Stipendien für Bildende Kunst und Gedächtnispreis vergeben
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Rathaus Umschau 128 / 2023, veröffentlicht am 07.07.2023
Mit den sechs Stipendien der Stadt München im Bereich Bildende Kunst in Höhe von jeweils 8.000 Euro werden in diesem Jahr Julia Klemm, MarinA, Philipp Gufler, Paulina Nolte, Minjae Lee und Laura Ziegler ausgezeichnet. Der mit 3.000 Euro dotierte Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis für Bildende Kunst geht an Luca Leon Daberto. Dies hat der Kulturausschuss des Stadtrats auf Vorschlag einer Jury in seiner Sitzung am Donnerstag entschieden.
Die jährlich vergebenen Stipendien für Bildende Kunst dienen der Förderung herausragender künstlerischer Vorhaben am Beginn der Professionalität. Zusätzlich wird der Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis für Bildende Kunst, dotiert nach der jeweiligen Stiftungsertragslage, zur Förderung junger Kunstschaffender, vergeben. Mit dem Beschluss „Mit Kultur aus der Krise“ hat der Stadtrat 2022 dauerhaft die Anzahl der Stipendien von vier auf sechs und die Dotierung von 6.000 auf 8.000 Euro erhöht. Die Preisverleihung findet am 18. Oktober gemeinsam mit der Verleihung der Stipendien und dem Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis für Musik im HP8 (Saal X) statt.
Auszüge aus den Jurybegründungen
Stipendium Bildende Kunst für Philipp Gufler
„Für sein neues Werkprojekt, die Videoinstallation ,Dis/Identification‘ nimmt Philipp Gufler eine Rede des deutschen Juristen, Journalisten und Schriftstellers Karl Heinrich Ulrichs als Ausgangspunkt. Ulrichs hatte diese Rede 1867 auf dem deutschen Juristenkongress in München gehalten, und darin als Vorkämpfer für die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen die Aufhebung der Anti-Homosexuellen-Gesetze gefordert. Mit diesem Projekt knüpft Philipp Gufler an seine herausragende künstlerische Forschung zu queerem Leben und Geschichte(n) u.a. in München an. In verschiedenen Rollen – als Künstler, Kurator, Forschender und Berater – arbeitete er dazu bereits in den vergangenen Jahren zusammen mit unterschiedlichen Szenen und Gemeinschaften, rund um Themen zur Komplexität und Beschränkung von Identifikation und Sichtbarkeit queeren Lebens. (...)“
Stipendium Bildende Kunst für Julia Klemm
„In ihrer künstlerischen Arbeit geht Julia Klemm von der klassischen Keramik aus. Durch die Mischung von klassischen Techniken und modernen Fertigungsverfahren wie 3D-Druck oder der Verwendung synthetischer Kunststoffe erweitert sie den traditionellen Technikbegriff der Keramik jedoch um eine äußerst zeitgenössische Komponente. Selbst entwickelte Glasuren mit brüchigen und fragil erscheinenden Oberflächen sind ein weiteres, stilbildendes Charakteristikum ihrer Arbeit, die geprägt ist vom Versuch, die Grenzen des technisch Möglichen zu erweitern. Die für diesen Ansatz notwendige Recherche- und Entwicklungsarbeit verfolgt sie präzise und konsequent. (...)“
Stipendium Bildende Kunst für Minjae Lee
„,Angst‘ ist das künstlerische Thema des Koreaners Minjae Lee, dem er sich in zumeist raumgreifenden Installationen bildlich nähert. (…) In seinem neuen Projekt ,Lampen-Fieber‘ möchte Minjae Lee sein Performance-Kon- zept weiterentwickeln. Stand bisher Minjae selbst im Mittelpunkt des Kunstwerks, so soll nun der Performance-Part von professionellen Darsteller*innen und Tänzer*innen übernommen werden. Die künstlerische Darstellung von ,Angst‘ soll dabei auf noch subtilere Weise vermittelt werden. Konnten bisher nur wenige den raren Performances von Minjae Lee beiwohnen, so soll die Zugänglichkeit zu seiner Arbeit damit einem breiteren Publikum ermöglicht werden. Damit setzt Minjae Lee seine Arbeit in logischer Konsequenz in einen größeren Rahmen, verfolgt dabei sein Konzept jedoch stringent weiter.“
Stipendium Bildende Kunst für MarinA
„Abgelöst von einer singulären Künstler*innen-Identität, tritt die künstlerische Entität MarinA seit 2015 in Erscheinung und fordert die Strukturen des Kunstbetriebs ebenso wie konventionelle Vorstellungen von künstlerischem Schaffen darin konsequent heraus. (...)
Mit ihrem Projekt ,Künstlerische Intelligenz‘ möchte MarinA eine Applikation erstellen, die, basierend auf eigenen Arbeiten, neue spartenübergreifende Kunstwerkkonzepte generiert. Ziel ist, dass diese Applikation, mit language-model, Zufallsgenerator und selbstdefinierten Regeln, alle vier bis sechs Monate einen konkreten Arbeitsvorschlag entwickelt, den sie per E-Mail kommuniziert, und der dann tatsächlich von MarinA realisiert wird. Durch das Feedback aus der realen Welt, das in die App einfließt, stellt sich MarinA aktuell evidenten Fragen, wie künstlerisches Schaffen im Zeitalter von Machine Learning und Künstlicher Intelligenz auf neue Weise funktionieren könnte.“
Stipendium Bildende Kunst für Paulina Nolte
„Paulina Nolte führt in ihrer künstlerischen Praxis Zeichnung, Objekt und Performance zusammen, indem sie ephemere und installative Formate verbindet – basierend auf einem ständig erweiterten Repertoire von Tanz, Gesang, Sound und Kostüm. (...)
Für das Stipendium legt Paulina Nolte ihren Fokus auf das Thema kollektive Freude und Ekstase durch das Medium Tanz und plant dazu eine einge- hende Auseinandersetzung mit den sozialen, physischen und historischen Aspekten gemeinschaftlicher Erfahrungen. Dabei gilt ihr besonderes Interesse der sozio-politischen Dimension der Ekstase im Spannungsfeld zwischen Aufbegehren und Heilung. (…) Ihre Beschäftigung mit rituellen Tänzen, Formen der Selbstinszenierung und Kostümierung bewegt sich in einer Bandbreite, die vom Bauhaus bis hin zu festlichen und theatralen Tendenzen am Black Mountain College reicht. In ihrer Zusammenarbeit mit dem New Yorker Musiker Bentley Anderson plant sie zudem, das Genre der Noise Musik in die Produktion einfließen zu lassen.“
Stipendium Bildende Kunst für Laura Ziegler
„Die in München und Hamburg lebende Künstlerin Laura Ziegler (*1990) wirkt mit ihren künstlerischen Formaten nicht nur im Kunstkontext, sondern ihre Werke sind immer auch Vehikel, um bislang marginalisierte Geschichten zu erzählen. Die Skulpturen, Collagen und Malereien, aber auch ihre Publikationen, (Puppen-)Theaterstücke und Videoarbeiten gehen von Alltagsbeobachtungen und deren sozialen Kontexten aus. (...) In ihrem Projektvorhaben ,AIRY GERMAN TALES‘ widmet sich Ziegler den rund 5.000 afrodeutschen Babys aus sogenannten ,mixed race‘-Liebesbe- ziehungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden. Ausgehend von ihrem eigenen Großvater, der nach dem Krieg in Deutschland stationiert war, wird sie in einer Serie von Film- und Textarbeiten diesen bislang unbeachteten Teil der afrodeutschen Nachkriegsgeschichte nachzeichnen und künstlerisch ausleuchten.“
Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis für Bildende Kunst für Luca Leon Daberto
„Luca Dabertos künstlerische und vermittelnde Praxis vollzieht sich immer in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragestellungen. Dabei bewegt er sich je nach Fragestellung spielerisch zwischen den Medien Performance, Videoperformance, Video, Objekt und Text. Als Performer involviert er seinen Körper nicht nur als Medium für Sprache, sondern immer auch als Beispiel der verhandelten Fragestellung. Eine Praxis, die vielmehr Fragen aufwirft, als sie gesicherte Antworten vorgeben will, und damit eine künstlerische Praxis vorstellt, die in Bewegung ist, die Eigenständigkeit und permanente Selbstreflexion voraussetzt. Dieser Herausforderung stellt sich Luca Daberto in seinen unterschiedlichen Rollen bewusst als sowohl künstlerisch-agierende wie auch als kunstvermittelnde und kuratierende Person mit jeweils eingehender Sorgfalt und größtmöglichem Engagement.“
Weitere Informationen und die vollständigen Jurybegründungen unter https://stadt.muenchen.de/infos/arbeitsstipendien-bildende-kunst.html