Welche Gründe haben die Wucherpreise beim Erdgas der Stadtwerke München? Gaspreis der Stadtwerke München muss abgesenkt werden
Anfrage und Antrag Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 24.3.2023
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 24.3.2023 führten Sie als Begründung aus:
„Schon länger war bekannt, dass die Stadtwerke München (SWM) seit Beginn des Jahres die teuersten Preise bei Fernwärme und Strom im Großstadtvergleich haben. Nun belegt eine Analyse von Verivox, dass dies auch bei der Grundversorgung mit Erdgas zutrifft 1. Während der Bundesschnitt der Gasgrundversorgungstarife bei aktuell 16,1 Cent pro Kilowattstunde (ct/ kWh) liegt, verlangen die SWM 21,1 ct/kWh 2. Wie auch die Analyse unserer Fraktion zeigt, ist München dadurch mit Abstand die teuerste Stadt der zehn größten Städte. So liegt der Verbrauchspreis in Stuttgart bei 13,5 ct/ kWh 3 oder in Hamburg seit Februar 2023 bei 15,7 ct/kWh 4. Im vergleichsweisen teuren Berlin wurde angekündigt, zum 1. Mai den Preis von 19,7 auf 11,8 ct/kWh zu reduzieren5.
Während viele Städte die Preise aktuell senken, die Preise an den Gashandelsmärkten in den letzten Monaten stark gesunken sind und aktuell unter dem Vorkriegsniveau liegen, verlangen die SWM weiterhin Wucherpreise. Auffälligerweise sind die Preise bei den Stadtwerken Augsburg (SWA) als weiterer Grundversorger beim Erdgas sogar noch leicht höher als bei den SWM (22,3 ct/kWh). Gemeinsam ist den beiden Stadtwerken, dass sie die größten Anteilseigner der BayernGas sind (SWM 56,3%, SWA 20,8%). Deren Geschäftsfelder sind u.a. Gasbeschaffung, Gasvertrieb und Gashandel. Dieser Umstand wirft zumindest Fragen auf, ob die hohen Preise beider
1 https://www.verivox.de/strom-gas/nachrichten/analysemehr- als-80-prozent-der-grundversorgungstarife-teurer-als-diepreisbremse- 1120130/
2 www.swm.de/dam/doc/erdgas/preisblatt-m-erdgas-muenchen-01-2023.pdf
3 Gastrarif Grundversorgung Stuttgart seit Dez. 22
4 https://occ.eon.de/pdf/1.0/api/download?type=preiszusammensetzung&filename=EHA00_G301755.pdf
5 https://www.gasag.de/erdgas/komfort-tarif
Stadtwerke mit einer verfehlten Einkaufspolitik der BayernGas zusammenhängen.
Dazu haben die SWM jahrelang behauptet, die defizitäre Erdgasförderung in der Nordsee über Bayerngas Norge und Spirit Energy würde auch zur Versorgung Münchens gebraucht werden und könnte nicht in Gänze abgestoßen werden. Die SWM müssten, im Gegensatz zu den vergangenen Jahren, durch ihre Beteiligung an Spirit Energy (31%) über die hohen Marktpreise des letzten Jahres profitiert haben. Mindernde Auswirkungen auf den Münchner Gaspreis hatte dies offensichtlich aber nicht. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Geschäftsstrategien der SWM einmal mehr den Verbraucher*innen zur Last fallen.“
In Ihrem o.g. Antrag fordern Sie zudem, dass sich der Oberbürgermeister als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Stadtwerke München (SWM) für eine schnellstmögliche Absenkung des Erdgaspreises in der Grundversorgung einsetzt.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Die Absenkung der Erdgaspreise fällt jedoch in den operativen Bereich der Stadtwerke München. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich. Daher wird der Antrag im Folgenden und im Rahmen der Beantwortung Ihrer Anfrage als Brief beantwortet.
Die in Ihrer Anfrage gestellten Fragen können anhand einer Stellungnahme der SWM wie folgt beantwortet werden:
„Vormerkung: Grund für die hohen SWM Erdgaspreise waren in erster Linie die exorbitant gestiegenen Beschaffungspreise, insbesondere zur zweiten Jahreshälfte in 2022 in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Im Vergleich zu anderen Anbietern kauften die SWM die Mengen für das Lieferjahr 2023 großteils im Vorjahr und teilweise im Vorvorjahr ein und nicht noch früher. Diese Beschaffungsstrategie führte in der Vergangenheit zu im Markt sehr wettbewerbsfähigen Preisen. In Bezug auf das Lieferjahr 2023, konkret für die Preise zum 1.1.2023, führte diese Strategie aber zu höheren Preisen im Vergleich zu anderen Unternehmen. Dies liegt wie dargestellt daran, dass in den Beschaffungszeitraum leider nie dagewesene Verwerfungen an den Energiemärkten fielen, weswegen die SWM zu sehr hohen Großhandelspreisen kaufen mussten. Hinzu kam, dass schon im zweiten Halbjahr 2021 und dann auch im Jahr 2022 eine Vielzahl anderer Energielieferanten die Belieferung ihrer Kund*innen ganz eingestellt hat.Die Stadtwerke München waren verpflichtet, diese Kund*innen im Rahmen der Grundversorgung aufzufangen und dafür zusätzliche Mengen einzukaufen. Auch dies hatte Einfluss auf die Endkundenpreise für 2023. Leider liegen die SWM momentan bundesweit tatsächlich nicht im günstigen Preisbereich. Es ist den SWM bewusst, dass dies trotz der Preisbremsen für viele Kund*innen eine erhebliche finanzielle Belastung bedeutet. Die SWM hatten zugesagt, dass sie mögliche Spielräume zur Preissenkung sofort nutzen werden. Deshalb haben sie bereits ihre Strompreise zum 1. April um rund 10 Cent gesenkt. Die SWM sehen nun erneut Möglichkeiten, um Privat- und Gewerbekunden zu entlasten. Sie bereiten weitere Energiepreissenkungen für den kommenden Herbst vor.
Konkret:
Der Arbeitspreis Strom wird zum 1. November gesenkt.
Grundsätzlich haben sich die SWM zum Ziel gesetzt, zu den günstigsten Versorgern in Deutschland zu zählen.“
Frage 1:
Wieso hat München im Vergleich der zehn größten Städte des Landes den höchsten Erdgaspreis in der Grundversorgung?
Antwort der SWM:
Die Ursachen für die Preise der SWM ist oben in der Vormerkung erläutert.
Frage 2:
Wann werden die Gaspreise wieder sinken?
Antwort der SWM:
Der Arbeitspreis Gas wird zum 1. Oktober gesenkt, voraussichtlich in der Grundversorgung in München um rund 40%.
Die deutliche Preissenkung kommt in vergleichbarer Größenordnung neben den Kund*innen in der Grundversorgung auch allen anderen Privat- und Gewerbekund*innen zugute (außer bei Verträgen mit laufendem Festpreis).
In Netzgebieten außerhalb Münchens können die Preissenkungen u.a. aufgrund der dort geltenden Netzentgelte abweichen. Die SWM informieren ihre Kund*innen umgehend, sobald die neuen Preise feststehen, darüber hinaus erhalten alle Kund*innen ein persönliches Informationsschreiben.
Frage 3:
Verfolgen die SWM beim Erdgas eine ähnlich kurzfristige Einkaufsstrategie wie beim Strom, die nun zu den höheren Preisen im Vergleich zu anderen Energieversorgern führt?
Antwort der SWM:
Die Einkaufsstrategie für das Lieferjahr 2023 war für Strom und Erdgas ähnlich. Die Einkaufsstrategien unterliegen – wie bei anderen Versorgern auch – immer wieder einer Prüfung und werden ggf. angepasst. Keine Einkaufsstrategie kann dazu führen, in jeder Marktlage bestmögliche Preise anbieten zu können. Je nach Marktlage wird bei einer ex post Betrachtung mal die eine, mal eine andere Strategie zu günstigen Preisen führen.
Frage 4:
Wird das Erdgas der SWM über die Beteiligungsgesellschaft BayernGas eingekauft? Falls ja: Wäre Bayerngas in finanzielle Schieflage geraten, wenn die SWM ihr Gas bei einem anderen Gashändler beschafft hätte?
Antwort der SWM:
Die SWM haben für das Lieferjahr 2023 kein Erdgas bei der Bayerngas eingekauft.
Frage 5:
Welche Auswirkungen hat die Erdgasförderung der Spirit Energy in der Nordsee auf die Versorgungssicherheit und die Preise bei Erdgas in München?
Antwort der SWM:
Der rechnerische Anteil der SWM an der Erdgasproduktion der Spirit Energy im Jahr 2022 betrug ca. 9,5 TWh und entspricht damit fast 90% der in 2022 in München verbrauchten Erdgasmenge.
Frage 6:
Erfolgt der Verkauf des Erdgases durch Spirit Energy einer längerfristigen Verkaufsstrategie als die Einkaufsstrategie der SWM für Erdgas?
Antwort der SWM:
Dies lässt sich nicht pauschal sagen. Um die Finanzierungskosten der Spirit Energy zu decken, wurden seitens der Spirit Energy – wie auch bei anderen Gesellschaften aus Finanzierungsgründen üblich – Preissicherungsgeschäfte für einen wesentlichen Teil der erwarteten Produktionsmenge eingegangen.
Frage 7:
Wie haben sich die durchschnittlichen monatlichen Abschlagszahlungen der M-Erdgaskunden seit 2020 verändert? (Bitte jährlich)
Antwort der SWM:
Die Erdgaspreise an den Märkten sind seit Mitte des Jahres 2021 angestiegen. Die SWM mussten zum 1.1.2022, 1.8.2022 und 1.1.2023 aufgrund der gestiegenen Beschaffungskosten die Preissteigerungen an die Kund*innen weitergeben. Dementsprechend sind – mit einer gewissen Verzögerung – die Abschlagzahlungen gestiegen. Aufgrund der heterogenen Kund*innenstruktur, der realisierten Einsparungen und der Preisbremsen, die auch auf die Monate Januar und Februar rückwirken, lassen sich jedoch keine Durchschnittswerte bilden.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.