellen. Nach § 34 Abs. 5 VgV muss die Landeshauptstadt München auch andere geeignete Belege akzeptieren, wenn das bietende Unternehmen darlegt, dass es keinen Zugang zu den Gütezeichen hatte. Dies trifft insbesondere auf das Gütezeichen „Blauer Engel“ zu, da dies ein nationales Gütezeichen ist und somit Bietern aus anderen EU-Ländern als Deutschland nicht bekannt ist.Die pauschale Forderung von Gütesiegeln ist aus obig genannten Gründen vergaberechtlich nicht zulässig. Vielmehr können einzelne Qualitätsmerkmale aus den Gütesiegeln gefordert werden, welche sodann durch das jeweilige Gütesiegel nachgewiesen werden können.
Letztlich hat sich im Rahmen der Markterkundung in einigen Bereichen ergeben, dass nur wenige bis keine Unternehmen zertifiziert sind. Ein Bestehen auf ein Gütezeichen würde so zum einen die Beschaffung erschweren bzw. unmöglich machen, andererseits aber auch den Wettbewerb zu stark einschränken.
Um vor diesem Hintergrund gleichwohl Produkte beschaffen zu können, die die Voraussetzungen einer Zertifizierung mit einem Gütesiegel erfüllen, fordert die Vergabestelle 1 in Ausschreibungen im Rahmen der Leistungsbeschreibung bzw. der Eignungs- oder Zuschlagskriterien die Einhaltung relevanter Qualitätsmerkmale eines Gütesiegels, nicht jedoch die Zertifizierung mit dem Gütesiegel selbst. Das Vorliegen der Qualitätsmerkmale kann dann wiederum durch das Gütesiegel (aber auch in anderer geeigneter Form) vergaberechtskonform nachgewiesen werden. Dies ist z.B. regelmäßige Praxis bei der EU-weiten Ausschreibung von Reinigungsprodukten.
II. Zu den von Ihnen angesprochenen Themen kann im Einzelnen Folgendes ausgeführt werden:
1. Zu lit. a) des Antrags: Hygienesysteme
Im Bereich Waschraumhygiene wird im Folgenden auf die Produkte „Handtuchspender/Handtücher“ und „Seifen/Seifenspender“ eingegangen.
Hierfür bestehen derzeit folgende stadtweite Rahmenverträge:
- Rahmenvertrag Universalspender (beinhaltet auch Papierhandtuchspender)
- Rahmenvertrag Stoffhandtuchrollen und -spender inklusive Vollservice (Montage mit Bereitstellung von Stoffhandtuchspendern, Austausch der gebrauchten Stoffhandtuchrollen sowie Wartung/Reparatur)
- Rahmenvertrag Seifenspender und Seifen
Des Weiteren besteht ein separater Vertrag für Papierhandtuchrollen und -spender für das Referat für Bildung und Sport.
- Rahmenvertrag Universalspender (Papierhandtuchspender)Im Zusammenhang mit Papierhandtuchspendern schließt die Landeshauptstadt München zwei von einander unabhängige Rahmenverträge: zum einen einen Rahmenvertrag über die Spender, zum anderen einen Vertrag über die nachzufüllenden Papierhandtücher.
Die oben dargestellte Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung gebietet es, dass die Papierhandtücher produktneutral, also unabhängig vom Hersteller der Handtuchspender beschafft werden. Vor diesem Hintergrund werden bei der Landeshauptstadt München Universalhandtuchspender beschafft, die eine Kompatibilität mit einer möglichst hohen Anzahl an Angeboten von Papierhandtüchern bieten. Dies hat neben der vergaberechtlichen Verpflichtung auch wirtschaftlich den Vorteil, nicht von einem Anbieter von Papierhandtüchern abhängig zu sein.
In der Leistungsbeschreibung der Handtuchspender fordert die Vergabestelle 1, dass eine problemlose Einzelentnahme der Tücher gewährleistet sein muss. Anbieter, die dieses Kriterium nicht erfüllen können, werden vom Vergabeverfahren ausgeschlossen.
Ein Wechsel in ein von nur einem Hersteller angebotenes Papierhandtuchsystem, bei dem Spender und Papier ggf. besser als bisher aufeinander abgestimmt sind und daher weniger Papier abgeben, ist aufgrund des Grundsatzes zur produktneutralen Ausschreibung vergaberechtlich schwer zu rechtfertigen.
- Rahmenvertrag Stoffhandtuchrollen und -spender inklusive Vollservice
Dieser Vertrag wurde Anfang Januar 2022 neu abgeschlossen und steht seitdem stadtweit zur Verfügung. Im Hinblick auf die Stoffhandtuchspender und Stoffhandtuchrollen wurden im Sinne der Nachhaltigkeit folgende Anforderungen gestellt:
- Die Stoffhandtuchrollen müssen mindestens 80 Mal wiederverwendbar sein.
- Der benutzte Teil der Handtuchrolle muss nach einmaligem Gebrauch wieder in den Handtuchspender eingezogen werden.
- Eine Stoffhandtuchrolle muss mindestens 80 Handtuchportionen ergeben.
- Die Stoffhandtuchrollen müssen nach Abnutzung oder Verschleiß einer Weiterverwertung (z.B. Nutzung als Polier-/Putztücher) zugeführt werden.Hinsichtlich des Waschverfahrens dürfen gemäß § 2 Abs. 1 WRMG (Wasch- und Reinigungsmittelgesetz) nur Wasch- und Reinigungsmittel eingesetzt werden, die folgende Inhaltsstoffe nicht enthalten:
- Phosphate
- APEO (Alkylphenolethoxylate)
- EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure)
- Optische Aufheller
- Weichspüler
- Bleichmittel auf Chlorbasis
- Halogenierte organische Verbindungen
In den Waschmitteln dürfen keine Inhaltsstoffe enthalten sein, die in die Wassergefährdungsklasse 3 (WGK 3) eingestuft sind.
Der Frischwasserverbrauch darf bei Wäschereien mit Wiederverwendung des Wassers 8 m³ je t Trockenwaschgut und bei allen sonstigen Wäschereien 10 m³ je t Trockenwaschgut nicht überschreiten.
Die Landeshauptstadt München stellt damit an Beschaffenheit, Reinigung und Recycling von Stoffhandtuchrollen im Hinblick auf Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit schon jetzt hohe Anforderungen. Sofern künftig noch höhere Anforderungen gestellt werden, steht zu befürchten, dass wir eine erheblich reduzierte Anzahl an Angeboten erhalten werden.
-Rahmenvertrag Seifenspender und Seifen
Der Rahmenvertrag sieht neben herkömmlicher Seifencreme auch ein verbrauchsärmeres Schaumseifenkonzentrat sowie den dazu passenden Schaumseifenspender vor. Die Möglichkeit zum Bezug eines Konzentrats ist also grundsätzlich möglich.
Zwar hat die Vergabestelle keinen Einfluss auf das tatsächliche Abrufverhalten der Dienststellen, jedoch konnte die Vergabestelle feststellen, dass mittlerweile rund sechsmal so viel Schaumseifenspender wie Seifencremespender gekauft wurden.
- Papierhandtuchrollen und -spender für das Referat für Bildung und Sport
Dieser Vertrag ist aufgrund der spezifischen Besonderheiten im Umgang mit Kindern gesondert für das RBS abgeschlossen worden. Es werden – gerade für den Einsatz an Schulen und Kindergärten – besonders robuste sog. Autocut-Rollenhandtuchspender angeboten. Diese Spender weiseneine Restrollenfunktion auf. Ist eine Rolle fast verbraucht, kann sie im Restrollenhalter noch weiter verwendet werden, während parallel dazu schon eine neue Rolle eingelegt werden kann. Das Handtuch wird beim Ziehen bei einer Länge von 23 cm automatisch abgeschnitten, was eine einfache und vergleichsweise verbrauchsarme Nutzung gewährleistet. Die derzeit angebotenen Rollenhandtücher sind hochsaugfähig, reißfest und weisen eine hohe Nassreißfestigkeit auf. Es sind mindestens 600 Abrisse möglich.
Mit diesem Spendersystem steht also Schulen und Kindergärten ein Papierhandtuchsystem zur Verfügung, das einen sehr geringen Handtuchverbrauch gewährleistet.
Die Vorgabe hinsichtlich dieses besonderen Autocut-Rollenspenders ist aufgrund der Benutzung durch Kinder (anders als die Universalspender) vergaberechtlich und wirtschaftlich gerechtfertigt. Bei dem minderjährigen Benutzerkreis muss bereits durch das System vorgegeben werden, dass ein Verbrauch auf das notwendige Minimum reduziert wird.
Der aktuelle Vertrag läuft in Kürze aus. In der kommenden Ausschreibung ist geplant, soweit vergaberechtlich zulässig (vgl. oben I.3.), die Anforderungen des Gütezeichens „Blauer Engel“ oder eines vergleichbaren Gütesiegels hinsichtlich der Qualität der Rollenhandtücher im Rahmen der Leistungsbeschreibung zu fordern oder der Zuschlagskriterien zu honorieren.
2. Zu lit. b) des Antrags: Reinigungskonzentrate
Allen städtischen Dienststellen, Eigenbetrieben und teilweise Beteiligungsgesellschaften stehen folgende Rahmenverträge im Bereich Reinigungsmittel zur Verfügung:
- Rahmenvertrag Reinigungsmittel (Unterhaltsreiniger)
- Rahmenvertrag Waschmittel
Neben diesen stadtweiten Rahmenverträgen gibt es einige Rahmenverträge im Bereich Reinigungsmittel nur für bestimmte Referate, bzw. für das Referat für Bildung und Sport sowie das Kommunalreferat:
- Rahmenvertrag Reinigungsmittel für das Referat für Bildung und Sport, Geschäftsbereich Kindertageseinrichtungen
- Rahmenvertrag Bodenreinigungsmittel für das Referat für Bildung und Sport, Geschäftsbereich Kindertageseinrichtungen
- Rahmenvertrag Reinigungsmittel für das Kommunalreferat, Immobiliendienstleistungen, Städtischer Reinigungsservice
- Rahmenvertrag Bodenreinigungs- und pflegemittel für das Kommunalreferat, Immobiliendienstleistungen, Städtischer ReinigungsserviceBei den stadtweiten Rahmenverträgen werden, soweit am Markt verfügbar, bereits Mittel als Konzentrat beschafft. Dies ist bei der überwiegenden Anzahl an Reinigungsprodukten der Fall.
Anders als bei stadtweiten Verträgen wird die Leistungsbeschreibung bei Ausschreibungen für einzelne Dienststellen und Referate von der Bedarfsstelle, d.h. dem Fachreferat, erstellt. Die Vergabestelle hat in diesen Fällen keine Steuerungszuständigkeit, d.h. es werden nur Konzentrate ausgeschrieben, sofern diese von den Dienststellen und Referaten auch gewünscht sind. Allerdings werden die Referate von der Vergabestelle selbstverständlich hinsichtlich der verschiedenen Möglichkeiten und Vor- und Nachteile beraten.
3. Zu lit. c) des Antrags: Vergabe in Losen
Bei den hier genannten Produkten sprechen keine technischen oder wirtschaftlichen Gründe gegen eine Losaufteilung, vgl. die Ausführungen unter I.2. (Losbildung). Vor diesem Hintergrund wäre eine losweise Zusammenfassung und die damit einhergehende Vergabe von Aufträgen an nur einen Anbieter nicht zulässig und rechtlich angreifbar. Hinzu kommt, dass die von uns beschafften Mengen oftmals nur von mehreren Anbietern gemeinsam beschafft werden können. Bei stadtweiten Rahmenverträgen bedienen wir die Bedarfe von rund 38.000 Mitarbeiter*innen.
4. Zu lit. d) des Antrags: kreislauffähige Produkte
Cradle to Cradle (C2C, übersetzt „vom Ursprung zum Ursprung“ bzw. „von der Wiege zur Wiege“) ist ein Designprinzip, das in den 1990er Jahren entwickelt wurde. Es gilt als Ansatz für eine konsequente Kreislaufwirtschaft mit dem Ziel, alle eingesetzten Rohstoffe oder Bauteile am Ende des Lebenszyklus eines Produkts wieder vollständig in den biologischen Kreislauf oder den technischen Kreislauf bzw. Produktionsprozess zurück zu führen. Bei Gebrauchsgütern wie Papierhandtüchern ist der biologische Kreislauf relevant, d.h. diese Güter können nach ihrem Gebrauch schadstofffrei biologisch abgebaut werden. Sie werden beispielsweise zu Kompost umgewandelt und dienen somit wieder als Nährstoffe für künftige Rohstoffe.
Bei der Landeshauptstadt München werden Papierhandtücher ausschließlich aus Recyclingpapier bestellt, das die Qualitätsmerkmale einer Zertifizierung mit den Gütezeichen „Blauer Engel“, „EU-Ecolabel“ oder einer gleichwertigen Zertifizierung erfüllt, mehrfach wiederverwertet und anschließend in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden kann. Eine Cradle-to-Cradle Zertifizierung, die seit 2010 von dem Non Profit-Institut Cradle to Cradle Products Innovation Institute mit Sitz in San Francisco (USA) verliehen wird, liefert aus fachlicher Sicht in diesem Fall keinen Mehrwert für die Umwelt. Gütezeichen wie der Blaue Engel oder EU-Ecolabel decken die relevanten Kriterien ebenfalls ab.
Darüber hinaus ist fraglich, ob aus vergaberechtlicher Sicht eine Zertifizierung überhaupt gefordert werden kann. Dies würde voraussetzen, dass alle Anforderungen des Gütezeichens mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen (vgl. oben I.3.). Dies ist bei den meisten Gütezeichen regelmäßig nicht der Fall.
Recyclingpapier kann ungefähr bis zu sechsmal wiederverwertet werden, danach werden die Zellulosefasern zu kurz und es muss entsorgt werden. Dies wird fachgerecht von dem Abfallwirtschaftsbetrieb München durchgeführt.
5. Zu lit. e) des Antrags: Umweltsiegel
Wie oben unter I.3 dargestellt ist die pauschale Forderung von Gütesiegeln vergaberechtlich nicht zulässig.
Gleichwohl wird bei der Beschaffung von Reinigungsmitteln besonderer Wert auf Umweltverträglichkeit und gesundheitliche Verträglichkeit gelegt (z.B. umweltschonende Inhaltsstoffe, biologisch leicht abbaubar, hohe Hautverträglichkeit, geruchsneutral bzw. geruchsarm).
So werden Stoffe, die für Gesundheit und Umwelt schädlich sind (z.B. Isothiazolinon, Chlormethylisothiazolinon/Methylisothiazolinon, Bronopol, Mikroplastik, Phosphate, Duftstoffe, bzw. Duftstoffe mit allergenem Potential), als solche definiert und Produkte ohne diese Stoffe werden explizit gefordert bzw. vorgezogen.
Für Inhaltsstoffe wird weiterhin z.B. gefordert, dass
- die in der Zubereitung enthaltenen Tenside die Bedingungen der biologischen Abbaubarkeit, wie sie in der Verordnung (EG) Nr. 648/2004 über Detergenzien festgelegt sind, erfüllen.
- Produkte (die Zubereitung) auch keine Bestandteile (Stoffe) enthalten, die als besonders besorgniserregende Stoffe eingestuft und in der Liste nach Artikel 59 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung1) aufgeführt sind.Manche Inhaltsstoffe werden nur bis zu einem Gewichtsanteil im Endprodukt erlaubt, wie z.B.:
Inhaltsstoffe (Substanzen oder Zubereitungen), für die einer oder mehrere der folgenden Risikosätze (R-Sätze) gemäß Richtlinie 67/548/EWG mit Änderungen oder der Richtlinie 1999/45/EG mit Änderungen gelten, dürfen zu max. 0,01% Gewichtsanteil im Endprodukt enthalten sein (gilt nicht für Biozide):
- R40, 45, 49 (kann Krebs erzeugen) (bzw. H351, H350, H350 i).
- R46, 60, 61, 62, 63 (das Fortpflanzungssystem schädigend) (bzw. H340, H360, H361).
- R50/53, 51/53 (toxisch für Wasserorganismen) (bzw. H410, H411).
- R68 (Möglichkeit irreversiblen Schadens) (bzw. H371).
Vor der Ausschreibung werden die Leistungen mit dem Fachdienst für Arbeitssicherheit, dem Betriebsärztlichen Dienst sowie dem Klimaschutzmanagement abgestimmt. Diese Abstimmungen haben den Zweck,
Neuerungen in dem Produktbereichen hinsichtlich Umweltverträglichkeit und gesundheitlicher Verträglichkeit zu berücksichtigen. Auf diese Weise werden die Anforderungen an Umweltverträglichkeit und gesundheitliche Verträglichkeit kontinuierlich aktualisiert und erhöht.
6. Zu lit. f) des Antrags: CO2-Einsparungen
Kohlenstoffdioxid (CO2)-Emissionen entstehen bei Müll- und Abfallsäcken und Reinigungschemie bei der Herstellung sowie dem Transport und ggf. der Entsorgung. Immer mehr Produkte werden als „klimaneutral“ gekennzeichnet. Das bedeutet, dass die Unternehmen in der Herstellung des Produkts CO2-Emissionen weitestgehend reduzieren und nicht vermeidbare Emissionen monetär ausgleichen. Derzeit gibt es noch nicht viele klimaneutral hergestellte Müll- und Abfallsäcke auf dem Markt. Dies wird sich vermutlich in den kommenden Jahren ändern.
Vor dem Hintergrund des städtischen Klimaneutralitätsziels wird das Kriterium „klimaneutral“ in der nächsten Ausschreibung von Müll- und Abfallsäcken sowie Reinigungsmitteln in die Wertungskriterien aufgenommen werden. Klimaneutraler Transport wird bereits in einigen Ausschreibungen gewertet und wird auch in Reinigungsmittelausschreibungen künftig Anwendung finden. Darüber hinaus werden Vergabekriterien für klimaneutrale Beschaffungen derzeit vom Referat für Klimaschutz und Umwelt in Zusammenarbeit mit den städtischen Vergabestellen entwickelt.
III. Zusammenfassung
1.Die Beschaffung von Produkten für Reinigung und Waschräume erfolgt im Rahmen des vergaberechtlich Zulässigen. Das Absehen von derBildung von Losen sowie die pauschale Forderung von Gütezeichen und Zertifizierungen ist in der Regel nicht möglich.
2. Seit Januar 2022 steht ein Rahmenvertrag über Stoffhandtuchrollen und Spender stadtweit zur Verfügung. Für den Einsatz in Schulen und Kindergärten wird ein verbrauchsoptimiertes Autocut-System angeboten. 3. Im Bereich „Seifenspender/Seife“ wird mit einem Spendersystem für Schaumseife sowie einem Schaumseifenkonzentrat schon jetzt eine
verbrauchsarme Variante angeboten.
4. Im Bereich „Reinigungsmittel“ werden Konzentrate soweit am Markt verfügbar bereits beschafft. An die beschafften Mittel werden höchste Ansprüche im Hinblick auf Umweltverträglichkeit und gesundheitliche Verträglichkeit gelegt. Durch einen engen Austausch mit dem Betriebs-ärztlichen Dienst und dem Fachdienst für Arbeitssicherheit wird sichergestellt, dass Produktneuerungen in der Beschaffung berücksichtigt werden.
5. Die bei der Landeshauptstadt München beschafften Papierhandtücher erfüllen die Voraussetzungen einer Zertifizierung mit dem „Blauen Engel“, „EU-Ecolabel“ oder einer gleichwertigen Zertifizierung. Eine Cradle-to-Cradle Zertifizierung würde keinen Mehrwert bringen.
6. Das Kriterium „klimaneutral“ wird in der nächsten Ausschreibung von Müll- und Abfallsäcken sowie Reinigungsmitteln in die Wertungskriterien aufgenommen werden.
Von den vorstehenden Ausführungen bitte ich Kenntnis zu nehmen und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.