Energieversorgung auf dem Prüfstand XI: „Schotten dicht machen“
Antrag Stadtrat Manuel Pretzl (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄH-LER) vom 12.10.2022
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Ihrem Antrag fordern Sie die Landeshauptstadt München auf, die Nachrüstung von Rollläden an allen Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu veranlassen bzw. bei dessen Neubauten als Standard zu etablieren.
Zur Begründung führen Sie aus, dass Rollläden temporär unterschiedliche und energiesparende Nutzen für die Klimatisierung von Wohnräumen haben. Im Sommer halten sie Hitze ab und verringern den Gebrauch von Klimaanlage – im Winter speichern sie die vorhandene Wärme und reduzieren den Heizungsbetrieb. In beiden Fällen wird ein finanzieller und nachhaltiger Effekt erzielt.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Die Ausstattung bzw. Nachrüstungen der Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften mit Rollläden fällt jedoch in die Geschäftsführungskompetenz der Gesellschaften. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 7.10.2022 teilt Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung aber Folgendes mit:
Das Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden, kurz „Gebäudeenergiegesetz“ (GEG), setzt nach Auskunft der GEWOFAG den gesetzlichen Rahmen für Neubauten und Sanierungen im Hinblick auf den sparsamen Einsatz von Energie in Gebäuden und auf die Nutzung erneuerbarer Energien. Somit gibt das GEG den Rahmen des Handlungsspektrums vor.
Der energetische Effekt von über Nacht heruntergelassenen Rollläden, verursacht durch die teils wirkende, dämmende Luftschicht zwischen Rollladen und Fenster, ist unumstritten. Somit kann ein bei kalter Jahreszeit heruntergelassener Rollladen eine pragmatische und eine für jede Mietpartei sofort umsetzbare Möglichkeit zur Energieeinsparung darstellen. Die theoretisch mögliche Energieeinsparung von ca. 25% der benötigten Wärme-energie ist jedoch vom Nutzungsverhalten abhängig, so dass eine konkrete berechenbare energetische Einsparungszahl nicht ermittelt werden kann. Zudem ist die Höhe der Einsparung von der Ausführung des Fensters, des Rollladens und des Rollladenkastens, den Anschlussdetails sowie den entstehenden Wärmebrücken abhängig.
Dem theoretisch möglichen Energiesparbeitrag muss zudem auch der Energieaufwand bei Einbau und Betrieb des Rollladens gegengerechnet werden. Zudem wird durch den sommerlichen Wärmeschutz und der damit verbundenen Verdunklung der dahinterliegenden Räume weitere Energie zur Beleuchtung benötigt.
Um reale Energieeinsparungen zu generieren, sind daher nach Absicht der städtischen Wohnungsbaugesellschaften nutzungsunabhängige energetische Maßnahmen mit vorab berechenbaren Einsparpotentialen zu bevorzugen. Ein von der GWG München bezüglich des geforderten Einbaus von Rollläden eingeschaltetes fachkundiges Ingenieurbüro für Bauphysik kann ebenfalls keinen direkten und für alle Gebäude allgemeingültigen Grundsatz zur ausschließlichen Umsetzung und zur Nachrüstung von Rollläden in Bestandsgebäuden ableiten.
Die GEWOFAG merkt an, dass durch das Gebäudeenergiegesetz in Kombination mit den energetischen Standards eines Effizienzhauses die spezifischen Wärmeleitfähigkeiten von vielen Bauteilen geringer werden. In der Folge wird auch der Wärmedurchlasskoeffizient der Fenster geringer. Eine „alte“ Zweischeiben-Isolierverglasung hat einen typischen Ug-Wert von ca. 2,80 W/(m²K). Heute produzierte Dreischeiben-Wärmeschutzverglasungen weisen mittlerweile einen typischen Ug-Wert von ca. 0,65 W/(m²K) auf. Im Wohnungsbau werden meist sogenannte Lochfassaden – Außenwände mit integrierten Fensteröffnungen – gebaut. Anders als im Gewerbe- oder Industriebau stellen die Fensterflächen nicht die Hauptfläche der Gebäudeaußenhülle dar. Je besser, also je kleiner der Wärmedurchlasskoeffizient der Fenster ist, desto geringer fallen die Wärmeverluste aus. Bei strengem Frost sinkt an der Fensteroberfläche die innere Oberflächentemperatur bei einer „alten“ Zweischeiben-Isolierverglasung auf bis zu 9°C. Bei einer heute üblichen Dreischeiben-Wärmeschutzverglasung sinkt die Oberflächentemperatur in der Regel nicht mehr unter 17°C. Somit verringert sich die Differenz zwischen der Wohnraumtemperatur und der inneren Oberflächentemperatur der Fenster soweit, dass der ohnehin schon geringe zusätzliche Dämmeffekt eines heruntergelassenen Fensterrolllos deutlich reduziert wird.Bei einer nachträglichen Montage von Rollläden gibt es zudem technische Probleme. Wenn im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen Außenrollläden angebracht werden sollen, so müssen die Fensterrahmen mit einer sogenannten Fensteraufdopplung verbreitert werden. Somit bilden Fensterrahmen und der außenliegende Rollladenkasten eine Baueinheit. Diese Vorgehensweise funktioniert nur bei gleichzeitiger Erneuerung der Fenster. Werden Außenrollläden an Bestandsfenstern nachträglich angebracht, so ragen die Außenrollokästen teils um mehrere Zentimeter in die Belichtungsfläche und verringern somit die Belichtung der Wohnung. Werden Gebäude, an welchen nachträglich Außenrollladenkästen angebracht wurden, energetisch modernisiert, so passen die nachträglich angebrachten Außenrollladenkästen nicht mehr auf die neuen Fensterrahmen. Durch das Anbringen einer Wärmedämmung verringert sich die lichte Bauteilöffnung in der Fassade. Sämtliche, auch erst kürzlich nachträglich angebrachte Au-ßenrollladenkästen, müssten daher im Zuge einer energetischen Modernisierungsmaßnahme entsorgt werden.
Aus den dargestellten Gründen bevorzugen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften daher nutzungsunabhängige energetische Maßnahmen mit vorab berechenbaren Einsparpotentialen, wie beispielsweise den Umbau von Bestandsgasheizungen in Heizungsanlagen mit klimaneutralem Fernwärmeanschluss.
Nicht zuletzt stünde die nachträgliche Montage von Außenrollläden an allen Fenstern des städtischen Wohnungsbestandes in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu einem nicht berechenbaren energetischen Einsparpotential. Die GEWOFAG hat ermittelt, dass eine nachträgliche Anbringung von Rollläden im Wohnungsbestand der GEWOFAG Kosten von circa 19,5 Mio. Euro verursachen würde. Dieser Kalkulation lagen folgende Annahmen zugrunde:
-Gebäudetyp: EG + 3 Etagen
-jede Wohnung verfügt über 4 nachrüstbare Fenster
-im EG sind bereits Rollläden vorhanden
-Kosten für einen Rollladen: 750 Euro (Material + Arbeitslohn, brutto)
-bei EG + 3 Etagen haben nur die oberen 3 Etagen, also ¾ keine Rollläden, somit Faktor 0,75
Kalkulation:
35.000 Wohnungen x 0,75 x 750 Euro = rund 19.500.000 Euro
In diesen Kosten sind zukünftige erforderliche Wartungs- und Erneuerungsarbeiten nicht enthalten. Auch der logistische Aufwand zur Einzeltermin-vereinbarung für die Montage von Außenrollos bei mehreren zehntausend Wohnungen ist nicht berücksichtigt.
Sowohl GEWOFAG Holding GmbH als auch GWG München plädieren daher dafür, finanzielle Mittel in nachhaltige und energetische Maßnahmen zu investieren, die auch einen messbaren Effekt erzielen. Eine Verpflichtung, an allen Gebäuden Rollläden anzubringen, erscheint den Wohnungsbaugesellschaften nicht als zielführend.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.