2 Jahre „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ IV Mehr Flächen für den Naturschutz b)
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Nicola Holtmann, Dirk Höpner, Hans-Peter Mehling, Tobias Ruff und Rudolf Schabl (Fraktion ÖDP/FW) vom 12.2.2021
Antwort Christine Kugler, Referentin für Klima- und Umwelt:
In Ihrem Antrag fordern Sie die LH München auf, sich dafür einzusetzen, dass das Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet) „Isarauen von Unterföhring bis Landshut“ nach Süden bis auf die Höhe des Oberföhringer Wehrs ausgeweitet wird. Es sollen Flächen innerhalb des Stadtgebietes bei einer Nachnennung an die EU aufgenommen werden. Dazu werden
Gespräche mit der Regierung von Oberbayern Obere Naturschutzbehörde und dem Freistaat Bayern Staatliche Verwaltung der Schlösser und Seen geführt.
Der Antrag wird unter anderem damit begründet, dass es auch südlich der heutigen Gebietsgrenze des oben genannten FFH-Gebietes innerhalb des Stadtgebietes äußerst schützenswerte Bereiche gebe, wie Laichplätze der im Anhang II der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie, 92/43/ EWG) aufgeführten Art Huchen zwischen dem Föhringer Ring und dem Oberföhringer Wehr. Weitere für den in Anhang I der FFH-Richtlinie aufgeführten Lebensraum Nr. 3240 „Alpine Flüsse und ihre Ufergehölze mit Salix eleagnos“ charakteristische Arten, wie Äsche, Nase und Barbe würden das Gebiet ebenfalls zum Laichen aufsuchen. Im nördlichen Teil des Englischen Gartens auf Höhe der St. Emmeransbrücke lägen ehemalige Brennenstandorte, welche bei entsprechender Pflege zu Lebensraumtypen des Anhangs I der FFH-Richtlinie „Naturnahe Kalktrockenrasen und deren Verbuschungsstadien (Festuco-Brometalia)“ oder „Magere Flachlandmähwiesen (Alopecurus pratensis, Sanguisorba officinalis)“ entwickelt werden könnten.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weil der Antrag darauf abzielt im Rahmen von Gesprächen die Nachmeldung über die zuständigen staatlichen Stellen anzuregen. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.Aufgrund des behördenübergreifenden Abstimmungsbedarfs war eine Beantwortung in der geschäftsordnungsgemäßen Frist nicht möglich. Für die gewährte Fristverlängerung bedanke ich mich.
Zu Ihrem Antrag vom 12.2.2021 teilt Ihnen das Referat für Klima- und Umweltschutz Folgendes mit:
Es wurden die Stellungnahmen der Regierung von Oberbayern sowie des Baureferats-Gartenbau und der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung als Grundstückseigentümer*innen eingeholt.
Die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung hat hinsichtlich ihrer Liegenschaften keine Einwände zur Erweiterung des FFH-Gebiets und verweist lediglich auf die Uferböschungen, die vom Wasserwirtschaftsamt unterhalten werden. Das Baureferat, das die Isarinsel verwaltet, verweist auf die Beurteilung durch die untere Naturschutzbehörde. Die intensive Erholungsnutzung müsse berücksichtigt werden.
Nach Auskunft der höheren Naturschutzbehörde der Regierung von Oberbayern vom 22.12.2021 gelten für die Nachmeldung von FFH-Gebieten im europäischen Schutzgebietsnetz Natura 2000 folgende Voraussetzungen:
Für eine Nachmeldung ist eine flurstücksscharfe Abgrenzung und eine schriftliche Einverständniserklärung der jeweiligen Eigentümer*innen erforderlich. Die Bereitschaft würde dann mit der Stellungnahme der höheren Naturschutzbehörde an das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz erklärt werden. Das Bayerische Landesamt für Umwelt sammelt Änderungsvorschläge in ganz Bayern und veranlasst mit der Aktualisierung der entsprechenden Unterlagen (Standarddatenbögen, digitale Datengrundlagen) die Meldung an das Bundesamt für Naturschutz beziehungsweise an das Bundesumweltministerium. Die Bundesrepublik Deutschland kommuniziert diesbezüglich dann weiter mit der Europäischen Union.
Aus der fachlichen Sicht der unteren Naturschutzbehörde wäre die Einbeziehung der vom Baureferat verwalteten Isarinsel und die Einbeziehung der Hirschau als Teil des Englischen Gartens in das FFH-Gebiet grundsätzlich wünschenswert. Im Hinblick auf die in der Antragsbegründung genannten Lebensräume des Anhangs I sowie der Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie ist zwar die Einrichtung besonderer Schutzgebiete vorgesehen, um einen günstigen Erhaltungszustand dieser Schutzgüter zu erreichen. Eine Aufnahme aller Flächen mit Lebensräumen des Anhangs Ioder aller Flächen mit Lebensräumen der Arten des Anhangs II ist in den Vorschriften der FFH-Richtlinie jedoch nicht enthalten.
Für die in der Antragsbegründung genannten Fischarten dürfte weniger die Aufnahme zusätzlicher Laichplätze in ein FFH-Gebiet für den Erhalt oder die Erreichung eines günstigen Erhaltungszustandes entscheidend sein, als vielmehr die Durchgängigkeit des Flusssystems. Eine besondere Beeinträchtigung dieser Laichplätze ist der unteren Naturschutzbehörde nicht bekannt. Somit verspricht die Flächenerweiterung der Isarinsel und der Hirschau keine erheblichen Verbesserungen des Schutzes. Ein Ansatzpunkt mögliche Erweiterungen abzuleiten wäre das FFH-Monitoring, da nach der FFH-Richtlinie vorgesehen. Ein nicht ausreichender Schutz des Huchens und seiner Laichplätze beziehungsweise der Lebensraumtypen alpiner Flüsse durch bestehende FFH-Gebiete könnte einen stichhaltigen Grund für die Ausdehnung von denjenigen FFH-Gebieten darstellen, für die diese Art bzw. diese Lebensräume als Erhaltungsziele vorgegeben sind. Allerdings müssten in solchen Fällen wohl zunächst Optimierungsmöglichkeiten innerhalb der bestehenden Gebietsgrenzen ausgeschöpft werden.
Die Brennenstandorte liegen im Geltungsbereich der Landschaftsschutzverordnung „Hirschau und Obere Isarau“. Ihr Potenzial für die Entwicklung als Magerrasen oder Flachland-Mähwiesen begründet eine Aufnahme in das FFH-Gebiet ebenfalls nicht zwingend. Sie sind im Hinblick auf Fläche und Ausprägung nicht von herausgehobener Bedeutung für den Bestand und den Erhaltungszustand der entsprechenden Lebensraumtypen. Die intensive Erholungsnutzung steht in Konflikt mit naturschutzfachlichen Zielsetzungen für diese Erweiterungsflächen. Eine Einbeziehung der Brennenstandorte im FFH-Gebiet würde gegenüber den Vorschriften der Landschaftsschutzverordnung jedoch keine neuen Verhaltensregeln für Erholungssuchende etablieren. Im FFH-Gebiet würden allerdings erweiterte und in vielen Fällen rein formale Prüfpflichten für Projekte aller Art gelten.
In ihrer ersten Einschätzung vom 22.12.2021 teilt die höhere Naturschutzbehörde die Skepsis im Bezug auf die zu erwartenden Konflikte mit der Erholungsnutzung. Eine Erweiterung sei grundsätzlich wünschenswert, aber angesichts des bestehenden und zukünftig zu erwartenden Erholungsdruckes in der Großstadt kaum realistisch. Das Instrument des Landschaftsschutzgebietes sei hier geeignet, die konkurrierenden Schutz- und Nutzungsinteressen zu regeln.
Im Bezug auf die beantragten Erweiterungsflächen fehlt es somit für eine Nachmeldung als Bestandteil des FFH-Gebietes an der positiven Einschät-zung der höheren Naturschutzbehörde. Insofern erscheint ein weitergehender Einsatz der unteren Naturschutzbehörde für die Einbeziehung der beantragten Flächen in das FFH-Gebiet „Isarauen von Unterföhring bis Landshut“ derzeit nicht erfolgversprechend.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.