Zunehmende Vermüllung in der Fußgängerzone bekämpfen II: Stadt zeigt Lösungsmöglichkeiten auf
Antrag Stadträte Hans-Peter Mehling und Manuel Pretzl (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 10.8.2022
Antwort Christine Kugler, Referentin für Klima- und Umweltschutz:
Ich nehme Bezug auf den o.g. Antrag, den mir der Oberbürgermeister zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet hat.
Sie beantragen, seitens der Landeshauptstadt München darzustellen, welche weiteren Möglichkeiten (abgesehen von den im Antrag „Zunehmende Vermüllung in der Fußgängerzone bekämpfen I“ genannten) es gibt, der Vermüllung in der Fußgängerzone Einhalt zu gebieten.
In diesem Antrag wurde die Landeshauptstadt München aufgefordert, den Reinigungsrhythmus der Straßenreinigung in diesen Bereichen in Zukunft sichtbar zu erhöhen, zudem vermehrt Abfallbehälter aufzustellen und dafür zu sorgen, dass diese auch fest genug montiert sind. Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, um die Situation zu verbessern, wurde die Landeshauptstadt München darüber hinaus aufgefordert, hierdurch Ordnungskräfte (zum Beispiel den Kommunalen Außendienst der Landeshauptstadt München) verstärkt zu kontrollieren und die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfall sicherzustellen.
Dabei sollen auch Aspekte wie Mehrwegverpackungen oder Verpackungspfand beleuchtet werden. Zudem soll dargestellt werden, wie der aktuelle Stand zum Prüfauftrag zur Erstellung und Umsetzung eines Konzepts zur Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer ist (Aufträge aus den Beschlüssen 20-26/V 02912 und 20-26/V 03536).
Die Darstellung zusätzlicher Lösungsmöglichkeiten und die vorgenannten Themen Mehrwegverpackungen und Verpackungsabgabe betreffen Maßnahmen, die seitens der Verwaltung der Landeshauptstadt München noch zusätzlich ergriffen werden könnten, um die Ablagerung von Müll im Bereich der Fußgängerzone zu reduzieren.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt erlaube ich mir, Ihren Antrag als Brief zu beantworten und teile Ihnen auf diesem Wege Folgendes mit: Die jeweils betroffenen Referate können hierzu Folgendes mitteilen:I. Antwort des Baureferates
Das Baureferat hat in der Beantwortung zum StR-Antrag „Zunehmende Vermüllung in der Fußgängerzone bekämpfen I: Reinigungsrhythmus erhöhen und mehr Abfallbehälter aufstellen“ mittels Schreiben (abgedruckt in der Rathausumschau vom 31.3.2023 – abrufbar über https://ru.muenchen.de/pdf/2023/ru-2023-03-31.pdf) bereits ausführlich die Maßnahmen zum Umgang mit der Vermüllung im Bereich der Fußgängerzone dargestellt. Details können den Ausführungen in diesem Schreiben entnommen werden.
II. Antwort des Kommunalreferates, Abfallwirtschaftsbetrieb München
Durch die laufende Aufklärungsarbeit des AWM zur Abfallvermeidung (z.B. bezüglich Einwegverpackungen oder Einwegbecher) kann es zu positiven Effekten in Bezug auf die Vermüllung der gezeigten Bereiche kommen. Dezidierte Marketingmaßnahmen gegen den Verpackungsmüll aus Handel und Gewerbe sind im Bereich der Fußgängerzone jedoch nicht geplant, da dieser Stoffstrom nicht im Auftrag des AWM entsorgt wird.
Dieser Stoffstrom wurde vom Bundesgesetzgeber privatisiert und zählt nicht zum Kerngeschäft des AWM, der zuvorderst für die Hausmüllentsorgung zuständig ist. Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, dass die Fußgängerzone als Einkaufsmeile mit überregionaler Ausstrahlung von vielen in- und ausländischen Tagesgästen besucht wird, die mit einzelnen Werbemaßnahmen nur sehr schwer zu erreichen sind.
III. Antwort des Referates für Klima- und Umweltschutz
Aus Sicht des Referates für Klima- und Umweltschutzes führt die Verbesserung der Information über und Förderung des Einsatzes von Mehrweg im To-Go-Bereich von Gastronomie und Lebensmitteleinzelhandel sowie die Prüfung der Einführung einer Verpackungsabgabe zu sinnvollen und wirksamen Maßnahmen. Diese wurden bereits ergriffen, so dass ich zum Sachstand Folgendes mitteilen kann.
I. Prüfauftrag zur Erstellung und Umsetzung eines Konzepts zur Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer
Mit Beschluss der Vollversammlung vom 5. Mai 2021 wurde das RKU beauftragt, die Umsetzung einer kommunalen Verpackungsabgabe zu prüfen. Der Stadtrat sollte dann nach dem Ende der Corona-Pandemie wieder mit dem Thema beschäftigt werden (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 02912).
Bei der Prüfung des Konzepts stellte das RKU fest, dass über die Klage gegen die entsprechende Satzung der Stadt Tübingen, die nun in der 2. Instanz vor dem VGH Mannheim verhandelt wird, wohl erst im 1.-2. Quartal2022 entschieden werden würde. Daher wurde bezüglich der kommunalen Verpackungsabgabe vorgeschlagen, das Urteil des VGH Mannheim abzuwarten.
Dies wurde dem Ausschuss für Klima- und Umweltschutz auch in der Sitzung am 15. März 2022 bekanntgegeben (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 03536, Ziffer 3.3)
1. Urteil des VGH Mannheim
Der VGH Mannheim hat dann doch bereits mit Urteil vom 29. März 2022 der Klage gegen die Satzung zur Erhebung einer kommunalen Abgabe auf Einwegverpackungen stattgegeben (Az.: 2 S 3814/20).
Zur Begründung führte das Gericht aus:
- Keine Kompetenz der Stadt Tübingen zur Einführung
Die Steuer sei nach ihrem Tatbestand nicht auf Verpackungen für Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle begrenzt (wie die Kasseler Verpackungssteuer), sondern erfasse auch den Verkauf der Produkte zum Mitnehmen.
Damit sei normativ der örtliche Bezug der Steuer – den die Gesetzgebungskompetenz für örtliche Verbrauchs- und Aufwandsteuern nach Art. 105 Abs. 2 a GG voraussetze – nicht ausreichend sichergestellt und es sei nicht gewährleistet, dass der belastete Konsum und damit der Verbrauch der Verpackung vor Ort im Gemeindegebiet stattfänden.
- Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes
Die Verpackungssteuer stehe zudem in ihrer Ausgestaltung als Lenkungssteuer in Widerspruch zum aktuellen Abfallrecht des Bundes.
Der Bundesgesetzgeber habe detaillierte Regelungen zur Vermeidung und Verwertung der gesamten Palette an Verpackungsabfällen und damit auch der Einwegverpackungen, die Gegenstand der Tübinger Verpackungssteuer seien, getroffen. Er habe damit darüber – aus Sicht des Gerichtes abschließend – entschieden, mit welchen rechtlichen Instrumenten die Ziele der Abfallvermeidung und Abfallverwertung verwirklicht werden sollten.
Auch der Vorrang der Abfallvermeidung begründe für die Kommunen nicht die Zuständigkeit, die abfallwirtschaftliche Zielsetzung der Abfallvermeidung eigenständig „voranzutreiben“. Auch wenn das Ziel einer Reduzierung des Verpackungsaufkommens auf Grundlage der bishe-rigen Regelungen im Verpackungsgesetz nicht (ausreichend) erreicht worden sein sollte, sei es Sache des Bundesgesetzgebers, für Abhilfe zu sorgen.
- Mangelnde Vollzugsfähigkeit
Schließlich sei auch der Begriff der „Einzelmahlzeit“, für die eine Obergrenze der Besteuerung von 1,50 Euro gelte, nicht ausreichend vollzugsfähig und verstoße damit gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit in Art. 3 Abs. 1 GG.
Gegen das Urteil wurde die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Laut Presseberichten hat die Stadt Tübingen nach entsprechender Beschlussfassung im Gemeinderat Revision eingelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat nun am 24. Mai 2023 das Urteil des VGH Mannheim aufgehoben (Az.: 9 CN 1.22) und die kommunale Verpackungsabgabe als im Wesentlichen rechtmäßig bewertet.
Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor, so dass eine rechtliche Auswertung noch nicht möglich war.
2. Bemühungen auf Bundesebene
Das Bundesumweltministerium hat eine bundesweite Sonderabgabe für Hersteller und Inverkehrbringer von Einwegkunststoffverpackungen rechtlich prüfen lassen. Das in Auftrag gegebene Rechtsgutachten kam zu dem Ergebnis, dass diese Sonderabgabe rechtlich zulässig wäre.
Dementsprechend legte das Bundesumweltministerium nun einen Ent-
wurf zum Erlass eines Gesetzes vor, nachdem die Hersteller und Inverkehrbringer eine solche Sonderabgabe zu entrichten haben, sog. Einwegkunststofffondsgesetz. Dieses wurde nun auch seitens des Bundestages beschlossen.
Das Bundesumweltministerium teilte zudem nach Presseberichten zu dem derzeit laufenden Verfahren bezüglich der kommunalen Verpackungsabgabe der Stadt Tübingen mit:
Sobald die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorliege, werde das Bundesumweltministerium prüfen, inwieweit ergänzende kommunaleRegelungen durch eine gesetzliche Regelung durch den Bund ermöglicht werden könnten.
II. Maßnahmenpaket Mehrweg
Das RKU hatte am 15. März 2022 im Ausschuss für Klima- und Umweltschutz ein Maßnahmenpaket zum Thema Mehrweg in Gastronomie- und Lebensmitteleinzelhandel im To-Go-Bereich wie folgt vorgestellt:
1. Aufbau einer Informationsplattform
Die Informationsplattform des gemeinnützigen Vereins rehab republic e.V. wurde bezuschusst. Sie ist dann bereits Ende März 2022 an den Start gegangen.
Unter www.mehrwegberatung-muenchen.de konnten und können Gastronom*innen und Lebensmitteleinzelhändler*innen Informationen und Schulungsmaterialien abrufen. Dort wird auf das Zuschussprogramm Mehrweg (siehe 2.) verlinkt sowie auf die Informationsveranstaltungen (3.) und die Möglichkeit von individuellen Beratungen (4.) hingewiesen.
2. Zuschussprogramm Mehrweg
Das beschlossene Zuschussprogramm Mehrweg wurde gestartet und war seit dem 4. April 2022 bis zum 30.November 2022 online:
So konnten sich Gastronom*innen und Lebensmitteleinzelhändler*innen online auf einer eigenen Webseite zu den Förderbedingungen informieren, Fragen stellen und online oder schriftlich einen Antrag einreichen. Die ersten Förderbescheide wurden Ende August 2022 versandt.
3. Informationsveranstaltungen
In Abstimmung mit dem Hotel- und Gaststättenverband und den betroffenen Innungen wurden am 30. Juni 2022 und am 13. Oktober 2022 jeweils Informationsveranstaltungen für Gastronom*innen und Lebensmitteleinzelhändler*innen durchgeführt.
4. Beratungstermine
Ferner bot das RKU neben der laufenden Beratung von Antragsteller*innen und sonstigen Interessierten zusammen mit rehab republic e.V. individuelle Beratungstermine für Gastronom*innen und Lebensmitteleinzelhändler*innen zwischen dem 4. Oktober 2022 und dem 28. November 2022 an.
Nach Gewährung einer Regelförderung bietet rehab republic e.V. nun auch regelmäßig digitale Beratungstermine für die betroffenen Betriebe an.5. Initiative Mehrweg
Ende 2022 wurde eine Initiative Mehrweg ins Leben gerufen, die alle Akteur*innen zusammenbringen und den Prozess der Umstellung auf Mehrweg kontinuierlich begleiten soll. Das nächste Treffen ist für Juni 2023 geplant.
6. Vollzug des Verpackungsgesetzes
Die untere Abfallrechtsbehörde, die im Referat für Klima- und Umweltschutz angesiedelt ist, kontrolliert zudem die Einhaltung des sog. Mehrweggebotes (§§ 33, 34 VerpackG) stichprobenartig seit Anfang 2023. Bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen werden Bußgeldverfahren eingeleitet.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.