Nichts zu lachen am Isartor: Ist ein Wettbewerb mit Bürgerbeteiligung zur Umgestaltung des Isartors möglich?
Anfrage Stadträte Hans-Peter Mehling und Manuel Pretzl (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 11.10.2022
Antwort Kulturreferent Anton Biebl:
Aufgrund der geforderten Brandschutzmaßnahmen und einer fehlenden Barrierefreiheit im Valentin-Karlstadt-Musäum, stellten die Fraktionen SPD/Volt und Die Grünen/Rosa Liste am 18.9.2020 den gemeinsamen Antrag, das Valentin-Karlstadt-Musäum für alle zugänglich zu machen. Hierzu beschloss der Stadtrat am 17.6.2021 einstimmig, das Baureferat damit zu beauftragen, eine Machbarkeitsstudie beim Architekturbüro Allmann-Sattler-Wappner und die Prüfung der Baugenehmigungsfähigkeit durch das Planungsreferat in Auftrag zu geben. Die Machbarkeitsstudie sieht zwei Rettungstürme mit jeweils einem Aufzug und einer Treppe vor. Damit wären die Anforderungen des Brandschutzes und der Barrierefreiheit gewährleistet. Der bestehende Wehrgang von 1971/72 würde durch ein eingehängtes Raummodul „schwebende Plattform“ ersetzt. Durch die Maßnahme würde die bestehende Raumnot im Valentin-Karlstadt-Musäum entlastet und Platz für notwendige Infrastruktur wie Behindertentoiletten, Vermittlungsraum, Garderoben etc. geschaffen. Diese Machbarkeitsstudie liegt dem Planungsreferat seit 23.5.2022 vor, um die Genehmigungsfähigkeit zu entscheiden.
Wegen personeller Engpässe und hohem Krankheitsaufkommen wurde um eine Fristverlängerung der Beantwortung der Anfrage gebeten. Dieser wurde vom Fraktionsreferenten der Stadtratsfraktion CSU mit FREIEN WÄHLER am 11.1.2023 bis Ende März 2023 stattgegeben.
Ihre Anfrage vom 11.10.2022 beantworte ich in Abstimmung mit dem Baureferat, dem Planungsreferat, dem Valentin-Karlstadt-Musäum und dem Münchner Stadtmuseum wie folgt:
Frage 1:
Sind die jetzigen Planungen des Baureferats, welche durch den örtlichen Bezirksausschuss abgelehnt werden, mit den denkmalschutzrechtlichen Aspekten und Vorschriften vereinbar?
Antwort:
Mit Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 03689 Valentin-Karlstadt-Musäum, Antrag zur Finanzierung einer Machbarkeitsstudie und Umsetzung eines Ertüchtigungskonzeptes für das Isartor vom 11.6.2021 hat das Kulturreferat denStadtrat über die Planungsergebnisse des Baureferates zur Sicherstellung des Brandschutzes im Valentin-Karlstadt-Musäum informiert. Die aus brandschutztechnischer Sicht notwendigen Maßnahmen umfassen insbesondere die rauchdichte Abtrennung der Treppenräume von den Ausstellungsräumen durch Glastüren und die brandschutztechnische Ertüchtigung der Bestandsdecken durch zusätzliche Unterdecken.
Die bisherige Brandschutzplanung sieht hier als Fluchtweg im Südturm ein Loch in der Decke des 2. Obergeschosses vor, durch das sich im Brandfall die Besucher*innen selbstständig über eine auszuziehende Leiter ca. 4m in das 1. Obergeschoss retten sollen. Ein Rettungsweg über die Fenster ist hier nicht möglich, da diese zu klein sind.
In der Sitzungsvorlage wurde dargestellt, dass aus Sicht des Kulturreferates alternativ zu diesen aus brandschutztechnischer Sicht notwendigen Maßnahmen, weitere bauliche Maßnahmen im Sinne einer sog. Gesamtertüchtigung zur Sicherstellung der Barrierefreiheit und zur Errichtung sicherer Rettungswege (z.B. Anbringung von zwei zusätzlichen Versorgungstürmen, die u.a. Aufzüge, Fluchttreppen sowie notwendige Infrastruktur, wie Spindschränke für Rucksäcke, Taschen etc. und Behindertentoiletten enthalten) sowie zur Erweiterung der Ausstellungs- , Vermittlungs- und Veranstaltungsflächen (z.B. durch eine Verbreiterung des Wehrganges) dringend gefordert sind. Mit Beschluss vom 17.6.2021 (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 03689) hat der Stadtrat diese vorläufigen Nutzerbedarfe zur Kenntnis genommen und das Baureferat mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie einschließlich baugenehmigungsrechtlicher Prüfung durch Antrag auf Bauvorbescheid beauftragt. Das Ergebnis soll dem Kulturausschuss zur Entscheidung vorgelegt werden.
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung bezieht dazu folgende Position:
Das Isartor ist als Einzelbaudenkmal in die Denkmalliste der LHM eingetragen. Das im Jahr 1337 vollendete Isartor stellt dabei ein Baudenkmal von überregionaler Bedeutung dar. Trotz starker Erneuerungen im Rahmen des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg stellt es bis heute das am besten erhaltene Beispiel für die vier großen Stadttore Münchens dar. Aus übergeordneter Perspektive gehört es zu den stattlichsten Torburgen in Altbayern. Der Torturm mit der vorgelagerten Barbakane und die beiden achteckigen Flankentürme sind sprechende Zeugnisse für die mittelalterliche Vergangenheit Münchens und gehören zu den identitätsprägenden Wahrzeichen der Landeshauptstadt. Mit dem 1835 enthüllten Gemäldefries von Bernhard Neher hat das Isartor eine von vielen weiteren Bereicherungen erfahren.Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung – Lokalbaukommission und Untere Denkmalschutzbehörde – hat sich im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens intensiv mit der Planung beschäftigt. Auch wenn der Antrag auf Vorbescheid noch nicht abschließend geprüft ist, kann bereits zum jetzigen Zeitpunkt gesagt werden, dass denkmalfachlich keine Möglichkeit zur Zustimmung zu dem im Vorbescheid abgefragten Vorhaben besteht.
Im Auftrag des Baureferats wurde eine 160 Seiten umfassende Dokumentation zur Bau- und Restaurierungsgeschichte des Isartors erarbeitet, die das Isartor in seiner fast 700 Jahre alten Geschichte als Tor im Wandel belegt. Diese Veränderungen reichen bis in die Gegenwart. Die Wiederherstellung des Isartors durch Leo von Klenze und Friedrich Gärtner ab 1831 entsprach den Vorstellungen zur Festigung des Herrschaftsbildes der Wittelsbacher mit vielen Abweichungen zum überlieferten mittelalterlichen Ursprungstor. Die wiederkehrenden großen baulichen Eingriffe waren zumeist der Funktion untergeordnet. So wurden große Durchbrüche für den Verkehr geschaffen, in den 70er Jahren der Nordturm für die Nutzung erschlossen und durch einen angebauten Wehrgang zugänglich gemacht.
Frage 2:
Kann der Wehrgang im Innenbereich des Isartors, insbesondere auch unter den Gesichtspunkten des Denkmalschutzes erhalten und in die Planungen mit einbezogen werden?
Antwort:
Der Wehrgang wurde 1972 als verbindendes Element der beiden Flankentürme angebaut. Ebenso wie die Betontreppe, die in den Nordturm führt. Im Rahmen der Planung des Antrags auf Vorbescheid wird der Wehrgang mit einer schwebenden Plattform für Ausstellungs- , Vermittlungs- und Veranstaltungsflächen sowie zur Entzerrung der insgesamt bedrohlich beengten Raumsituation überplant. In der Planung zur Brandschutzertüchtigung bleibt der Wehrgang unberührt. Zu den Gesichtspunkten des Denkmalschutzes siehe Antwort auf Frage 1.
Frage 3:
Welche Nutzungen wären in dem Isartorkomplex unter Beibehaltung des aktuellen Status weiter möglich?
Antwort:
Die bestehende Situation wird derzeit von der Branddirektion noch geduldet. Die aus brandschutztechnischer Sicht notwendigen Maßnahmen sindzeitnah umzusetzen und wurden in enger Abstimmung mit Branddirektion und den Denkmalschutzbehörden bereits geplant (vgl. Antwort zu Frage 1). Falls ausschließlich die aus brandschutztechnischer Sicht notwendigen Maßnahmen umgesetzt würden, wären keine nennenswerten Eingriffe am äußeren Erscheinungsbild des Isartors erforderlich. Jedoch könnten die bestehenden Ausstellungen so nicht mehr gezeigt werden, weil durch das Abhängen der Decken, den Einbau von Brandschutztüren und einem Fluchtloch mit Rettungsleiter die Ausstellungsflächen erheblich verkleinert würden. Die Einhausung des Treppenhauses beengt die Auf- und Abgangssituation zusätzlich. Das Isartor wäre nicht barrierefrei. Ohne Umsetzung der geforderten Brandschutzmaßnahmen ist ein Museumsbetrieb nicht mehr möglich.
Frage 4:
Ist eine Verlegung des Karl-Valentin-Musäums mit einer Eingliederung in den Neubau des Stadtmuseums möglich?
Antwort:
Das Valentin-Karlstadt-Musäum befindet sich seit 1959 im Isartor und hat als solches ein Alleinstellungsmerkmal unter den Münchner Museen und insgesamt in der Museumslandschaft. Es beheimatet und repräsentiert den Münchner Humor in allen Facetten, auch mit den regelmäßigen Sonderausstellungen.
Seit 64 Jahren beheimatet in seinem korrespondierenden Standort Isartor, gehört es zu den sehr bedeutenden Sehenswürdigkeiten der Stadt. Jährlich besuchen es rund 55 000 Besucher*innen aus nah und fern. Viele kommen deshalb extra nach München angereist.
Das Isartor übernimmt in Leben und Werk von Karl Valentin eine zentrale Rolle. Die längste Zeit seines Lebens wohnte und verbrachte er in unmittelbarer Nachbarschaft des Isartors. Die legendären „Raubritter vor München“ spielen vor der Kulisse des Isartors. Der berühmte „Ententraum“ daraus hielt nicht nur Einzug in das kollektive Gedächtnis Münchens, sondern auch in die allgemeine Philosophie (s. Ernst Bloch-Almanach, Folge 2, hg. v. Ernst-Bloch-Archiv, Ludwigsburg 1982, S. 81 ff.).
Das Valentin-Karlstadt-Musäum im Isartor fehlt in keinem Reiseführer über München und zeigt einen sehr einzigartigen Ausschnitt der Münchner Kunst- und Kulturgeschichte. Es repräsentiert einen Künstler, der mit seiner kongenialen Partnerin für München steht, wie kaum ein anderer, phänotypisch. So ist das Valentin-Karlstadt-Musäum im Isartor mit dem dazugehörigen Turmstüberl zu einem Wahrzeichen Münchens geworden. Jede Stadt hat zurecht ihr Stadtmuseum, aber es gibt keine zweite Stadt auf der Welt mit einem Valentin-Karlstadt-Musäum.Das Valentin-Karlstadt-Musäum im Isartor ist ein Gesamtkunstwerk und als solches ein Erlebnisort, an dem Kunst-, Sozial- und Kulturgeschichte niedrigschwellig wie profund vermittelt wird.
Das Münchner Stadtmuseum wird in den kommenden Jahren generalsaniert. Es wird seinen öffentlichen Betrieb Ende 2023 beenden und wieder Mitte 2031 eröffnen. Auf der Grundlage des vom Stadtrat beschlossenen Nutzerbedarfsprogramms wurde in den zurückliegenden Jahren gemeinsam mit den verschiedenen, am Projekt beteiligten, Fachplaner*innen ein aufeinander abgestimmtes Raum- und Gestaltungsprogramm für das Museum entwickelt. Die aktuelle Projektgenehmigung beschreibt den derzeitigen Planungsstand. Der Entwurf zur Baugenehmigung liegt bereits vor. Aufgrund der bereits fortgeschrittenen Planungen für den Bau und die Gestaltung des Münchner Stadtmuseums ist eine Verlegung bzw. Eingliederung des Valentin-Karlstadt-Musäums keine Option.
Frage 5:
Kann nun auf Grundlage der Planungen und Untersuchungen des Baureferats ein Wettbewerb unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sowie weiterer Sachverständigen aus dem Bereich der Museumspädagogik, des Tourismus und des Bezirksausschusses ausgelobt werden?
Antwort:
Auf Basis der vorliegenden Planungen des Baureferats kann die Durchführung eines Wettbewerbs aus fachlichen Gründen nicht empfohlen werden. Siehe dazu auch Antwort auf Frage 1. Der Kulturausschuss soll zeitnah mit den Ergebnissen der Lokalbaukommission befasst werden und ein Vorschlag zum weiteren Vorgehen vorgelegt werden.