Einstellung der Bußgeldverfahren wegen Verstößen gegen die Allgemeinverfügungen der Landeshauptstadt München
Antrag Stadtrats-Mitglieder Daniel Stanke, Markus Walbrunn und Iris Wassill (AfD) vom 8.3.2022
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Mit Schreiben vom 8.3.2022 haben Sie Folgendes beantragt:
„Das KVR wird angewiesen, sämtliche Bußgeldverfahren, welche die Einforderung von Bußgeldern betreffen, die aus Verstößen gegen die seit Dezember durch Landeshauptstadt verfügten Allgemeinverfügungen oder aus der Verletzung sogenannter ,Hygieneregeln´ resultieren, einzustellen. Bereits eingezogene Bußgelder werden rückerstattet.“ Zur Begründung haben Sie dazu Folgendes vorgetragen:
„Die durch die Landeshauptstadt seit Dezember verfügten Allgemeinverfügungen, welche sämtliche unangemeldeten ,stationären oder sich fortbewegenden Versammlungen im Zusammenhang mit Protesten gegen Corona-Maßnahmen, wie beispielsweise sog. ,Corona´-, ,Montags´- oder ,Abschluss´- ,Spaziergänge´ bzw. Kerzendemos´ pauschal untersagten, haben dem Ansehen der Landeshauptstadt München geschadet, das Vertrauen zahlreicher Bürger in den Rechtsstaat erschüttert und zu einer großen Zahl von Anzeigen und Bußgeldverfahren geführt. Alleine im Rahmen der polizeilichen Durchsetzung der Verfügungen vom 29. Dezember 2021 sowie dem 3., 5., 10. und 12. Januar 2022, wofür wiederholt über 1.000 Polizeikräfte gleichzeitig im Einsatz waren, wurden 1.753 Ordnungswidrigkeiten festgestellt, welche bereits mit Bußgeldern geahndet wurden oder noch geahndet werden sollen.
Tatsächlich kommt das KVR bei der Bearbeitung der einschlägigen Verfahren, aufgrund der ohnehin bereits zahlreichen Verfahren wegen Verstößen gegen sogenannte ,Hygieneregeln´ kaum noch hinterher. Mindestens als Zeichen der Versöhnung und als Symbol für das Ende der gesellschaftlichen Spaltung durch die repressive Corona-Politik von Bund, Länder und Gemeinden, sollten daher sämtliche diesbezüglich anhängigen Verfahren durch das KVR eingestellt und bereits erhobene Bußgelder zurückerstattet werden.“
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadträte nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Sie beantragen im Kontext der Corona-Pandemie die Einstellung der Bußgeldverfahren sowie die Rückerstattung bereits geleisteter Bußgelder. Bei der Entscheidung über die bußgeldrechtliche Behandlung festgestellter Verstöße handelt es sich um eine laufende Angelegenheit im Sinne vonArt. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO, deren Besorgung dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich. Ich erlaube mir daher, Ihren Antrag auf dem Schriftwege wie folgt zu beantworten:
Der Antragsbegründung ist zu entnehmen, dass sich der Antrag zum einen auf Bußgeldverfahren bezieht, welche aufgrund von Verstößen gegen die sog. „Allgemeinverfügungen zu Versammlungen im Zusammenhang mit Protesten gegen Corona-Maßnahmen“ eingeleitet wurden. Mit diesen Allgemeinverfügungen wurden aufgrund konkreter Gefahrenprognosen im Stadtgebiet der Landeshauptstadt München alle stationären oder sich fortbewegenden Versammlungen im Zusammenhang mit Protesten gegen Corona-Maßnahmen, wie beispielsweise sog. „Corona“-, „Mittwochs“- oder sonstige „Spaziergänge“ bzw. „Kerzendemos“ untersagt, sofern die Anzeige- und Mitteilungspflicht nach Art. 13 BayVersG nicht eingehalten wurde.
Zum anderen bezieht sich der Antrag wohl auch auf sonstige Bußgeldverfahren im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Die sehr allgemein gehaltene Formulierung „Bußgeldverfahren, die aus der Verletzung sogenannter Hygieneregeln resultieren“ legt eine solch weitreichende Antragstellung nahe.
Beide Antragsbegehren zielen nicht darauf ab, im Wege der Einzelfallgerechtigkeit einzelne Verfahren bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einzustellen bzw. bereits entrichtete Bußgelder zurückzuerstatten. Vielmehr sollen sämtliche diesbezüglich anhängigen Verfahren en bloc eingestellt bzw. rückabgewickelt werden.
Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Solange das Verfahren bei ihr anhängig ist, kann sie es einstellen.
Die begehrten Einstellungen und etwaigen Rückabwicklungen wären hier jedoch unter jeglichen Gesichtspunkten pflichtwidrig und scheiden daher aus.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtmäßigkeit der „Allgemeinverfügungen zu Versammlungen im Zusammenhang mit Protesten gegen Corona-Maßnahmen“ bestätigt, vgl. BayVGH, Beschluss vom 19.1.2022, Az. 10 CS 22.162.
Anderweitige gerichtliche Entscheidungen, die eine Einstellung sämtlicher Corona-Bußgeldverfahren rechtfertigen, liegen nicht vor. Insbesonderehat auch das Bundesverfassungsgericht Beschwerden betreffend Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im Vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite („Bundesnotbremse“) als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass diese Maßnahmen in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie mit dem Grundgesetz vereinbar waren, vgl. Beschluss vom 19. November 2021, Az.: 1 BvR 781/21.
Im Übrigen rechtfertigen auch die weiteren vorgebrachten Argumente im Rahmen Ihres Stadtratsantrags keine Einstellung der Verfahren resp. eine Rückerstattung bereits entrichteter Bußgelder.
Eine Einstellung sämtlicher Verfahren – so wie von Ihnen beantragt – als „Zeichen der Versöhnung“ und als „Symbol für das Ende der gesellschaftlichen Spaltung durch die repressive Corona-Politik von Bund, Länder und Gemeinde“ kommt allein deshalb nicht in Betracht, da diese Motive keine sachlichen Gründe im Sinne der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens gem. § 47 Abs. 1 OWiG darstellen und eine pauschale Einstellung sämtlicher Verfahren nicht im öffentlichen Interesse liegt.
Im Übrigen ist das Kreisverwaltungsreferat hier der Ansicht, dass eine zeitnahe Ahndung der Verstöße im Zusammenhang mit Corona unerlässlich ist und einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie darstellt.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.