Bäderverordnung geschlechtergerecht reformieren!
Antrag Stadträtinnen Mona Fuchs, Judith Greif, Marion Lüttig, Gudrun Lux, Clara Nitsche (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) und Barbara Likus, Lena Odell (SPD/Volt-Fraktion) vom 11.8.2022
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrem o.g. Antrag werden die Stadtwerke München beauftragt, „die Allgemeinen Bedingungen für die Benutzung der Badeanlagen (ABB) auf Gleichstellungsaspekte hin zu überprüfen. Die aktuelle Bäderverordnung soll dahingehend überarbeitet werden, dass in der ABB unter III. Nr. 2. ergänzt wird: ‚Der Aufenthalt im Nassbereich ist nur in geeigneter Badebekleidung gestattet (die primären Geschlechtsorgane sind zu bedecken)‘.“ Als Begründung wird angeführt, dass Frauen* dasselbe Recht wie Männer haben sollen, „sich oberkörperfrei im (Frei-)bad aufzuhalten und insbesondere auch oberkörperfrei zu schwimmen. Die aktuellen allgemeinen Bedingungen für die Benutzung der Badeanlagen (ABB) lassen einen Ermessensspielraum zu. Die Bademeister*innen können selbst entscheiden, welche Badekleidung sie für angemessen halten. Frauen* sollten jedoch nicht auf die Meinung der Bademeister*innen angewiesen sein, wenn sie oberkörperfrei sein wollen. Jede Frau* sollte das Recht haben, ihre eigene Wahl zu treffen.“
Da es sich im vorliegenden Fall um eine laufende Angelegenheit der Verwaltung (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO, § 22 GeschO) handelt, die nicht gemäß § 60 Abs. 9 GeschO im Stadtrat zu behandeln ist, erlaube ich mir, Ihren Antrag anstelle einer Stadtratsvorlage als Brief zu beantworten.
Zu Ihrem Antrag teile ich Ihnen im Folgenden die Ausführungen der Stadtwerke München GmbH mit:
„In den Münchner Bädern gilt seit jeher ‚leben und leben lassen‘. Natürlich ist diese Philosophie immer dem Zeitgeist unterworfen. So war es etwa in den späten 1960er und 1970er Jahren vollkommen üblich, dass sich Frauen* oberkörperfrei in den Bädern sonnten und schwammen. Im Laufe der 1980er und 1990er Jahre hat sich der gesellschaftliche Umgang mit Nacktheit gewandelt. Die Ansichten wurden je nach Gesellschaftskreis etwas konservativer. Auch die Definition, wie geeignete Badekleidung in öffentlichen Räumen aussehen sollte, ist einem stetigen Wandel und einer subjektiven Interpretation unterworfen. Die derzeitige Formulierung unserer ABBs bzgl. Badekleidung deckt all diese, zum Teil kontroversen Ansichten ab.Unterschiedliche Gruppen wie Familien, Sportler*innen oder Sonnenhungrige nutzen in den Münchner Hallen- und Freibädern einen begrenzten Raum gemeinsam. Der Anspruch der M-Bäder ist es, diesen Begegnungsraum so harmonisch und gleichzeitig sicher wie möglich zu gestalten. In diesem Rahmen versuchen wir die Bedürfnisse unserer Badegäste angemessen und in gleichem Maße zu berücksichtigen. So ist nach Badeordnung oberkörperfreies Sonnen und Abkühlen beispielsweise in den Freibädern schon heute möglich. Auch in den Hallenbädern ist es durch unsere ABBs nicht ausgeschlossen. Unsere Badeordnung macht keine geschlechtsspezifischen Vorgaben.
Wir setzen im Badealltag auf eine angemessene und situative Toleranz, sowohl auf M-Bäder- als auch auf Kundenseite. Eine solche Ausgestaltung verlangt vor allem seitens des Bäderpersonals ein sorgfältiges und überlegtes Abwägen von Interessen. Denn es gilt auch zu berücksichtigen, dass Besucher*innen sich aus moralischen, religiösen oder sonstigen Gründen durch eine solche Toleranz unwohl fühlen. Das kann in der Konsequenz dazu führen, dass der Badbesuch gemieden wird. Dieses Besuchsverhalten wird zum Teil auch in Göttingen beobachtet, wo das oberkörperfreie Baden bereits umgesetzt ist. Solch eine Entwicklung sehen wir gerade im Bezug auf das Thema ‚Schwimmen lernen‘ sehr kritisch.
Was hinzukommt: das Thema ‚oberkörperfreies Baden‘ ist von Kund*innenseite bisher nicht als Problem an uns herangetragen worden. Erkenntnisse aus anderen Bädern, die oberkörperfreies Baden erlauben, zeigen auch, dass von dieser Möglichkeit nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht wird.
Wir sehen im Moment also keine Notwendigkeit, die Badeordnung anzupassen und würden weiterhin mit Fingerspitzengefühl auf die unterschiedlichen, teils konträren Bedürfnisse reagieren. Diesbezüglich bekommen wir auch mehrheitlich positives Feedback unserer Badegäste.
Als Unternehmen, das sowohl den Grundsatz der Gleichheit lebt als auch die schutzwürdigen Interessen der Einzelpersonen achtet, beobachten wir das Thema weiterhin sehr genau. Außerdem sind wir im regelmäßigen Austausch mit anderen deutschen Bädern, die das Thema auch sehr genau evaluieren. Wir bitten an dieser Stelle um Vertrauen auf einen angemessenen Umgang mit diesem sensiblen Thema.“
Aus Sicht der Gleichstellungsstelle der Landeshauptstadt München ist es sinnvoll, in den Bekleidungsvorschriften oder zumindest auf dem Bade-regeln-Plakat mit Piktogrammen, das in allen Bädern sichtbar angebracht ist, explizit darauf hinzuweisen, dass eine Badehose gleichermaßen für Männer und für Frauen eine Mindestvoraussetzung für die Nutzung der Schwimmbäder darstellt.
Bisher ist den meisten Frauen und anderen Badegästen nicht bekannt, dass alle oberkörperfrei in einem Schwimmbad schwimmen dürfen. Somit wird diese Möglichkeit wenig bis gar nicht von den Frauen genutzt. Wenn sie genutzt wird, kann es zu Irritationen bis Anfeindungen durch andere Badegäste führen, weil diese ebenfalls nicht wissen, dass es erlaubt ist. Das wiederum verhindert, dass Frauen von der Möglichkeit, oberkörperfrei zu schwimmen, Gebrauch machen. Nach der Diskussion und Entscheidung über das Tragen von Burkini im Schwimmbad wurde das Piktogramm mit Burkini auf dem Baderegeln-Plakat abgebildet, um eben alle zu informieren und für die Akzeptanz des Kleidungsstücks und für Toleranz seitens der Badegäste und des Personals zu werben.
Zudem ist es bisher dem Ermessen und „Fingerspitzengefühl“ des Personals überlassen, ob Frauen tatsächlich oberkörperfrei schwimmen dürfen, d.h. sie müssten vor dem Schwimmen beim jeweiligen Personal um Erlaubnis fragen, oberkörperfrei schwimmen zu dürfen, wenn sie eine peinliche öffentliche Aufforderung ihre Brüste zu bedecken, vermeiden wollen, falls das Personal der Meinung sein sollte, dass es gerade nicht passend ist. Auch das stellt für Frauen eine Hürde dar. Die bisherigen Erfahrungen aus dem Schwimmbad- und Saunabereich zeigen auch, dass das Personal nicht immer mit Fingerspitzengefühl mit den weiblichen Gästen umgeht.
Deshalb müssen aus Sicht der Gleichstellungsstelle alle Badegäste und das Personal adäquat darüber informiert werden, dass Frauen genauso wie Männer oberkörperfrei schwimmen dürfen. Es ist die Aufgabe der SWM, die Akzeptanz und Anerkennung der geänderten Bekleidungsmöglichkeiten nach außen zu kommunizieren und für Toleranz zu werben.
Auch wenn die bisherige Badeverordnung keine geschlechtsspezifischen Vorgaben macht, würde die entsprechende Ergänzung es Frauen* ermöglichen, sich genauso wie die männlichen Badegäste, unbeschwert gemäß dem Motto „leben und leben lassen“ zu kleiden. Sie könnten sich dabei sicher sein, dass es diesbezüglich keine geschlechtsspezifischen Andersbehandlungen geben darf. Das wäre ein sehr schönes und wichtiges Zeichen.In Ergänzung zur Stellungnahme der Gleichstellungsstellen führen die SWM Bäder aus, dass derzeit die Piktogramme in den SWM- Baderegeln angepasst werden. In Zukunft wird ersichtlich sein, dass eine Badehose gleichermaßen für Männer und für Frauen eine Mindestvoraussetzung für die Nutzung der Schwimmbäder darstellt. Zum anderen werden die Mitarbeiter der SWM Bäder fortlaufend geschult und bezüglich des Themas sensibilisiert. Es wird erwartet, dass das Bäderpersonal dadurch noch empathischer auf die unterschiedlichen Bedürfnisse eingehen wird und Konfliktsituationen in der Wurzel entschärft werden können.
Obwohl es wie oben bereits angesprochen derzeit für Frauen auch schon möglich ist oberkörperfrei zu baden und die SWM Badeordnung keine geschlechtsspezifischen Angaben zur Badekleidung macht, wurden die Argumente der beiden Gleichstellungsstellen von den SWM Bädern als valide anerkannt und werden in den ABBs unter III. Nr. 2. wie folgt angepasst: „Der Aufenthalt im Nassbereich ist nur in geeigneter Badebekleidung gestattet. Die primären Geschlechtsorgane sind zu bedecken.“
Die SWM Bäder sind zuversichtlich, dass mit diesen drei Maßnahmen ein positives Badeerlebnis für alle Besucher*innen geschaffen wird.
Auch ich setze dabei auf eine angemessene Toleranz auf allen Seiten und bin zuversichtlich, dass diese gerade mit einer angepassten Bäderverordnung gut gelebt werden kann, so dass sich Besucher*innen mit unterschiedlicher Badebekleidung wohlfühlen.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.